Theophil Hansen: "Bauen für Politik und Gesellschaft"   

erstellt am
08. 11. 11

Veranstaltung im Parlament zum 120. Todestag des Architekten
Wien (pk) - Vor 120 Jahren, im Februar 1891, starb der Architekt des Parlamentsgebäudes Theophil Hansen. Dieses historische Datum nahm Nationalratspräsidentin Barbara Prammer zum Anlass, um am 07.11. gemeinsam mit der Zentralvereinigung der ArchitektInnen und der Österreichisch- Dänischen Gesellschaft zu einer Veranstaltung ins Hohe Haus zu laden. Unter dem Titel "Bauen für Politik und Gesellschaft" würdigten Politik und Architektur einen der bedeutendsten Architekten seiner Zeit. Beleuchtet wurde dabei nicht nur die Bauphilosophie Hansens, der sich als Schöpfer von Gesamtkunstwerken verstand, sondern auch sein Umfeld und die kulturellen Ansprüche seiner Auftraggeber. Mit verschiedenen Beispielen internationaler Parlamentsarchitektur spannte Architekturwissenschaftler Christian Kühn den Bogen bis in die Gegenwart.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer wies in ihren Eröffnungsworten auf die privilegierte Situation hin, ihren Arbeitsplatz in einem "Gesamtkunstwerk" zu haben. Selbst nach Jahren entdecke man im Parlamentsgebäude Details, die einem zuvor nicht bewusst aufgefallen seien, meinte sie. Auch BesucherInnen staunten immer wieder über die Pracht der Säulenhalle und anderer Räumlichkeiten.

Prammer verwies aber auch auf den schlechten Bauzustand des Hauses, der eine Generalsanierung unbedingt notwendig macht. In den letzten 130 Jahren sei nicht viel geschehen, gab sie zu bedenken. Die Entscheidung über das Ausmaß der Sanierung wird ihr zufolge voraussichtlich Anfang 2014 fallen.

Maria Auböck, Vizepräsidentin der Zentralvereinigung der ArchitektInnen, äußerte die Hoffnung, dass mit der heutigen Veranstaltung das Bewusstsein für den "ungewöhnlichen und interessanten Architekten" Theophil Hansen geschärft werde, auch wenn dieser nicht von allen ArchitektInnen geschätzt werde. Hansen habe nicht nur in Wien, sondern auch in Griechenland, Dänemark, der Slowakei, in Niederösterreich und am Traunsee gebaut und sei mit seiner klaren Sprache für seine Zeit modern gewesen, skizzierte sie. Die bevorstehende Generalsanierung wertete Auböck als spannende architektonische und raumbildnerische Aufgabe.

Architekturhistorikerin Mara Reissberger ging in ihrem Vortrag "Wohnen im Gesamtkunstwerk: Theophil Hansens Zins-Palais" vor allem auf die von Hansen errichteten bzw. ausgestalteten Ringstraßenbauten für private Auftraggeber ein. Er habe mit seinen repräsentativen Zins-Palais den Anspruch seiner Kunden - Industrielle und Bankiers - auf besondere Exklusivität erfüllt und gleichzeitig ökonomischen Anforderungen durch vermietbare Räumlichkeiten ober und unter der Bel Etage Rechnung getragen, schilderte sie. Um den Status der Bauherrn zu unterstreichen, hob sich die Bel Etage dabei nicht nur vom äußeren Erscheinungsbild deutlich von den übrigen Stockwerken ab, die Räumlichkeiten waren auch besonders prächtig ausgestaltet.

Moderiert wurde die Veranstaltung im Parlament von Architekturpublizistin Franziska Leeb. Im Vorfeld der Vorträge hatten die BesucherInnen Gelegenheit, das Parlamentsgebäude im Rahmen einer Spezialführung von einer besonderen Seite kennenzulernen.

Theophil Hansen
Theophil Hansen wurde am 13. Juli 1813 in Kopenhagen geboren. Dort studierte er Architektur an der Königlichen Bauakademie und ging 1838 mit einem dänischen Reisestipendium für acht Jahre nach Athen, wo er den griechischen Baustil eingehend studierte, an verschiedenen Bauprojekten mitwirkte und sich auch mit byzantinischen Kunstformen befasste. Den Erfahrungen aus dieser Zeit verdankt das österreichische Parlamentsgebäude seinen charakteristischen Stil.

1846 übersiedelte Hansen nach Wien, wo er zunächst als Assistent des Architekten Ludwig Förster arbeitete, ehe er 1852 sein eigenes Büro eröffnete. Sein erster großer Auftrag war der Bau des Arsenal. Auch die Entwürfe für die protestantische Kirche auf dem Matzleinsdorfer Friedhof, die griechische Kirche am Fleischmarkt, das Gebäude des Wiener Musikvereins, die neue Börse, das Palais Epstein und viele weitere Gebäude in der Bundeshauptstadt stammen aus seiner Hand. 1866 erhielt Hansen die österreichische Staatsbürgerschaft.

Das Parlamentsgebäude, errichtet in den Jahren 1874 bis 1883, betrachtete Hansen als sein Lebenswerk. Neben dem Entwurf für das Gebäude konzipierte er auch die gesamte Ausstattung selbst, angefangen von der Gestaltung der Wände über den figuralen Schmuck bis hin zum Mobiliar. Dabei achtete er selbst auf kleinste Details wie Türschnallen und auf eine harmonische Abstimmung der verschiedenen Elemente.

Im Großen sah Hansen zwei deckungsgleiche Gebäudeflügel vor, die jeweils einer der beiden Kammern des damaligen Reichsrats, dem Abgeordnetenhaus und dem Herrenhaus, zugeordnet waren. Die Mittelachse des Gebäudes mit der Säulenhalle im Zentrum war dabei als "neutraler Grund" gedacht, auf dem sich die Vertreter der beiden Häuser treffen konnten. Hier sollte auch der Kaiser, nach britischem Vorbild, alljährlich die Parlamentssession mit einer feierlichen Rede eröffnen, dazu kam es aber nie.

Gemäß Hansens Konzept wurde das Abgeordnetenhaus mit römischen Figuren, symbolhaft für das Politisch-Praktische, das Herrenhaus mit griechischen Statuen, Symbol für das Grundsätzlich- Philosophische, ausgestattet. Nicht durchgedrungen ist der Architekt mit seinen Plänen, die Fassade des Parlamentsgebäudes farbig zu gestalten und die acht Quadrigen auf dem Dach zu vergolden.

Hansen unterrichtete ab 1868 auch an der Akademie der Bildenden Künste und erhielt als einer der geschätztesten Architekten seiner Zeit eine Reihe von Auszeichnungen. So wurde er 1883 zum Ehrenbürger der Stadt Wien ernannt. Nahezu erblindet und nach längerem Leiden verstarb Hansen im Alter von 77 Jahren am 17. Februar 1891 in Wien. Er liegt in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben.
     
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