Investitionskraft der Städte stark gebremst   

erstellt am
22. 11. 11

Auswirkungen von Konjunktur und Schuldenbremse: Städtebund und KDZ legen umfassende Finanzprognose für Städte und Gemeinden bis 2015 vor – Städtebund und GdG-KMSfB: Sparstift darf nicht Sozialleistungen kürzen
Wien (rk) - Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat spürbare Auswirkungen auf die Finanzgebarung der Städte und Gemeinden, denn trotz gestiegener Einnahmen können die Ausfälle wegen ständig steigender Ausgaben nicht wettgemacht werden. Die nun von der Bundesregierung beschlossene Schuldenbremse könnte eine zusätzliche Verschärfung bringen, wenn keine flankierenden Maßnahmen beschlossen werden.

Dies geht aus einer aktuellen Finanzprognose für Städte und Gemeinden hervor, die das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung im Auftrag des Österreichischen Städtebundes erstellt und gemeinsam mit Kooperationspartner Bank Austria am 22.11. in Wien präsentiert hat.

Die Prognose im Detail
Die finanzielle Situation der Städte und Gemeinden in Österreich stabilisiert sich auf einem niedrigen Niveau. Die Ertragsanteile haben sich gegenüber dem Vorjahr um 57 Millionen Euro reduziert, die weiteren Einnahmen wachsen 2010 nur in einem geringen Ausmaß und ausgabenseitig ist ein geringer Anstieg zu verzeichnen. Der Zinsaufwand sinkt erheblich, die Transferzahlungen steigen jedoch stark an – innerhalb eines Jahres von 2009 auf 2010 um 180 Millionen Euro.

Die finanzielle Lage der Gemeinden bleibt weiterhin angespannt. Die Ertragskraft liegt mit der Öffentlichen Sparquote um rund ein Drittel unter den Werten der Jahre vor 2008 und die Freie Finanzspitze ist in Summe Null, sodass sich die Investitionstätigkeit rückläufig zeigt. 2010 wurde um 300 Millionen Euro weniger investiert al in den Vorjahren.

Kein sicheres Land in Sicht
In den nächsten Jahren ist mit keiner wesentlichen Verbesserung der Gemeindefinanzen zu rechnen. 2011 werden stark steigende Ertragseinnahmen aufgrund einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung und des Auslaufens des Konsolidierungsbeitrages erwartet. 2012 steigen die Ertragsanteile nicht mehr so stark. Zinsen und Transfers werden wieder anwachsen und die Überschüsse der laufenden Gebarung werden nach einer kurzfristigen Verbesserung bis 2011 stetig verringert.

Maßnahmen gefordert
Durch diese trüben Aussichten wird am Konsolidierungskurs weiterhin festgehalten werden. "Es gilt hier Einsparungspotentiale auszuloten. Das reicht von einer Verwaltungsvereinfachung bis hin zu umfassenden Strukturreformen. Die Schuldenbremse braucht eine Aufgaben- und Transferbremse", meint Peter Biwald, Geschäftsführer des KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung.

Wolfgang Figl, Leiter des Bereichs Public Sector in der Bank Austria: "Die finanzielle Situation von Österreichs Kommunen ist großteils sehr angespannt. Neben den aktuell ungünstigeren Konjunkturaussichten, liegen die kommunalen Einnahmen weiter unter Vorkrisenniveau. Als der strategische Finanzpartner der Kommunen wollen wir gemeinsam mit dem KDZ und dem Städtebund die Gemeinden unterstützen. Dies tun wir unter anderem mit der Bereitstellung von kostenlosen Analysetools, mit deren Hilfe die Gemeinden ihre Finanzplanung auf einfachem Wege verbessern und Einsparungspotenziale erheben können."

Schuldenbremse als zusätzliche Hürde
Die durch die Bundesregierung beschlossene Schuldenbremse könnte weitreichende Auswirkungen auf die Finanzierung von Städten und Gemeinden haben. Der Österreichische Städtebund fordert daher, dass bei einer Festschreibung des Schuldenabbaus auch die "Pflichtausgaben", also die zahlreichen, sehr stark anwachsenden Transferleistungen, die Städte und Gemeinden an die Bundesländer leisten, gedeckelt werden. Generalsekretär Thomas Weninger: "Es muss klar sein, dass, wenn das finanzielle Korsett enger wird, auch kein Millimeter mehr Platz ist für neue Aufgaben, die der Bund an Länder und Gemeinden delegiert, die dann die Umsetzung selbst finanzieren müssen", so Weninger.

