Brüssel (ec.europa) - Doppelbesteuerung und doppelte Nichtbesteuerung stehen grundsätzlich in
Widerspruch zum Geist des Binnenmarkts. Trotzdem müssen viele Bürger und Unternehmen nach wie vor allein
deshalb eine höhere Steuerlast tragen, weil sie in mehr als einem Mitgliedstaat tätig sind. Gleichzeitig
nutzen andere die Schlupflöcher zwischen den nationalen Steuersystemen, um sich ihren Steuerpflichten zu entziehen.
Die Kommission ist entschlossen, dieses Problem anzugehen, und hat am 11.11. eine Mitteilung über die Doppelbesteuerung
angenommen. In dieser Mitteilung wird aufgezeigt, in welchen Bereichen in der EU die Doppelbesteuerungsprobleme
hauptsächlich auftreten, und es werden konkrete Maßnahmen umrissen, die die Kommission zur Lösung
dieser Probleme ergreifen will. Dabei will die Kommission die wahren Hindernisse für eine wettbewerbsfähigere
Wirtschaft beseitigen und dafür sorgen, dass Investitionen und die Unternehmenstätigkeit in der EU erleichtert
werden.
Hierzu erklärte Algirdas Šemeta, EU-Kommissar für Steuern und Zollunion, Audit und Betrugsbekämpfung:
„Wir müssen allen Bürgern, Unternehmen und Handelspartnern das Signal geben: Die EU besteuert nicht zweimal!
Doppelbesteuerung ist eines der größten steuerlichen Hemmnisse für den Binnenmarkt und darf nicht
mehr außer Acht gelassen werden. Heute haben wir klare und praktikable Wege aufgezeigt, um die Doppelbesteuerung
anzugehen, damit Leben und Arbeiten in der EU attraktiver werden."
Eine von der Kommission durchgeführte öffentliche Konsultation hat ergeben, dass es in mehr als 20 %
der gemeldeten Fälle einer Doppelbesteuerung von Unternehmen um mehr als 1 Mio. EUR ging und in mehr als 35
% der Doppelbesteuerung von Privatpersonen um mehr als 100 000 EUR.
Hintergrund
Nach derzeitigem EU-Recht sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, Doppelbesteuerung zu verhindern, wenn diese
nicht diskriminierend ist, d. h. nicht zwischen inländischen und ausländischen Steuerpflichtigen unterschieden
wird. Zwar versuchen die Mitgliedstaaten, die Doppelbesteuerung durch Maßnahmen wie bilaterale oder multilaterale
Doppelbesteuerungsabkommen zu beseitigen, diese bieten den Bürgern und Unternehmen jedoch wegen verschiedener
Unzulänglichkeiten (z. B. zu enger Anwendungsbereich, fehlende Übereinstimmung der einzelstaatlichen
Vorschriften, hoher Verwaltungsaufwand oder Langwierigkeit der Streitbeilegung) keinen ausreichenden Schutz. Im
Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010 wird betont, wo die Mängel der derzeitigen Verfahren zur
Vermeidung von Doppelbesteuerung in der EU liegen. Das Problem der Doppelbesteuerung schafft also weiterhin Hemmnisse
für grenzübergreifende Niederlassung, Tätigkeiten und Investitionen in der EU.
Wegen des grenzübergreifenden Charakters dieses Problems sind deshalb weitere Maßnahmen auf EU-Ebene
erforderlich, damit umfassende und wirksame Lösungen gefunden werden können. In diesem Jahr hat die Kommission
bereits einen Vorstoß unternommen, um die Doppelbesteuerung in bestimmten Fällen anzugehen, so etwa
durch den Vorschlag für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB).
Mit der heutigen Mitteilung wird die nächste Phase zur Beseitigung des Doppelbesteuerungsproblems eingeleitet,
was sowohl den Bürgern als auch den Unternehmen Vorteile bringen wird.
Die nächsten Schritte
Als ersten sofortigen Schritt zur Stärkung der geltenden Vorschriften zur Vermeidung von Doppelbesteuerung
hat die Kommission heute gleichzeitig einen Vorschlag zur Verbesserung der Richtlinie über Zinsen und Lizenzgebühren
angenommen. Damit wird z. B. die Zahl der Fälle verringert, in denen ein Mitgliedstaat auf eine Zahlung Quellensteuer
erhebt und ein anderer dieselbe Zahlung besteuert. Andere Bereiche, in denen die Kommission spezifische Lösungen
für Doppelbesteuerungsprobleme anbieten will, sind z. B. in naher Zukunft die Erbschaftssteuer in grenzübergreifenden
Sachverhalten oder zu einem späteren Zeitpunkt die Dividenden an Aktionäre.
Die Kommission wird auch andere Möglichkeiten zur Beseitigung der Doppelbesteuerung in grenzübergreifenden
Fällen prüfen, etwa durch die Einrichtung eines Forums zur Erstellung eines Verhaltenskodex zur Doppelbesteuerung
oder durch die Festlegung eines verbindlichen Streitbeilegungsverfahrens für ungelöste Doppelbesteuerungsfälle.
Zur Frage der doppelten Nichtbesteuerung, die den öffentlichen Haushalten erhebliche Einnahmeausfälle
verursacht, wird die Kommission eine Konsultation einleiten, um das volle Ausmaß dieses Problems zu ermitteln.
Anhand der Ergebnisse dieser Konsultation wird sie prüfen, welches die geeignetsten und wirksamsten Maßnahmen
sind, um eine doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden, und sie wird nächstes Jahr entsprechende Lösungsvorschläge
vorlegen.
Die Kommission wird die Mitteilung zur Doppelbesteuerung dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen
Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Diskussion vorlegen und dem Rat und dem Europäischen Parlament den Vorschlag
zur Richtlinie über Zinsen und Lizenzgebühren übermitteln. |