Illmer: Landtagspräsidentenkonferenz als Lobbying-Organisation für regionale Selbstbestimmung
und Bürgernähe
Salzburg (lk) - "Wir haben die Landtagspräsidentenkonferenz, die als informelles Treffen
ähnlich der Landeshauptleutekonferenz diesmal in Salzburg stattgefunden hat, wieder dazu genutzt, um wichtige
Themenbereiche untereinander abzustimmen und zu koordinieren. Die Landtagspräsidentenkonferenz versteht sich
dabei als Lobbying-Organisation für regionale Selbstbestimmung und Bürgernähe. Dabei können
wir durchaus auf Erfolge in der Vergangenheit verweisen". Dies erklärte Landtagspräsident Simon
Illmer am 04.11. bei einem Informationsgespräch zum Abschluss der zweitägigen Landtagspräsidentenkonferenz.
So haben die Landtage in einer über die Präsidenten koordinierten Vorgangsweise bei der Gesetzwerdung
des Lissabon-Begleit-Bundesverfassungsgesetzes im Sommer vergangenen Jahres entschieden für ein selbstständiges
und vollwertiges Klagerecht des Bundesrates bei der Subsidiaritätsprüfung interveniert. "Im Gesetzesantrag
der Nationalratsparteien wäre der Bundesrat zu einer Randrolle degradiert worden, heute ist er mit den gleichen
Rechten wie der Nationalrat ausgestattet, die Landtage haben hier ein Mitspracherecht und somit einen direkten
Weg zum Europäischen Gerichtshof", sagte Illmer und griff mit der Neuordnung der Immunität der
Abgeordneten und der Finanzkontrolle zwei Schwerpunkte der heutigen Beratungen heraus.
Die Diskussion der Neuordnung der Abgeordnetenimmunität hat in Wien für die Abgeordneten des National-
und des Bundesrates begonnen. Illmer erinnerte an den "Untersuchungsausschuss über Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen
im Rahmen des Parlaments" vom August 2009. Nationalratspräsidentin Mag. Barbara Prammer hat damals eine
Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Erkenntnisse dieses Untersuchungsausschusses zu einem neuen Immunitätsrecht
für Abgeordnete verarbeiten sollte. "Für die Landtage ist die Änderung der Abgeordnetenimmunität
in der Bundesverfassung in zweifacher Hinsicht von Bedeutung. Zum einen betrifft eine solche Änderung die
von den Landtagen entsendeten Bundesräte, zum anderen sind diese neuen Grundlagen natürlich auch für
die Immunitätsregelungen der Landtagsabgeordneten umzusetzen. Die Landtagspräsidenten haben sich daher
bereits 2010 unter dem Vorsitz Wiens in die Diskussion eingeschaltet und unter dem Vorsitz meines Kollegen Gerhard
Steier im ersten Halbjahr 2011 dann eigene inhaltliche Stellungnahmen abgegeben, die größtenteils mit
den jeweiligen Landtagsparteien abgestimmt sind und von diesen mitgetragen werden", erläuterte Illmer.
Vorbehalte in den Landtagen bestehen insbesondere gegen die Ausdehnung der beruflichen Immunität der Abgeordneten,
wonach sie für wahrheitsgetreue Berichte aus den Sitzungen nicht mehr verantwortlich gemacht werden könnten.
Dies galt bisher nur für Dritte, also etwa Medienvertreter. Das Hauptbedenken ist, dass Abgeordnete damit
in die Lage versetzt würden, öffentlich jede Behauptung in die Welt setzen zu können, wenn sie sie
vorher auch in der Sitzung getätigt haben. Dies ist derzeit nicht der Fall. Wenn Abgeordnete jemanden in der
Sitzung beleidigen, ist dies – abgesehen von sitzungspolizeilichen Maßnahmen – straffrei, sagen sie dasselbe
nach der Sitzung in die Kamera, können sie belangt werden. Einige Landtage haben sich auch gegen die Ausdehnung
der Immunität auf Mitarbeiter der Parlamentsparteien ausgesprochen.
"Mir war es vor allem wichtig, dass in der Salzburger Stellungnahme die Bedeutung der neuen Medien hervorgehoben
wird und eine Veröffentlichung etwa auf einer Internetplattform oder auch mittels Ton und Film von der Immunität
mit umfasst sind. Fest steht für uns jedenfalls, dass die beabsichtigten Regelungen zahlreiche Fragen, Auslegungs-
und Vollzugsprobleme aufwerfen, auf die die Landtage die Nationalratspräsidentin hinweisen konnten. Die Landtagspräsidenten
haben daher ihre Forderung bekräftigt, bei der weiteren Gesetzeswerdung eingebunden zu bleiben. Der Bund braucht
hier offensichtlich die Expertise der Landtage", so Illmer.
