Veranstaltung im Parlament zum 120. Todestag des Architekten
Wien (pk) - Vor 120 Jahren, im Februar 1891, starb der Architekt des Parlamentsgebäudes Theophil
Hansen. Dieses historische Datum nahm Nationalratspräsidentin Barbara Prammer zum Anlass, um am 07.11. gemeinsam
mit der Zentralvereinigung der ArchitektInnen und der Österreichisch- Dänischen Gesellschaft zu einer
Veranstaltung ins Hohe Haus zu laden. Unter dem Titel "Bauen für Politik und Gesellschaft" würdigten
Politik und Architektur einen der bedeutendsten Architekten seiner Zeit. Beleuchtet wurde dabei nicht nur die Bauphilosophie
Hansens, der sich als Schöpfer von Gesamtkunstwerken verstand, sondern auch sein Umfeld und die kulturellen
Ansprüche seiner Auftraggeber. Mit verschiedenen Beispielen internationaler Parlamentsarchitektur spannte
Architekturwissenschaftler Christian Kühn den Bogen bis in die Gegenwart.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer wies in ihren Eröffnungsworten auf die privilegierte Situation
hin, ihren Arbeitsplatz in einem "Gesamtkunstwerk" zu haben. Selbst nach Jahren entdecke man im Parlamentsgebäude
Details, die einem zuvor nicht bewusst aufgefallen seien, meinte sie. Auch BesucherInnen staunten immer wieder
über die Pracht der Säulenhalle und anderer Räumlichkeiten.
Prammer verwies aber auch auf den schlechten Bauzustand des Hauses, der eine Generalsanierung unbedingt notwendig
macht. In den letzten 130 Jahren sei nicht viel geschehen, gab sie zu bedenken. Die Entscheidung über das
Ausmaß der Sanierung wird ihr zufolge voraussichtlich Anfang 2014 fallen.
Maria Auböck, Vizepräsidentin der Zentralvereinigung der ArchitektInnen, äußerte die Hoffnung,
dass mit der heutigen Veranstaltung das Bewusstsein für den "ungewöhnlichen und interessanten Architekten"
Theophil Hansen geschärft werde, auch wenn dieser nicht von allen ArchitektInnen geschätzt werde. Hansen
habe nicht nur in Wien, sondern auch in Griechenland, Dänemark, der Slowakei, in Niederösterreich und
am Traunsee gebaut und sei mit seiner klaren Sprache für seine Zeit modern gewesen, skizzierte sie. Die bevorstehende
Generalsanierung wertete Auböck als spannende architektonische und raumbildnerische Aufgabe.
Architekturhistorikerin Mara Reissberger ging in ihrem Vortrag "Wohnen im Gesamtkunstwerk: Theophil Hansens
Zins-Palais" vor allem auf die von Hansen errichteten bzw. ausgestalteten Ringstraßenbauten für
private Auftraggeber ein. Er habe mit seinen repräsentativen Zins-Palais den Anspruch seiner Kunden - Industrielle
und Bankiers - auf besondere Exklusivität erfüllt und gleichzeitig ökonomischen Anforderungen durch
vermietbare Räumlichkeiten ober und unter der Bel Etage Rechnung getragen, schilderte sie. Um den Status der
Bauherrn zu unterstreichen, hob sich die Bel Etage dabei nicht nur vom äußeren Erscheinungsbild deutlich
von den übrigen Stockwerken ab, die Räumlichkeiten waren auch besonders prächtig ausgestaltet.
Moderiert wurde die Veranstaltung im Parlament von Architekturpublizistin Franziska Leeb. Im Vorfeld der Vorträge
hatten die BesucherInnen Gelegenheit, das Parlamentsgebäude im Rahmen einer Spezialführung von einer
besonderen Seite kennenzulernen.
Theophil Hansen
Theophil Hansen wurde am 13. Juli 1813 in Kopenhagen geboren. Dort studierte er Architektur an der Königlichen
Bauakademie und ging 1838 mit einem dänischen Reisestipendium für acht Jahre nach Athen, wo er den griechischen
Baustil eingehend studierte, an verschiedenen Bauprojekten mitwirkte und sich auch mit byzantinischen Kunstformen
befasste. Den Erfahrungen aus dieser Zeit verdankt das österreichische Parlamentsgebäude seinen charakteristischen
Stil.
1846 übersiedelte Hansen nach Wien, wo er zunächst als Assistent des Architekten Ludwig Förster
arbeitete, ehe er 1852 sein eigenes Büro eröffnete. Sein erster großer Auftrag war der Bau des
Arsenal. Auch die Entwürfe für die protestantische Kirche auf dem Matzleinsdorfer Friedhof, die griechische
Kirche am Fleischmarkt, das Gebäude des Wiener Musikvereins, die neue Börse, das Palais Epstein und viele
weitere Gebäude in der Bundeshauptstadt stammen aus seiner Hand. 1866 erhielt Hansen die österreichische
Staatsbürgerschaft.
Das Parlamentsgebäude, errichtet in den Jahren 1874 bis 1883, betrachtete Hansen als sein Lebenswerk. Neben
dem Entwurf für das Gebäude konzipierte er auch die gesamte Ausstattung selbst, angefangen von der Gestaltung
der Wände über den figuralen Schmuck bis hin zum Mobiliar. Dabei achtete er selbst auf kleinste Details
wie Türschnallen und auf eine harmonische Abstimmung der verschiedenen Elemente.
Im Großen sah Hansen zwei deckungsgleiche Gebäudeflügel vor, die jeweils einer der beiden Kammern
des damaligen Reichsrats, dem Abgeordnetenhaus und dem Herrenhaus, zugeordnet waren. Die Mittelachse des Gebäudes
mit der Säulenhalle im Zentrum war dabei als "neutraler Grund" gedacht, auf dem sich die Vertreter
der beiden Häuser treffen konnten. Hier sollte auch der Kaiser, nach britischem Vorbild, alljährlich
die Parlamentssession mit einer feierlichen Rede eröffnen, dazu kam es aber nie.
Gemäß Hansens Konzept wurde das Abgeordnetenhaus mit römischen Figuren, symbolhaft für das
Politisch-Praktische, das Herrenhaus mit griechischen Statuen, Symbol für das Grundsätzlich- Philosophische,
ausgestattet. Nicht durchgedrungen ist der Architekt mit seinen Plänen, die Fassade des Parlamentsgebäudes
farbig zu gestalten und die acht Quadrigen auf dem Dach zu vergolden.
Hansen unterrichtete ab 1868 auch an der Akademie der Bildenden Künste und erhielt als einer der geschätztesten
Architekten seiner Zeit eine Reihe von Auszeichnungen. So wurde er 1883 zum Ehrenbürger der Stadt Wien ernannt.
Nahezu erblindet und nach längerem Leiden verstarb Hansen im Alter von 77 Jahren am 17. Februar 1891 in Wien.
Er liegt in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben. |