Österreichs Wirtschafslokomotive muss auf Fernmärkte setzen   

erstellt am
21. 11. 11

Tourismusgipfel Hohe Mut 2011
Obergurgl (promedia) - Zum Auftakt der Skisaison in Obergurgl/Ötztal trafen sich wieder Branchengrößen wie ÖHV-Präsident Sepp Schellhorn, TUI-Österreich-Chef Klaus Pümpel und der CEO der Schweizer Weiße Arena-Gruppe Reto Gurtner zum fünften Tourismusgipfel Hohe Mut 2011. Das Gipfeltreffen stand diesmal ganz im Zeichen der Internationalisierung als Strategie zur Erschließung neuer Märkte, was gerade in Krisenzeiten unerlässlich ist. Wirtschaftsexperte Walter Sonnleitner unterstrich dabei die Ergebnisse der brandaktuellen ÖHV-Destinationsstudie, die exklusiv beim Tourismusgipfel präsentiert wurde und die der Branche als einzig gangbaren Weg für die Zukunft die Erschließung neuer Märkte empfiehlt.

„Wir müssen der Krise dankbar sein!“, lautete der ungewöhnliche Tenor unter den versammelten Branchen- und Wirtschaftsexperten beim fünften Tourismusgipfel Hohe Mut, der am Freitag in Obergurgl/Ötztal stattfand. Denn nun seien die Handelnden, sowohl in Wirtschaft als auch Politik, dazu gezwungen, neue Konzepte zu entwickeln und neue Wege zu gehen. Die brandneue Destinationsstudie der ÖHV, die Präsident Sepp Schellhorn im Rahmen des Tourismusgipfels erstmals der Öffentlichkeit präsentierte, unterstrich diese Einschätzung. Denn während Österreichs wichtigster Kernmarkt Deutschland stagniert, weisen gerade die Fernmärkte enormes Potenzial auf, das nur darauf wartet genutzt zu werden. Einzelne Regionen wie Zell am See oder das Ötztal haben dies erkannt, ihr Erfolg basiert bereits auf einem regelrechten Mix an Herkunftsmärkten. „Was auf den ersten Blick nach viel Aufwand aussieht, entpuppt sich aber bei näherer Betrachtung als sehr profitabel“, so Schellhorn. So werden im internationalisierten Ötztal 142 Prozent mehr Nächtigungen verbucht als im Österreich-Durchschnitt. Bedingung dafür sei jedoch, dass man entsprechend und abgestimmt in konzertiertes Marketing investiert, stellt der ÖHV-Präsident fest. Dass in der Realität das Budget der Österreich Werbung aber seit dem Jahr 2000 um rund 20 Prozent gesunken ist, sei genau der falsche Weg. Abschließend betonte Schellhorn die Bedeutung der Tourismusbranche für Österreich: „2010 generierte Österreich über direkte und indirekte Wertschöpfung 15, 1 Prozent des BIP aus der Tourismus- und Freizeitwirtschaft und jeder fünfte Vollarbeitsplatz hing davon ab.“ Schließlich betonte Schellhorn, dass es elementarer Strukturreformen bedürfe, was die Vermarktung von Österreich betreffe, um die Branche mittel- bis langfristig in dieser Stärke zu erhalten.

Andreas Braun, Geschäftsführer der swarovski tourism services GmbH, beschrieb den Stellenwert der Internationalisierung am Beispiel der Kristallwelten, für die China mittlerweile der wichtigste Herkunftsmarkt ist. Umgelegt auf den österreichischen Tourismus bedeute dies, dass man sich abseits des Skifahrens breiter aufstellen müsse: „Touristen aus anderen Märkten haben auch andere Urlaubszeiten und damit nicht nur Skifahren im Kopf.“ Zudem kritisierte Braun, dass es in Österreich zu viele kleine, unrentable Betriebe gebe, die nur durch Subventionen überleben. Diese Milliardenwerte seien anderwertig viel besser angelegt, etwa in der gezielten Positionierung am Weltmarkt.

Braun erhielt argumentative Rückendeckung von den beiden hochkarätigen Touristikern aus der Schweiz, die eigens für den Branchengipfel zum Auftakt der Skisaison nach Obergurgl/Ötztal reisten: Reto Gurtner, CEO der Weisse Arena Gruppe, sowie Rupert Simoner, General Manager des Kempinski Grand Hotel des Bains in St. Moritz sowie Kempinski-Regional Vice President der internationalen Luxushotelkette. Beide lieferten spannende Einblicke in die Schweizer Befindlichkeiten, was den Tourismus anbelangt. „Die Internationalisierung in der Schweiz ist historisch bedingt. Die alten Grand Hotels sind ein Schweizer Spezifikum. Während Österreich extrem einseitig auf Skifahrer und Deutschland konzentriert ist, ist die Schweiz breiter aufgestellt“, so Reto Gurtner. Und er prognostizierte der heimischen Tourismusbranche ein drohendes Problem, weil Skilauf „nicht mehr cool“ sei: „Nur 14 Millionen Deutsche fahren Ski, nur sieben Millionen davon sind tatsächlich aktiv und 49 Prozent davon sind 60 Jahre oder älter.“ Bald, so Gurtner, würden diese Gäste verschwinden. Es brauche daher neue Konzepte und Zugänge, um die Alpen für internationale Gäste attraktiver zu machen, die nicht allein zum Skifahren in die Berge kommen.