Strenge Finanzkontrolle nicht nur für Gemeinden
Beim Schwerpunkt "Finanzkontrolle" setzten sich die Landtagspräsidenten einerseits mit der
neuen Kompetenz der Landesrechnungshöfe auseinander, Gemeinden unter 10.000 Einwohner künftig prüfen
zu dürfen. Für den Rechnungshof in Wien wurde die Prüfgrenze parallel dazu von 20.000 auf 10.000
Einwohner gesenkt. Illmer: "Zurzeit schauen alle Bundesländer mit Interesse nach Salzburg, weil es bei
uns bereits einen Begutachtungsentwurf zur Umsetzung dieser Prüfkompetenz im Landesrechnungshofgesetz gibt.
Die Gemeinden gehören heute zu den am besten geprüften öffentlichen Körperschaften in Österreich."
Alle Gemeinden haben einen Überprüfungsausschuss, in dem alle Fraktionen in gleicher Stärke vertreten
sind und dessen Vorsitz nicht von der Bürgermeisterfraktion ausgeübt werden darf. Dort wird nicht nur
die Kassaprüfung durchgeführt, sondern auch die Einhaltung des Haushalts und die Auftragsvergaben überwacht.
Alle Gemeinden werden von den Landesregierungen und der Bundesregierung als Gemeindeaufsichtsorgane überwacht.
Praktisch jedes finanzwirtschaftliche Geschäft einer Gemeinde ist in Salzburg zudem vorher von der Gemeindeaufsicht
zu genehmigen. Natürlich unterliegen die Gemeinden auch noch der Kontrolle der Finanzbehörden des Bundes
und der Justiz. "Vor diesem Hintergrund hätte ich mir gewünscht, dass man die neuen Prüfkompetenzen
der Rechnungshöfe nicht zuerst einführt und sich dann ihre Reichweite überlegt, sondern dass man
zuerst geschaut hätte, wo gibt es Kontrollmankos, und dann diese neuen Kompetenzen gesetzlich genau definiert
hätte. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass im Jahr 2010 der Bund mit mehr als zehn Milliarden
Euro Maastricht-Defizit abgeschlossen hat, das Land Salzburg mit 30 Millionen Euro Defizit, die Gemeinden des Landes
positiv bilanziert haben und der Anteil der Schulden aller österreichischen Gemeinden an der Gesamt-Staatsverschuldung
nicht einmal vier Prozent beträgt, dann frage ich mich, ob wir uns mit einer neuen Prüfungsart für
Gemeinden nicht auf die Falschen konzentrieren", erklärte Illmer, der auf eine langjährige Erfahrung
als Bürgermeister zurückgreifen kann.
Vorabprüfung des Rechnungsabschlusses
"Den eindeutig wichtigeren Punkt der Landesrechnungshofgesetz-Novelle sehe ich in der neuen Kompetenz, den
Rechnungsabschluss des Landes vor dessen Genehmigung durch den Landtag vom Landesrechnungshof prüfen zu können.
Damit wird die Kontrollfunktion des Landtages erheblich verbessert und aufgewertet. Mit der Prüfung des Rechnungsabschlusses
durch unseren Landesrechnungshof erhalten wir Abgeordneten eine völlig neuartige Möglichkeit, den von
der Landesregierung vorgelegten Rechnungsabschluss zu beurteilen und die richtigen Fragen zu stellen. Der Landesrechungshof
wird uns künftige eine Landkarte durch den Zahlendschungel des Rechungsabschlusses liefern. Zentraler Punkt
der Novelle ist die Einführung einer gesetzlich verpflichtenden Prüfung des von der Landesregierung vorgelegten
Rechnungsabschlusses durch den Landesrechungshof. Dieser Bericht des unabhängigen und weisungsfreien Prüforgans
des Landtags muss den Fraktionen für die Ausschussberatungen über den Rechnungsabschluss zur Verfügung
stehen und soll die Kontrollmöglichkeiten des Landtags in Budgetangelegenheiten wesentlich stärken. Durch
das Entgegenkommen von Finanzreferent Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. David Brenner konnte der Landesrechnungshof
bereits den Rechnungsabschluss 2009 – und nun auch heuer den von 2010 – prüfen, um dem Landtag zeitgerecht
zu berichten. Die Resonanz der Fraktionen war durchwegs positiv. Ich erwarte mir, dass der Landesrechnungshof auch
den Abschluss 2011 in dieser Form prüfen wird können, auch wenn die Gesetzesnovelle bis Jahresende noch
nicht beschlossen sein sollte", forderte Illmer.
Staatsschuldenausschuss zu echtem Stabilitätsrat aufwerten
"Ein weiterer Bereich der öffentlichen Finanzkontrolle, den wir heute beraten haben, ist der kürzlich
abgeschlossene Stabilitätspakt 2011. Die Ratifizierungsverfahren auf Länderebene sind im Wesentlichen
abgeschlossen, für Salzburg rechne ich mit einer entsprechenden Beschlussfassung in der Plenarsitzung am kommenden
Mittwoch. Ich denke aber, dass es die derzeitige Finanzsituation Österreichs nicht erlaubt, zur Tagesordnung
überzugehen. Ich habe daher mit meinem Vorsitznachfolger Präsident Friedrich Bernhofer aus Oberösterreich
im heurigen Sommer die Forderung aufgestellt, den Staatsschuldenausschuss zu einem echten Stabilitätsrat nach
deutschem Vorbild aufzuwerten", sagte der Salzburger Landtagspräsident.
