Innenausschuss diskutiert aktuelle sicherheitspolitische Fragen   

erstellt am
24. 11. 11

Beratungen über Datenaustausch-Abkommen mit den USA vertagt
Wien (pk) - Aktuelle sicherheitspolitische Fragen standen im Mittelpunkt der Sitzung des Innenausschusses des Nationalrats vom 24.11. Die Abgeordneten diskutierten mit Innenministerin Johanna Mikl-Leiter, Justizministerin Beatrix Karl und Staatssekretär Sebastian Kurz unter anderem über die Entwicklung der Kriminalität in Österreich, die geplante Reform der Sicherheitsbehörden, die ansteigende Zahl von Asylanträgen, die Aufhebung einer Bestimmung im Staatsbürgerschaftsgesetz durch den Verfasungsgerichtshof, zunehmende Anzeigen wegen Handy-Raubs und die rechtsextreme Szene in Österreich.

Mikl-Leitner hielt dabei unter anderem fest, dass bisher kein Österreich-Bezug zur in Deutschland aufgedeckten Mordserie festgestellt werden konnte. Die Zahl der bis Oktober ausgestellten Rot-Weiß-Rot-Karten bezifferte sie mit 371.

Vom Innenausschuss einstimmig vertagt wurden die Beratungen über ein Abkommen mit den USA über die vertiefte Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten. Anlass dafür waren heftige Proteste der Opposition. Bei dem Abkommen geht es um den gegenseitigen Datenaustausch im Zuge von behördlichen Ermittlungen, wobei FPÖ, Grüne und BZÖ vor allem Artikel 12 des Abkommens hinterfragten, der unter bestimmten Voraussetzungen auch die Weitergabe sensibler personenbezogener Daten wie politische Anschauung, religiöse Überzeugung, die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, Gesundheitsdaten und die sexuelle Orientierung erlaubt.

Die Abgeordneten Harald Vilimsky (F), Peter Westenthaler (B) und Albert Steinhauser (G) zeigten sich erstaunt, dass solche Daten in Österreich überhaupt gespeichert würden. Zudem machten sie geltend, dass der Datenschutzrat, der bei wichtigen Gesetzesvorlagen zwingend einzubinden sei, mit diesem Abkommen nicht befasst worden sei. Abgeordneter Westenthaler sprach in diesem Zusammenhang von einer völlig inakzeptablen Vorgangsweise. Angesichts der Bedrohung von Grundrechten müssten die Alarmglocken läuten, warnte er, Missbrauch sei "Tür und Tor geöffnet". Abgeordneter Vilimsky ortet "orwellsche" Verhältnisse. Abgeordneter Steinhauser hielt fest, es gebe erhärtete Indizien, dass zum Abkommen auch ein "Side-Letter" existiere, und forderte dessen Vorlage an das Parlament.

Seitens der Koalitionsparteien zeigten die Abgeordneten Günter Kößl und Wolfgang Gerstl (beide V) kein Verständnis für die Bedenken der Opposition. So sprach Gerstl etwa von einer "künstlichen Erregung" und machte geltend, dass es um Personen gehe, denen eine terroristische Straftat oder die Beteiligung an einer organisierten kriminellen Gruppe vorgeworfen werde. Abgeordneter Kößl wies darauf hin, dass Österreich eines der letzten Länder in Europa sei, die noch kein derartiges Abkommen mit den USA abgeschlossen habe. SPÖ und ÖVP stimmten einer Vertagung der Beratungen letztendlich aber doch zu, nachdem sie zuvor die Absetzung des Abkommens von der Tagesordnung abgelehnt hatten.

Innenministerin Mikl-Leitner wandte sich gegen langwierige Verzögerungen, kündigte jedoch an, der Forderung der Opposition Rechnung zu tragen und das Abkommen dem Datenschutzrat vorzulegen. Dieser habe sich allerdings schon einmal mit der Frage befasst, sagte sie auf wies auf eine Stellungnahme vom 28. November 2008 hin. Auch Abgeordneter Hannes Fazekas (S) hob die erfolgte Einbindung des Datenschutzrates hervor.

Zum Inhalt des Abkommens merkte Mikl-Leitner an, Österreich habe gut verhandelt und wesentlich mehr erreicht als andere Länder. Es gebe auch eine Suspendierungsklausel, die eine jederzeitige Kündigung des Abkommens ermögliche. Die Innenministerin rechnet zudem nicht mit Massenabfragen.

Polizeireform: Mikl-Leitner will 8 Mio. € bis 10 Mio. € einsparen
Eingeleitet wurden die Beratungen im Innenausschuss mit einer Aktuellen Aussprache. Abgeordnete Alev Korun (G) ging dabei unter anderem auf ein ihrer Ansicht nach "haarsträubendes" Interview mit dem Grazer Polizeidirektor Alexander Gaisch ein, der u.a. von einer drohenden Unterwanderung der Stadt durch die muslimische Bevölkerung gesprochen habe. Sie forderte eine Distanzierung Mikl-Leitners von diesen Aussagen. Überdies urgierte sie eine rasche Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes nach der Aufhebung einer Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof. Korun sprach sich dafür aus, die alte Rechtslage wieder einzuführen und die österreichische Staatsbürgerschaft auch dann zu gewähren, wenn jemand unverschuldet mittellos geworden sei. Eine Lösung muss es ihr zufolge außerdem für jene Personen geben, die die Staatsbürgerschaft nachträglich verlieren, weil sich nach Jahren herausstelle, dass der Ehepartner der Mutter und vermeintliche Vater nicht der leibliche Vater sei.