Kempinski-Manager Simoner appellierte an Österreichs Touristiker, zu handeln: „Österreich darf seine Kernmärkte nicht vergessen, muss aber zugleich auf neue Märkte setzen, die erst in der Zukunft rentabel werden.“ Wichtig sei dabei immer die Positionierung. Österreich müsse „sich entscheiden und rausfinden, was es ist und wofür es steht“. Dabei warnte er davor, das Bauen auf die eigene Identität mit Alpenkitsch und billigem Ausverkauf zu verwechseln: „Man muss Traditionen bewahren und schaffen. Es geht um Authentizität.“

Der Österreich-Chef der TUI, Klaus Pümpel, vertrat am Tourismusgipfel die Position der Reiseveranstalter. Auch er stieß ins selbe Horn wie seine Mitdiskutanten: „Es braucht im Tourismus coolen Realismus. Die TUI ist sehr internationalisiert. Aber das ist ein langwieriger Prozess, es dauert – wie etwa bei uns im Fall China – zehn Jahre bis sich das rechnet. Dasselbe gilt für Indien und Russland. Derzeit investieren wir in diese Märkte ohne Gewinn.“ Neben dem internationalen Engagement dürfe man aber die derzeit wichtigsten Kernmärkte, wie Deutschland, auf keinen Fall vernachlässigen: „Denn wer diese verliert, wird das nicht mit internationalen Märkten auffangen können.“ Für die Internationalisierung, so Pümpel, brauche es zweifelsohne viel Geld. Er fordert daher von der Politik zu erkennen, welch wichtiger Wirtschaftsfaktor der Tourismus ist und dementsprechend in diese Branche zu investieren.

Schließlich brachte Bärbel Frey, Geschäftsführerin des Aqua Dome Längenfeld sowie des Tauernspa Kaprun, die lokale Perspektive der Wellnessbranche ein, die bereits erkannt hat, dass Skifahren alleine für den alpinen Tourismus nicht genügt: „Wir vermitteln unseren Gästen das Bergerlebnis in Kombination mit Erholung.“ Im Zuge dessen sei bereits eine Internationalisierung gelungen: „Letztes Jahr feierten wir Silvester mit Gästen aus 19 Nationen, aber zugleich mussten wir einen Rückgang bei den deutschen Gästen verzeichnen. Daher wird Internationalisierung unerlässlich sein, um dies auszugleichen.“

Als neutraler Experte bestätigte der Autor und langjährige "Mr. Wirtschaft" des ORF, Walter Sonnleitner, in seinem Vortrag am Tourismusgipfel Hohe Mut 2011, dass die Tourismusbranche am richtigen Weg sei: "In Zeiten wie diesen, in denen die Weltwirtschaft unruhige Gewässer durchfährt, hat sich der Tourismus stets als stabiles Schiff erwiesen. Auch jetzt ist man am richtigen Kurs, wenn man stärker rudert als die Strömung."

Tourismusgipfel Hohe Mut
Der Tourismusgipfel auf der Hohen Mut ist inzwischen eine über die Grenzen Österreichs hinaus anerkannte Plattform, bei der aktuelle und brisante Themen des Alpentourismus offen angesprochen und diskutiert werden. Bereits zum fünften Mal lud Gastgeber und Veranstalter Ötztal Tourismus ein, in einem besonderen Umfeld zum Start der Skisaison in Obergurgl-Hochgurgl kritisch aktuelle Tendenzen im Alpentourismus zu diskutieren. Im einzigartigen Ambiente der Hohen Mut Alm finden Diskussionen buchstäblich auf höchstem Niveau statt, schließlich befindet sich die traditionsreiche Berghütte mitten im Skigebiet Obergurgl-Hochgurgl auf 2.670 Metern Höhe. Gastgeber und Veranstalter Ötztal Tourismus unterstreicht mit dem fünften Tourismusgipfel auf der Hohen Mut Alm seine herausragende Rolle als führende Tourismusregion der Alpen, die sich um die Zukunft des Tourismus besonders bemüht. „Der Tourismusgipfel ist mittlerweile eine wichtige Plattform zum Gedankenaustausch über die Grenzen unserer Region hinaus geworden", erklärt Oliver Schwarz, GF Ötztal Tourismus.
     
zurück