Mikroskop ermöglicht erstmals 3D-Einblicke in schockgefrorene Zellen und Gewebe
Graz (universität) - An der Medizinischen Universität Graz wird am 04.11. ein steiermarkweit
einzigartiges Hochleistungs-Transmissionselektronenmikroskop im Bereich der Biomedizin präsentiert. Die steirische
Bevölkerung hat im Rahmen des Tages der offenen Tür die Möglichkeit, einmalige Einblicke in die
Welt der Medizin unter dem Elektronenmikroskop zu bekommen. Mithilfe des im Mai 2011 angeschafften Gerätes
können nicht nur feinste Strukturen visualisiert, sondern auch 3D-Aufnahmen (so genannte Elektronentomogramme)
von subzellulären Strukturen erzeugt werden. Die ersten Forschungsergebnisse konnten bereits durch das Hochleistungselektronenmikroskop
erzielt werden.
Neue Forschungsmöglichkeiten
Mittels eines Hochleistungs-Transmissionselektronenmikroskops können hauchdünne, eigens hergestellte
Präparate von Zellen oder Geweben durchstrahlt und in hoher Auflösung dargestellt werden. Solche Präparate
werden zum Studium der Gewebe und Zellen sowie ihrer Bestandteile benötigt. Neu gegenüber einem Standard-Elektronenmikroskop
ist die Möglichkeit der Elektronentomographie. Mithilfe des neuen Gerätes können auch erstmals schockgefrorene
Proben in 3D dargestellt werden.
Mittels Hochdruckgefrierfixierung wird Probenmaterial innerhalb von 10 Millisekunden bei 2100 bar schockgefroren,
um so Feinstrukturen der Zellen und ihrer "subzellulären" Bestandteile noch besser - viel naturnaher
als mit chemischer Fixierung - zu erhalten. Durch diesen Vorgang wird die sonst zerstörend wirkende Eiskristallbildung
verhindert. Die Elektronentomographie dient dann zur dreidimensionalen Visualisierung feinster Strukturen. Mittels
Kipphalter werden die Präparate aus unterschiedlichen Blickwinkeln untersucht. Spezielle bildverarbeitende
Verfahren ermöglichen daraufhin eine 3D-Rekonstruktion. In diese 3DRekonstruktion werden wieder "virtuelle"
Schnitte "gelegt" - z.B. in einem Abstand von 1-2nm - wodurch eine Auflösung von wenigen Nanometern
in allen drei Raumrichtungen erzielt wird. Auf diese Weise gelingt es, bestimmte Proteine innerhalb der Zelle genauestens
zu lokalisieren.
Erste Ergebnisse
Mittels Elektronentomographie beschäftigen sich Priv.-Doz. Mag. Dr. Gerd Leitinger, der auch Projektleiter
für die Anschaffung des Mikroskopes war, und seine Arbeitsgruppe mit dem Mechanismus der synaptischen Übertragung
- einem der wichtigsten Ziele in der Neurowissenschaft. "Wir wollen verstehen, wie Nervenzellen miteinander
kommunizieren. Wie werden Signale von einer Nervenzelle auf die andere gesendet? Welche Moleküle (Proteine)
sind an der Signalübertragung beteiligt? Wo sind diese Moleküle lokalisiert?" so Gerd Leitinger.
Zur Signalübertragung haben Nervenzellen untereinander Kontaktstellen (so genannte Synapsen) ausgebildet.
Die Überträgersubstanz an der Kontaktstelle ist in kleinen Säckchen (so genannten Vesikeln) gespeichert.
Bei Erregung verschmelzen die Vesikel mit der Zellhülle (Zellmembran) und ihr Inhalt wird in den Spalt zwischen
den beiden Nervenzellen ausgeschüttet. Die Überträgersubstanz dockt dann an Rezeptoren der nachgeschalteten
Zelle an und kann z.B. bewirken, dass die nachgeschaltete Zelle erregt wird. Erst mit der Elektronentomographie
wurde es möglich herauszufinden, wie die Vesikel an der Synaspe angeordnet sind. Außerdem kann man mit
der 3D-Information nun feststellen, wie die Moleküle, die an der Übertragung beteiligt sind, angeordnet
sind. Vor kurzem gab es die erste Veröffentlichung von Daten, die mithilfe des Transmissionselektronenmikroskops
gewonnen werden konnten1. Die Daten geben - erstmals bei einer visuellen Synapse einer Heuschrecke - Einblicke
in den 3D-Aufbau des Halte- und Vorschubapparates, welcher synaptische Vesikel für die Übertragung vorbereitet.
Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass die Vesikel in der Nervenendigung nicht zufällig verteilt sind, sondern
durch einen hochgeordneten Halte- und Vorschubapparat in eine zur Übertragung optimale Position gebracht werden.
Weitere Projekte & Kooperationen
Die Verfügbarkeit von Hochleistungsforschungsinfrastrukturen ist heutzutage unabdingbar und von zentraler
Bedeutung für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschung. Eingebunden in renommierte internationale
Forschungskonsortien stellt die Medizinische Universität Graz einen starken Partner im Bereich der wissenschaftlichen
Expertise und der "high-end" Forschungsinfrastruktur dar. Die bereits bestens etablierte Zusammenarbeit
mit den Großforschungsprojekten SFB LIPOTOX und dem GEN-AU Projekt "GOLD - Genomics Of Lipid-associated
Disorders" sowie mit den Doktoratskollegs "Molekulare Enzymologie" und "Metabolic and Cardiovascular
Disease" wird durch die Anschaffung des Elektronenmikroskops weiter intensiviert und technologisch ergänzt.
Neben den Kooperationen innerhalb der Med Uni Graz sowie mit der Karl-Franzens-Universität Graz und der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften wird auch die Zusammenarbeit mit den Medizinischen Fakultäten Maribor und Zagreb
und der University of Newcastle, Großbritannien, durch die neuen elektronenmikroskopischen Möglichkeiten
verstärkt.
EFRE - Europäischer Fonds für regionale Entwicklung
Das Elektronenmikroskop wurde aus Mitteln des Strukturfondsprogramms EFRE "Ziel Regionale Wettbewerbsfähigkeit
Steiermark" (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) sowie des Landes Steiermark und der Medizinischen
Universität finanziert. Ziel des "EFRE- Programmes" ist die Entwicklung innovativer Strategien zugunsten
der regionalen Wettbewerbsfähigkeit. Die Medizinische Universität Graz konnte im Rahmen dieses Programmes
bereits wiederholt Gelder zur Anschaffung von Spitzen-Infrastruktur akquirieren.
Wissenschaftslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder: "Die Medizinische Universität Graz ist eine wichtige
Schnittstelle für Wissenschaft, Gesundheitsversorgung und regionalwirtschaftliche Entwicklung. Investitionen
in die Forschungsinfrastruktur wie im Falle des Programms des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung
(EFRE), stärken die grundlagenwissenschaftliche Arbeit an der Med Uni Graz." |