Brüssel (europarl) - Das Parlamentsvotum zielt auf einen Haushalt 2012 ab, der Wachstum, Beschäftigung
und Innovation in der Union fördert und die Entwicklung und den Demokratisierungsprozess in den Nachbarländern
der EU unterstützt. Dies spiegelt der am 26.10. verabschiedete Standpunkt zum nächstjährigen Haushalt
wider.
Die Abgeordneten waren im Allgemeinen bemüht, den ursprünglichen Haushaltsvorschlag der Kommission wieder
einzusetzen, nach den von den Finanzministern im Juli beschlossenen Kürzungen. Das Parlament tritt für
eine Erhöhung der Zahlungen um 5,23 % gegenüber dem diesjährigen Haushalt ein. Daraus ergibt sich
ein Gesamthaushalt von 133, 1 Mrd. Euro. Die Haushaltsentschließung wurde mit 431 Ja-Stimmen gegen 120 Nein-Stimmen
bei 124 Enthaltungen angenommen.
Eine 21-tägige Vermittlungsperiode beginnt am 1. November, mit Sitzungen am 8. und 18. November. Haushaltstriloge
sind für 3., 10. und 14. November geplant. Wenn sich das Parlament und der Rat einigen, dann kann der endgültige
Haushaltsentwurf in der ersten Vollversammlung im Dezember in Brüssel angenommen werden.
Investitionsvorhaben in Forschung und Entwicklung, Kohäsions- und Strukturfonds einhalten
Die größten Erhöhungen betreffen Forschung und Entwicklung (+10,35%) sowie Kohäsions- und
Strukturfonds (+8,8 %). In diesen Bereichen handelt es sich um langfristige Investitionsprojekte, die im fünften
Jahr des laufenden mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) und somit in der Realisierungsphase sind und für
die bereits zugesagte Mittel nun ausbezahlt werden müssen.
Nennenswerte Erhöhungen wurden auch für den Bereich Freiheit, Sicherheit und Justiz (+6,84%) eingesetzt,
um den wachsenden Aufgaben im Umgang mit Flüchtlings- und Migrationsströmen gerecht zu werden und Grenzkontrollen
im Mittelmeer zu verstärken.
In den Bereichen "Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung" und "EU als
globaler Akteur" will das Parlament hingegen nur wenig mehr ausgeben als ursprünglich von der Kommission
vorgeschlagen.
Mehrere Abgeordnete kritisierten Widersprüche in der Position des Rates zum Haushaltsentwurf der Kommission.
Der Haushalt für die neuen Europäischen Finanzaufsichtsbehörden und für Frontex wurde auf ein
zur Erfüllung ihrer Tätigkeiten unzureichendes Niveau herabgesetzt, während ihre Arbeitsaufgaben
zu den Top-Prioritäten des Rates zählen.
Forschung, Innovation und Ausbildung (Linie 1A)
Die Berichterstatterin Francesca Balzani (S&D, IT) hob hervor, dass Investitionen notwendig seien, um künftiges
Wachstum und Jobs zu sichern. Das Parlament folgte ihren Empfehlungen, die Ausgaben für Programme im Rahmen
der EU2020-Strategie zu erhöhen.
Das Parlament lehnt hingegen die von Kommission und Rat gewünschte Finanzierung des Nuklearfusionsprogramms
ITER aus Mitteln des 7. Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung ab. Dieses Megaprojekt war erst im Laufe
des derzeitigen Finanzrahmens in den Mittelpunkt der Debatte gerückt. Die Abgeordneten meinen daher, dass
ITER eher mit frischem Geld finanziert werden sollte und keine Mittel von anderen Forschungsprojekten abgezogen
werden sollte.
Kohäsionspolitik (Linie 1B)
Im Sinne eines größeren Zusammenhalts der EU-Regionen hat das Parlament die jeweiligen Beträge
wieder in ursprünglicher Höhe der Kommission eingesetzt, entgegen dem Wunsch nach Kürzungen der
Mitgliedstaaten.
Landwirtschaft und Umwelt (Linie 2)
Das Parlament hat sich auf zusätzliche 250 Mio. Euro für einen Notfallfond für Obst- und
Gemüseproduzenten geeinigt. Diese Mittel sollen Krisen wie jene rund um die EHEC-Bakterie vermeiden helfen
und künftig Entschädigungen für geschädigte Landwirte vorsehen.
Die Abgeordneten unterstützen ganz besonders das Nahrungsmittelprogramm für Bedürftige, das Lebensmittel
für Lebensmittelbanken zur Verfügung stellt, dem der Rat jedoch die Schaffung einer neuen legalen Basis
verweigert.
Freiheit, Sicherheit, Justiz (Linien 3a und 3b)
Das Parlament lehnt Kürzungen des Rats im Bereich EU-Flüchtlingsfond, Rückkehrfond und bei den Mitteln
zum Schutz der Außengrenzen ab (45 Mio. Euro). Der Haushalt für die EU-Grenzagentur Frontex sollte um
einen Reservebetrag von 25 % Euro erhöht werden, meinen die Abgeordneten, denn das Geld könnte für
maritime Grenzkontrollen im Mittelmeerraum und eine verstärkte Überwachung der griechisch-türkischen
Grenze benötigt werden. Vergangenen Monat erst sind dafür zusätzliche Haushaltsmittel 2011 zur Verfügung
gestellt worden, und die Abgeordneten haben den Eindruck, dass die Situation sich nächstes Jahr kaum ändern
wird.
Auswärtige Angelegenheiten (Linie 4)
Die Abgeordneten stimmten einer Erhöhung der Haushaltslinie um 100 Mio. Euro für Hilfsmaßnahmen
zugunsten Palästinas, des Friedensprozesses im Mittleren Osten und zugunsten des UN-Hilfswerks für palästinensische
Flüchtlinge (UNRWA) zu. Ebenso wurden 27 Mio. Euro für Entwicklungskooperationsinstrumente in Asien und
Lateinamerika zugestimmt und jeweils 3 Mio. Euro für Wahlbeobachtungsmissionen und für die türkisch-zypriotische
Gemeinschaft hinzugefügt. Um diese Erhöhungen zu ermöglichen, wurden Ausgaben für die EU-Polizeimission
in Afghanistan und die Linie für Notfallmaßnahmen im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
gekürzt.
Verwaltungsausgaben (Linie 5)
Der Berichterstatter für den Haushalt des Parlaments und der anderen EU-Institutionen, José Manuel
Fernandes (EVP, PT), schlug weitere Kürzungen des Parlamentshaushalts vor. Die Abgeordneten einigten sich
auf eine Erhöhung unterhalb der Inflationsrate um 1,44 %, zugleich sollte mit dem Geld wesentlich mehr umgesetzt
werden. Der Vorschlag enthält bereits den Neuzugang von 18 zusätzlichen Abgeordneten wie im Lissabon-Vertrag
vorgesehen. Berücksichtigt man diese Kosten nicht, beliefe sich der Haushaltszuwachs nur auf 0,8 %. Um die
Ausgaben zu drosseln, wollen die Abgeordneten einige organisatorische Verbesserungen vornehmen und Ausgaben für
Übersetzungen und Dolmetschen sparen. Sie stimmten überdies für eine fünfprozentige Kürzung
der Reiseausgaben, etwa durch Reduzierung der Anzahl von Business-Class Flugtickets. Sämtliche Diäten
sollen auf dem Niveau von 2011 eingefroren werden. |