Abgeordneter Harald Vilimsky (F) wies auf zunehmende Fälle von Handy-Raub hin und erkundigte sich nach Konzepten des Innenministeriums zur Eindämmung dieser Entwicklung. Er regte etwa verstärkte Streifendienste rund um Schulen, mehr Aufklärung und den Einsatz von spezieller Software an. Vilimsky wollte von Mikl-Leitner außerdem wissen, inwieweit die Exekutive auf einen europaweiten Bankansturm und einen Sturm auf Lebensmittelläden nach dem Zusammenbruch einer oder mehrerer großer europäischer Banken vorbereitet sei. Abgeordneter Werner Herbert (F) brachte zu Sprache, dass es in öffentlichen Verkehrsmitteln im Großraum Wien, etwa in Schnellbahnzügen, verstärkte zu einem Verkauf von Suchtgift komme.

Auch Abgeordneter Peter Westenthaler (B) ging auf das Problem des Handy-Raubs durch Jugendbanden ein. Ihm zufolge hat sich mittlerweile herausgestellt, dass es sich vor allem um tschetschenische Banden handle, wobei die Jugendlichen wie ihre Eltern zugewanderte Asylanten seien. Er forderte eine strenge Bestrafung der Betroffenen und die sofortige Aberkennung des Asylstatus. Westenthaler machte darüber hinaus darauf aufmerksam, dass es im ersten Halbjahr 2011 einen deutlichen Anstieg der legalen Zuwanderung nach Österreich gegeben habe: die Zahl der legalen Aufenthaltstitel habe sich von 460.983 auf 469.369 erhöht.

Westenthalers Fraktionskollege Christoph Hagen und Abgeordneter Günter Kößl (V) sprachen die geplante Zusammenlegung von Sicherheitsdirektionen und Landespolizeikommanden an. Kößl fragte etwa nach den erwarteten Einsparungseffekten dieser Zusammenführung. Abgeordneter Wolfgang Gerstl (V) verteidigte den Grazer Polizeidirektor und zeigte sich darüber erfreut, dass zuletzt ein großer Schlag gegen eine bulgarische Schlepperbande gelungen sei.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) wies darauf hin, dass es im Zusammenhang mit dem erforderlichen Nachweis von Deutschkenntnissen für MigrantInnen zu Problemen bei der Organisation von Prüfungen komme, weil eine Mindestzahl von acht Prüflingen vorgeschrieben sei. Sie erkundigte sich außerdem danach, ob ausreichend PolizeischülerInnen ausgebildet würden, um freiwerdende Planstellen besetzen zu können. Ihr Fraktionskollege Rudolf Plessl interessierte sich dafür, ob die Polizei auf die bevorstehende Beendigung des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres ausreichend vorbereitet sei.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) setzte sich mit der rechtsextremen Szene in Österreich auseinander und wies darauf hin, dass diese stark mit der deutschen Szene vernetzt sei. Auch in Österreich gebe es eine starke Zunahme von Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund, skizzierte er. Steinhauser geht davon aus, dass eine Reihe ungeklärter Brandanschläge und ein Sprengstoffanschlag auf ein Asylheim in Graz ebenfalls einen rechtsextremen Hintergrund haben. Sein Eindruck sei, dass das Innenministerium und der Verfassungsschutz die Gefahr des rechtsextremen Terrors in Österreich unterschätzten, sagte er. Man müsse aber eingreifen, bevor noch Schlimmeres passiere.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner teilte Abgeordneter Korun mit, dass es derzeit keine Familien im Anhaltezentrum Rossauer Lände und im ehemaligen Kardinal-König-Haus gebe. Vom "gelinderen Mittel" seien derzeit sechs Personen und eine Familie mit drei minderjährigen Kindern betroffen. Die Aussagen des Grazer Polizeidirektors Alexander Gaisch wertete sie als "unerfreulich" und leicht missverstehbar, Gaisch habe sich aber auf Anweisung des Innenministeriums bereits entschuldigt. Es sei allerdings nur ein Teil des Gesprächs zitiert worden, sagte Mikl-Leitner.

Zur Reparatur des Staatsbürgerschaftsgesetzes habe man bis Oktober 2012 Zeit, betonte Mikl-Leitner. Man werde diese Frist nutzen, um eine adäquate Lösung zu finden. Das von Korun angeschnittene Problem der nachträglichen Aberkennung der Staatsbürgerschaft ist Mikl-Leitner zufolge bereits durch eine Gesetzesnovelle im Jänner 2010 gelöst worden, sie sagte auf Drängen Koruns aber zu, sich die Bestimmung nochmals anzuschauen.