Er fordert parallel zur Schuldenbremse ein "Finanzierungs-Reformpaket": "Mittelfristig können nur durch echte Strukturreformen die Leistungen der Städte und Gemeinden abgesichert werden: etwa durch eine Neuverteilung der Aufgaben und Ausgaben und einer umfassenden Struktur- und Verwaltungsreform, um Doppelgleisigkeiten und Mehrfachzuständigkeiten zwischen Ländern und Gemeinden zu beseitigen. Städte sind Wirtschaftsmotoren, die dazu beitragen, die Konjunktur zu stabilisieren und damit Beschäftigung vor Ort speziell für Klein- und Mittelunternehmen zu sichern", so Weninger.
     

Sparstift darf nicht Sozialleistungen kürzen
Unter dem Motto "Wieviel Markt verträgt der Sozialbereich?" baten der Österreichische Städtebund und die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB) am 21.11. zu einer hochkarätig besetzten ExpertInnendiskussion in den Wiener Ringturm. Ihre dringlichste Forderung: "Sozialleistungen dürfen nicht dem Sparkurs zum Opfer fallen."

Die Ausgaben für Soziales sind in Österreichs Städten und Gemeinden zuletzt sprunghaft angestiegen – seit 2004 sind sie mit durchschnittlich 30 Prozent regelrecht explodiert. Der Sozialbereich ist für Kommunen ein enormer Kostentreiber. "Die Einführung des Pflegefonds trägt zwar dazu bei, künftige Kostensteigerungen abzumildern, doch der Sozialbereich macht teilweise mehr als die Hälfte der laufenden Ausgaben aus", sagt Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes und schlägt weiter vor: "Um bedarfsgerechte Angebote auch in finanziell schwierigen Zeiten sicherzustellen, müssen sich Städte und Gemeinden zunehmend besser vernetzen und untereinander kooperieren".

Es sei auch klar, dass an allen Ecken und Enden gespart werden muss, aber "eine Budgetsanierung darf nicht automatisch mit dem Abbau von Sozialleistungen einher gehen – weder auf Bundes-, Landes- noch auf Gemeindeebene", konstatiert der Generalsekretär.

Nachhaltige Strukturreform notwendig
Umso mehr fordert Weninger eine langfristige strukturelle Lösung sowie eine verbindliche Zusage des Bundes über die Finanzierung der Pflege. Weninger: "Investitionen sind unbedingt notwendig. Nur so könnten Städte und Gemeinden ihren eigentlichen Kernaufgaben, nämlich die Versorgung der BürgerInnen vor Ort, nachkommen."

"Den Bediensteten der Österreichischen Gemeinden ist genug aufgebürdet worden. Zusätzliche Aufgaben können in Zukunft nur an die Gemeinden übertragen werden, wenn die personelle und finanzielle Ausstattung gesichert ist", betont der Vorsitzende der GdG-KMSfB, Christian Meidlinger, anlässlich der Diskussionsveranstaltung. Die hohe Qualität dürfe nicht zugrunde gerichtet werden, indem die Politik dem Öffentlichen Dienst immer neue Aufgaben aufbürde, ohne entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.

In diesem Zusammenhang verweist Meidlinger auf die Gemeinderesolution, die auf Initiative der GdG-KMSfB und der Plattform "Wege aus der Krise" ins Leben gerufen wurde und bereits von mehr als 140 BürgermeisterInnen und Gemeinderäten unterzeichnet wurde. Die Resolution steht unter http://www.kommunale-grundversorgung-sichern.at/ online.

Zum Abschluss der Diskussionsveranstaltung präsentierten der Städtebund und die GdG-KMSfB ein gemeinsames Thesenpapier. Öffentliche Dienste sind ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschafts- und Sozialsysteme der EU-Mitgliedstaaten und insgesamt ein substantieller Bestandteil des europäischen Gesellschaftsmodells.

Im Interesse der Menschen
BürgerInnen und Unternehmen erwarten zu Recht, dass eine umfangreiche Palette von zuverlässigen, stabilen und effizienten öffentlichen Dienstleistungen in hoher Qualität und zu erschwinglichen Preisen verfügbar ist. Öffentliche Dienste sorgen dafür, dass kollektive Bedürfnisse und Interessen – Aufgaben des Gemeinwohls – bedient werden können. Damit auch weiterhin qualitativ hochwertige, effiziente, nachhaltige und nutzerorientierte Leistungen der Daseinsvorsorge erbracht werden können, erheben GdG-KMSfB und Städtebund insbesondere auf EU-Ebene unter anderem folgende Forderungen:

  • Die Verankerungen des Vorranges funktionierender öffentlicher Dienstleistungen vor den Prinzipien des Binnenmarktes und des Wettbewerbrechtes.
  • Definition und Bereitstellung von Leistungen der Daseinsvorsorge obliegen den Mitgliedsstaaten oder ihren Gebietskörperschaften.
  • Die Berücksichtigung des Prinzips durch Garantie des Rechts auf lokale und regionale Selbstbestimmung bei der Erbringung, Organisation und Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen.
     
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