Wiens Kulturstadtrat eröffnet Teddy-Kollek-Lehrstuhl
in Jerusalem
Wien (rk) - "Wenn Nachkommen vertriebener Österreicher nach all dem Unrecht gegenüber
ihren Vorfahren dennoch österreichische Staatsbürger werden wollen, sollte ihnen das ohne Schwierigkeiten
ermöglicht werden. Österreich ist ihnen das schuldig!" betonte Wien Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny
am 09.11. in seiner Rede anlässlich der Inauguration eines Lehrstuhls für Teddy Kollek an der Hebrew
University in Jerusalem. "Ich bin zwar nicht für die Gesetzgebung der Republik Österreich zuständig,
aber ich werde mich aus voller Überzeugung dafür einsetzen, dass das, was in Deutschland längst
Selbstverständlichkeit ist, auch in Österreich umgesetzt wird", unterstrich Mailath. Die Eröffnung
des von der Stadt Wien mitfinanzierten Lehrstuhls, die der Kulturstadtrat in Vertretung des Wiener Bürgermeisters
Michael Häupl vornahm, ist Teil eines dichten dreitägigen Besuchsprogramms in Jerusalem. Zentrale Stationen
stellen u.a. der Besuch des "David Yellin College", einer ebenfalls von der Stadt Wien finanzierten Forschungseinrichtung
der Jerusalem Foundation, eine Kranzniederlegung in der Holocaustgedenkstätte "Yad Vashem" sowie
ein Besuch und Treffen mit offiziellen Vertretern der Stadt Ramallah dar.
Die Idee für einen "Kollek Jerusalem Vienna Chair for the Study of the Cultural Aspects of Vienna and
Jerusalem" an der Hebrew University ging von den beiden großen Bürgermeistern Teddy Kollek und
Helmut Zilk aus. Die Stadt Wien hat diese Idee und deren Umsetzung von Beginn an ideell und finanziell unterstützt.
"Männer wie Teddy Kollek, Helmut Zilk oder Simon Wiesenthal lehrten uns, das Verbindende vor das Trennende
zu stellen. Aber auch, dass es einen Willen braucht, das Verbindende zu pflegen", erklärte Mailath. Die
Einrichtung dieses Lehrstuhls bedeute daher nicht nur den Beginn einer fruchtbaren wissenschaftlichen Arbeit und
die Spurensuche einer gemeinsamen Vergangenheit, sondern auch eine Vertiefung der freundschaftlichen Verbindungen
zwischen Wien und Jerusalem.
"Die Wiener Geschichte ist mit der jüdischen Kultur aufs Engste verbunden", fuhr der Wiener Kulturstadtrat
fort. Der unglaublichen Bereicherung Wiens um einen großteils von Juden getragenen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen
und kulturellen Fortschritt, stehe die Vertreibung, die Ermordung der österreichischen, der europäischen
Juden gegenüber. Die Schrecken des Nationalsozialismus seien nicht einfach zufällig passiert, sondern
hatten gerade auch in Wien ihre Wurzeln und Ursachen. "In Wien begehen wir den heutigen 9. November im Gedenken
an die Opfer sehr bewusst und erinnern an das, was war, ohne zu verschweigen. Die Stadt wäre eine andere,
eine reichere, eine weltoffenere, eine kreativere, wenn die Jüdinnen und Juden nicht ermordet oder vertrieben
worden wären", betonte Mailath.
Österreich habe lange gebraucht, um sich der Wahrheit über dieses schwere Erbe seiner Geschichte zu stellen.
"Es war nicht zuletzt der österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky, der zu Beginn der Neunziger
Jahre hier am Mount Scopus und im Parlament in Wien die österreichische Verantwortung einbekannte und einmahnte.
Die Haltung der Stadt Wien in der Frage des Umgangs mit der Vergangenheit ist sehr eindeutig. Wir stellen uns unserer
Vergangenheit", betonte Mailath und verwies auf die vielen jüdischen Aktivitäten und Projekte, die
die Stadt Wien in den letzten Jahren unterstützte, etwa das renovierte und vor ein paar Wochen wiedereröffnete
Jüdische Museum Wien, die Vielzahl von Gedenk- und Vermittlungsprojekten und Mahnmalen, die vorbildliche Restitutionspraxis
der Stadt Wien oder die posthume Zuerkennung von Ehrengräbern für jüdische Prominenz und vieles
mehr.
Über all dem dürfe man jedoch nicht die Gegenwart und vor allem die Zukunft vergessen. "In Wien
ist eine lebendige, sehr selbstbewusste und in all ihren Ausprägungen sehr diverse jüdische Gemeinde
entstanden. Die Lebendigkeit des modernen Judentums ist auch eine späte Genugtuung darüber, dass die
Nazis eben nicht gesiegt haben, ihr Plan nicht aufging. Die jüdische Gemeinde breitet sich weiter aus und
sie floriert. Und Wien ist mit dieser jüdischen Gemeinde aufs Engste verbunden", schloss Mailath. |