"Gegenwärtig wird sogar über eine ständige EU-weite Wirtschaftregierung nachgedacht und bei
uns treffen einander der Finanzminister und die Finanzreferenten der Länder alle drei bis vier Jahre und vereinbaren
hinter verschlossenen Türen Stabilitätsbeiträge, die im Krisenfall dann ja doch nicht halten, weil
sich in der Zeit dazwischen niemand zuständig fühlt. Das hat der heuer abgeschlossene Stabilitätspakt
gezeigt, in dem einfach die Grenzwerte hinaufgesetzt wurden. Mit dieser Kongresspolitik können wir öffentliche
Haushalte heute nicht mehr steuern. Wir brauchen eine begleitende Kontrolle", betonte Illmer und verwies auf
die Vorteile eines echten Stabilitätsrats nach deutschem Vorbild:
- Drei Gremien werden zu einem funktionierendem zusammengefasst, mit den Ländern auf Augenhöhe.
- Haushaltsnotlagen werden frühzeitig erkannt, die Lösungskompetenz verbleibt bei den betroffenen Gebietskörperschaften,
der Rat leistet Hilfestellung.
- Beschlüsse fallen mit allen Beteiligten am Tisch, aber mit qualifizierter Mehrheit, das heißt einerseits
ist niemand ausgeschlossen, andererseits kann aber auch niemand allein einen Beschluss verhindern.
"Ich werde diese Forderung jedenfalls weiter verfolgen und hoffe, dass sie im nächsten halben Jahr
weiter auf der Agenda der Landtagspräsidenten bleibt", so der Landtagspräsident.
Jugendliche besser in das Landtagsgeschehen einbinden
"Ein letzter Punkt, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist der Stellenwert des Parlamentarismus
in den Augen der Jugendlichen. Wir haben heute in der Tagung einen Erfahrungsbericht aus Tirol bekommen, wo man
die Demokratiewerkstatt des Wiener Parlaments zu Gast hatte. Wir haben in Salzburg die Erfahrung gemacht, dass
Jugendliche nicht in den Landtag kommen, um eine Simulation durchzuspielen, sie wollen wirklich am politischen
Prozess partizipieren. Vor dem Können kommt aber natürlich das Lernen, nur leider wird die Landespolitik
an den Schulen in der politischen Bildung oft nur am Rande oder gar nicht behandelt. Wir haben daher in Salzburg
einen dreifachen Weg beschritten", zeigte Illmer auf:
"Wir haben in Salzburg zwei österreichweit anerkannte Experten zum Thema 'Politische Bildung', nämlich
Vizerektor Dr. Christoph Kühberger und Prof. Dr. Elfriede Windischbauer von der Pädagogischen Hochschule
(PH). Ich konnte diese beiden Fachleute mit Zustimmung aller Landtagsparteien dafür gewinnen, für den
Unterricht 'Politische Bildung' einen Lehrerleitfaden für alle Schultypen auszuarbeiten, mit der Landespolitik
jugendgerecht und didaktisch hochwertig vermittelt werden kann. Der Behelf soll bei den betreffenden Lehrer-Fortbildungen
an der PH zum Einsatz kommen und über den Landesschulrat Verbreitung finden. Ich habe den anderen Landtagen
heute angeboten, diesen Unterrichtsbehelf ebenfalls zu verwenden und im jeweiligen Bundesland einzusetzen.
Wir haben das Salzburger Schüler/innenparlament zu einem echten Jugendparlament aufgewertet, indem wir dessen
Beschlüsse im Landtag behandeln und die Regierungsmitglieder dazu Stellung nehmen lassen. Das Schüler/innenparlament
ist und bleibt aber eine selbständige Veranstaltung der Landesschülervertretung, in der die Jugendlichen
selber die Zügel in der Hand haben. Jugendpolitik und Landespolitik können sich dort also auf Augenhöhe
begegnen. Das ist für mich ein echtes Stück Jugendpartizipation, das es in dieser Form nirgends in Österreich
gibt.
Zu diesen beiden Schritten hat der Salzburger Landtag beschlossen, sich einen neuen, jugendgerechten Internet-Auftritt
zuzulegen. Wir werden dazu aber keine Agentur beauftragen, die einfach nur einen Grafitti-Version der jetzigen
Landtagshomepage anfertigt, sondern die neue Jugendhomepage des Landtags wird in einem Matura-Projekt an der HAK
2 in Salzburg entstehen. Denn wer könnte einen solchen Auftritt für Jugendliche besser machen. als die
Jugendlichen selber?", so Illmer abschließend.
Neben den Beratungen der Landtagpräsidenten stand heute auch ein Fachvortrag Univ.-Prof. Dr. Kurt Schmoller
von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Salzburger Universität zum Thema "Strafrecht und Strafverfahrensrecht.
Interessenvertretung – Intervention – Korruption. Zur Reichweite der Amts- und Korruptionsstraftatbestände"
auf dem Programm der Landtagspräsidentenkonferenz
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