Enquete und Studienpräsentation zu Thema Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld
- Gesetzliche Verbesserungen im Kinderschutz und neue Hotline für von Gewalt betroffene Kinder
Wien (bmwfj) - Familien- und Jugendminister Reinhold Mitterlehner eröffnete am 21.11. im Wiener
Museumsquartier unter dem Motto "Die vielen Gesichter von Gewalt" eine Experten-Enquete, bei der auch
eine neue Studie zum Thema Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld präsentiert wurde. "Diese
Bestandsaufnahme zeigt, dass es trotz des gesetzlich verankerten Gewaltschutzes weiterhin Handlungsbedarf gibt.
Um unseren Anspruch noch stärker mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit in Einklang zu bringen, wollen wir
daher den Gewaltschutz und die Prävention in Österreich weiter verbessern", sagte Mitterlehner.
Im Auftrag des Familien- und Jugendministeriums hat das Österreichische Institut für Familienforschung
(ÖIF) die Ausprägungen und das Ausmaß der in der Familie und im nahen sozialen Umfeld ausgeübten
Gewalt untersucht. Für diese erste empirische Repräsentativuntersuchung zum Thema sind insgesamt 2.334
Männer und Frauen im Alter zwischen 16 und 60 Jahren befragt worden, um deren Gewalterfahrungen in der Kindheit,
im gesamten Lebenszyklus und in den letzten drei Jahren zu erheben.
Die altersspezifische Betrachtung zeigt, dass es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu einer Abnahme der
Gewalterfahrungen in der Kindheit gekommen ist und die jüngeren Befragten daher weniger Gewalt erlebt haben
als die ältere Generation: Vergleicht man die Gewalterfahrungen der Frauen und Männer im Alter von 51
bis 60 Jahren in ihrer Kindheit mit jenen der heute 16- bis 20-Jährigen, so ist der Anteil der körperlichen
Misshandlungen laut Studie um rund 25 bis 30 Prozentpunkte zurückgegangen. Noch signifikanter ist der Rückgang
bei sämtlichen Formen der sexuellen Gewalt: Bei den Frauen gab es hier in der Kindheit eine Halbierung der
Übergriffe, bei den Männern sogar eine Abnahme um rund zwei Drittel.
Die Gewaltprävalenzstudie hat weiters erhoben, dass Frauen deutlich häufiger und schwerer Gewalt erfahren
als Männer. Die einzige Ausnahme stellt die körperliche Gewalt dar, in der Männer etwas häufiger
Übergriffe schildern. Frauen erfahren zudem körperliche und sexuelle Gewalt vor allem in der Familie
und in der Partnerschaft. Weiters bestätigt sich, dass psychische Gewalterfahrungen von Frauen wie Männern
primär an ihrem Ausbildungs- und Arbeitsplatz gemacht werden. Darüber hinaus erhöhen Gewalterfahrungen
in der Kindheit laut der Studie das Risiko, auch im Erwachsenenalter schwere Gewalt zu erfahren.
Neues Gesetz wird Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung verbessern
"Die Bestandsaufnahme zeigt, dass es trotz einiger positiver Tendenzen weiterhin Handlungsbedarf auf
mehreren Ebenen gibt - bei der Bewusstseinsbildung, bei der Prävention und bei den konkreten Hilfsangeboten",
betonte Mitterlehner. "Wir verhandeln daher mit den Bundesländern das neue Bundes-Kinder-und Jugendhilfegesetz,
in dem erstmals das Vier-Augen-Prinzip in der Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung verankert ist. Zwei
Fachkräfte sollen gemeinsam den besten Weg für den bestmöglichen Schutz jedes einzelnen Kindes entwickeln",
so Mitterlehner. Dazu ist noch die Zustimmung von zwei Bundesländern ausständig.
Neue Hotline für gewaltbetroffene Kinder kommt
"Gleichzeitig müssen wir noch mehr Möglichkeiten schaffen, damit sich Kinder und Jugendliche
einfach und unbürokratisch Hilfe holen können, wenn sie Gewalt erleben. Daher richten wir mit 1. Dezember
in Kooperation mit dem Kinderschutzverein 'Möwe' eine österreichweite Hotline für gewaltbetroffene
Kinder ein", so Mitterlehner. Die Nummer 0800 240 268 ist sieben Tage die Woche von 8 bis 20 Uhr erreichbar
und mit Expertinnen und Experten der "Möwe" als Ansprechpartnern besetzt.
Im Sinne der Prävention wirken auch die Elternbildungsmaßnahmen des BMWFJ, in denen der gewaltfreie
Umgang mit Kindern in den Mittelpunkt gestellt und Handlungsalternativen zu Strafen aufgezeigt werden. Damit werden
jährlich rund 90.000 Väter und Mütter in Veranstaltungen erreicht. "Mir ist es daher wichtig,
dass es bei den Maßnahmen zur Gewaltvermeidung und Aufarbeitung in unserem Budget 2012 keinerlei Einsparungen
geben wird", so Mitterlehner.
Entscheidend ist für Mitterlehner auch die ehrliche Auseinandersetzung mit einer gewaltbelasteten Vergangenheit.
"Hier ist ein schonungsloses Aufarbeiten und Aufklären der Fälle notwendig. Eine österreichweite
Anlaufstelle bei der Volksanwaltschaft soll diesen Prozess künftig erleichtern", bekräftigte Mitterlehner.
"Darüber hinaus bietet unsere heutige Enquete die Möglichkeit, Gewaltphänomene aus unterschiedlichen
Blickwinkeln gemeinsam mit Experten zu analysieren sowie breit zu diskutieren, inwiefern die Rahmenbedingungen
und Strategien richtig justiert sind", so Mitterlehner abschließend. |