In Richtung Abgeordnetem Vilimsky merkte Mikl-Leitner an, es sei evident, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise zu einer Verunsicherung der Bevölkerung geführt habe. Man dürfe diese Verunsicherung nicht weiter schüren, warnte sie. Für die Lebensmittelbevorratung sind laut Mikl-Leitner die Länder und das Wirtschaftsministerium zuständig, auf den Schutz kritischer Infrastruktur sei das Innenministerium vorbereitet. Dem zunehmenden Handy-Raub begegnet das Innenministerium, wie sie sagte, durch ein Pilotprojekt, das auf eine Ortung der Handys abzielt.

Die Zahl der PolizeischülerInnen, die sich derzeit in der Polizeigrundausbildung befinden, bezifferte Mikl-Leitner mit 1.694. Die Rot-Weiß-Rot-Card haben ihrer Auskunft nach haben bisher – mit Stand Oktober – 371 Personen erhalten, darunter viele StaatsbürgerInnen aus Kanada, den USA, Serbien und der Russischen Föderation. Zur Information von potentiellen Zuwanderern sei eine Website eingerichtet worden, die zahlreiche Zugriffe verzeichne. Dass die legale Zuwanderung steigt, wollte Mikl-Leitner nicht bestätigen, 500.000 aufrechte Aufenthaltstitel im Jahr 2005 stehen ihr zufolge rund 460.000 im Jahr 2010 gegenüber.

Was die zunehmenden Asylzahlen betrifft, sieht Mikl-Leitner Österreich vor einer massiven Herausforderung stehen. Die Schlepperei habe "Hochkonjunktur", unterstrich sie. Vor allem über die türkisch-griechische Grenze und über die serbisch-ungarische Grenze kämen verstärkt Flüchtlingsströme. So greife Frontex im griechisch-türkischen Grenzbereich täglich 300 illegale Personen auf.

Zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität arbeite Österreich eng mit anderen Staaten zusammen, betonte die Ministerin. Unter anderem werden an der serbischen Grenze österreichische Exekutivbeamte mit Wärmebildkameras eingesetzt. Gerade gestern habe man außerdem mit der Festnahme von sieben Tätern einen großen Erfolg bei der Zerschlagung einer Schlepperbande erzielen können. Immer häufiger würden junge Frauen nach Österreich gebracht und zur Prostitution gezwungen, schilderte Mikl-Leitner.

Die Anwesenheitspflicht in den Erstaufnahmestellen für Asylwerber hat sich nach Darstellung Mikl-Leitners als "sehr hilfreich" erwiesen. Damit sei es gelungen, das Abtauchen von AsylwerberInnen in die Illegalität zu verringern. Mittlerweile würden Asylverfahren auch in relativ kurzer Zeit abgewickelt.

Die geplante Zusammenlegung von 31 Polizeikommanden und Sicherheitsdirektionen zu neun Landespolizeidirektionen wertete Mikl-Leitner als größte Behördenreform im Bereich des Innenressorts in der Zweiten Republik. Für sie ist dieser Schritt eine logische Konsequenz aus den bisherigen Polizeireformen. Derzeit seien vier Arbeitsgruppen dabei, Details zu erarbeiten. Die Umsetzung der Reform peilt Mikl-Leitner für den Herbst 2012 an, wobei sie versicherte, dass niemand "joblos" werde. Das Einsparungspotential schätzt sie auf 8 Mio. € bis 10 Mio. €.

Den im Bericht des Verfassungsschutzes vermerkten Anstieg von rechtsextremen Straftaten führt Mikl-Leitner auch auf die verstärkte Sensibilität der Bevölkerung und den damit zusammenhängenden Anstieg von Anzeigen zurück. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung habe die rechtsextreme Szene – genauso wie die islamistische und die linksextreme Szene – jedenfalls im Fokus, sagte sie. Dass gut gearbeitet werde, zeige auch der Umstand, dass derzeit drei Personen in Untersuchungshaft seien. Hinsichtlich der Straftaten in Deutschland sei, so die Ministerin, bisher kein Österreich-Bezug festgestellt worden.

Auf die Beendigung des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres ist die Polizei nach Information Mikl-Leitners gut vorbereitet: "Es muss sich in keiner Weise jemand fürchten."

Staatssekretär Sebastian Kurz erklärte, das Innenministerium gehe in der Frage des Deutschnachweises von MigrantInnen vom Prinzip aus, ein vielfältiges Angebot von Kursen bereitzustellen, aber klare Standards in Bezug auf die Prüfung vorzuschreiben. Ein ÖIF-Test sei jedoch nicht zwingend, auch ein österreichisches Sprachdiplom werde anerkannt. Dass für ÖIF-Prüfungen mindestens acht TeilnehmerInnen vorgeschrieben seien, habe ökonomische Gründe. Bei geringerer Kursteilnehmerzahl biete das ÖIF aber Sammeltermine an.
     
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