WIFO-Werbeklimaindex: Werbewirtschaft trotzt der Krisenstimmung   

erstellt am
16. 11. 11

Sery-Froschauer: "Jedes 4. Unternehmen will Personal aufnehmen, doch 68 % der Unternehmer orten Qualifikationsmängel bei Berufseinsteigern" - Defizite bei der Textsicherheit
Wien (wifo) - "Österreichs Werbewirtschaft entwickelt sich entgegen dem gesamtwirtschaftlichen Trend weiterhin positiv", betont Angelika Sery-Froschauer, Obfrau des Fachverbandes Werbung und Marktkommunikation, zur aktuellen Auswertung des WIFO-Werbeklimaindex und ergänzt "Die Ergebnisse sind überraschend positiv. Während andere Branchen, wie beispielsweise die exportorientierte Industrie, schwächeln, überwiegen unter den Werbeunternehmern die Optimisten."

Nachfrage nach Werbedienstleistungen hat im 3. Quartal weiter zugenommen
Gerhard Schwarz vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) schildert die Ergebnisse im Detail: "Die Nachfrage nach Dienstleistungen im Bereich Werbung und Marktkommunikation hat im 3. Quartal weiter zugenommen." 37 Prozent der befragten Unternehmer berichten im November 2011 von einem Anstieg, gegenüber neun Prozent, die sich mit rückläufiger Nachfrage konfrontiert sehen. Auch die Geschäftslage der Werbewirtschaft hat sich positiv entwickelt: Rund 30 Prozent der befragten Unternehmen berichten von einer verbesserten Geschäftslage: Dem stehen wiederum neun Prozent gegenüber, deren Geschäftslage sich verschärft hat.

Die Auftragslage ist weiterhin gut: 76 Prozent der Unternehmen melden ausreichende oder sogar mehr als ausreichende Auftragsbestände. Ihre Kapazitäten haben die Werbetreibenden mit 89 Prozent gut ausgelastet. 27 Prozent geben sogar an, ihre Kapazitäten voll ausgelastet zu haben.

Sery-Froschauer: "Kommunikationsbranche verzeichnet West-Ost-Gefälle"
Vor dem Hintergrund des fragilen wirtschaftlichen Umfeldes in Europa ist im kommenden Jahr auch mit einer Abschwächung der Werbekonjunktur zu rechnen: "Die Werbewirtschaft kann sich 2012 nicht von der globalen wirtschaftlichen Schwächephase abkoppeln", betont die Obfrau. Für die unmittelbare Zukunft bleiben die Firmen der Werbung und Marktkommunikation zwar zuversichtlich, der Anteil der optimistischen Erwartungen ist zuletzt aber zurückgegangen: 27 Prozent der Unternehmen rechnen mit einem weiteren Anziehen der Nachfrage in den kommenden Monaten. Zumindest jeder Vierte rechnet mit einer verbesserten Geschäftslage. Damit überwiegen die Optimisten weiterhin gegenüber jenen 11 Prozent der Unternehmen, die eine sinkende Nachfrage, und jenen 16 Prozent, die eine schlechtere Geschäftslage erwarten.

Dabei zeigen sich regionale Unterschiede. "Österreichs Kommunikationsbranche verzeichnet ein deutliches West-Ost-Gefälle", so Sery-Froschauer: Während die westösterreichischen Betriebe auch in den kommenden Monaten eine sehr günstige Entwicklung erwarten, rechnen die Wiener Unternehmen mit einer deutlich schwächeren Konjunktur. Die Fachverbandsobfrau erklärt dies unter anderem mit den politischen Diskussionen rund um Medientransparenz- und Lobbying-Gesetz: "Vor allem am Wiener Markt herrscht große Unsicherheit, das spüren die Werbeunternehmer der Bundeshauptstadt, denn ihre Auftraggeber sind merklich zurückhaltender."

Jedes 4. Unternehmen will Personal aufnehmen
In der Werbewirtschaft herrscht weiterhin Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften. Ein knappes Zehntel der Werbeunternehmen gibt an, derzeit primär durch Arbeitskräftemangel in der Geschäftstätigkeit behindert zu sein. Rund ein Viertel der befragten Firmen will Personal aufnehmen, nur 6 Prozent der Werbeunternehmen sehen sich zu einem Abbau von Beschäftigten im Laufe dieses Quartals gezwungen.

"Ein Interesse der Arbeitnehmer an der Werbewirtschaft ist vorhanden, doch es hakt bisweilen an der Qualifikation der Bewerber", unterstreicht Matthias Spaetgens, Leiter Kommunikationsdesign - Schwerpunkt Werbung an der Universität für angewandte Kunst Wien. "Die Anforderungen der Branche an ihre Bewerber haben sich radikal verändert. Wer nicht digital Denken und Umsetzen kann, hat im Arbeitsmarkt wenig Chancen.", so Spaetgens. Als weiteres Problem ortet der Topkreative: "Die Werbung hat ein Image-Problem. Viele Branchen fischen heute im gleichen Teich der kreativen Talente. Die Top-Leute wollen nicht mehr unbedingt in die Werbung." Es sei eine entscheidende Aufgabe der Branche, einen Image-Wandel herbei zu führen.

Durchaus kritisch betrachten die Werbe-Unternehmen die Qualifikation der Bewerber, erhob das WIFO: Mehr als die Hälfte der Betriebe, die regelmäßig mit Initiativbewerbungen von Berufseinsteigern zu tun haben, findet, die Berufseinsteiger verfügten in der Regel nicht über die geforderten Qualifikationen. Als "bedenklich" bezeichnet Sery-Froschauer das mangelnde sprachliche Talent und die Textsicherheit der Bewerber. Mehr als jeder zweite Betrieb (53 %) beanstandet hierbei die Qualifikation ihrer Bewerber. Den gleichen Wert ergaben Mankos bei der strategischen Auffassungsgabe und beim kaufmännischen Verständnis. Auch wenn man bedenkt, dass Personen mit schlechterer Qualifizierung in der Bewerbergruppe überrepräsentiert sind, zeigen sich hier Diskrepanzen zwischen den Erwartungen der Branche und den Fähigkeiten der Berufseinsteiger: "Ein erfolgreicher Werbeunternehmer muss auch über kaufmännisches Können verfügen", so die Obfrau. Die Werbewirtschaft fordert daher eine praxisnähere Ausbildung.
     
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