Eurozone Konjunktur-Update   

erstellt am
22. 11. 11

Wien (rzb) - Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten - allen voran Staatsanleihenmärkten - sowie die politischen Querelen in vielen Ländern bzw. auf gesamteuropäischer Ebene haben nunmehr die Realwirtschaft erreicht. Beispielsweise wurde die Einschätzung der Einkaufsmanager (abgebildet im Einkaufsmanagerindex, PMI) zuletzt deutlich pessimistischer. Lag der PMI im September mit 49,1 Punkten heuer erstmals unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten, fiel der Index im Oktober noch einmal auf 46,5 Punkte. Die Aussichten verschlechterten sich sowohl im verarbeitenden Gewerbe als auch im Dienstleistungssektor, wobei letzterer einen deutlicheren Rückgang um 2,4 Zähler auf 46,4 Punkte zu verzeichnen hatte als der PMI für Industrie, der von 48,5 auf 47,1 Punkte absackte. Dies sind Werte, die in der Vergangenheit mit einer Rezession in der Gesamtwirtschaft einhergingen. Vor allem im Industriebereich zeichnet sich im Schlussquartal 2011 ein starker Einbruch ab. Zusätzliche Abwärtsrisiken gehen vom Dienstleistungssektor aus (Finanzbereich - Geschäftsabbau, Öffentliche Verwaltung - Einsparungen, Handel - Kreditverteuerungen bei Finanzierungen). Die Entwicklungen auf dem Staatsanleihenmarkt gibt wenig Mut auf eine baldige Besserung des Wirtschaftsausblicks. Fiskalisches Gegensteuern gegen den Abschwung ist in den meisten Ländern aufgrund der hohen Finanzierungskosten kaum möglich. Im Gegenteil, in den meisten Euroländern ist mit einer anhaltend restriktiv ausgerichteten Fiskalpolitik zu rechnen.

Doch auch Sparbemühungen bzw. deren Ankündigungen gehen nach wie vor mit steigenden Zinsen einher. Selbst Regierungswechsel in Griechenland, Italien und Spanien mit den damit verbundenen Ankündigungen von strukturellen Reformen stellten das Vertrauen der Investoren bislang nicht wieder her. Der politische Rahmen bleibt auf Jahressicht unruhig. Die Regierungen in Griechenland und Italien haben keine "Hausmehrheit", sondern werden von den größten Parteien temporär unterstützt. Und auch andere Regierungen werden an Rückhalt verlieren, sobald die Rezession die Konsolidierungsbemühungen erschwert. Gemeinsam mit den Defizitzielen dürften auch die aktuellen Ratings in einigen Ländern auf Jahressicht nicht halten.

Solange sich die EZB nicht klar zu weitreichenden Anleihenkäufen bekennt, dürfte sich unserer Einschätzung nach kein nachhaltiger Rückgang der Risikoprämien bei EUR-Staatsanleihen einstellen. Der (noch immer nicht fertig ausgearbeitete) Lösungsansatz die EFSF auf ein Volumen von rund EUR 1 Bio. zu hebeln, wird unserer Meinung keine Abhilfe schaffen. Erstens ist der Einsatz der Mittel mit einem umständlichen/langwierigen Entscheidungsprozess verbunden. Zweitens ist der Rettungsschirm an sich aufgrund der neuen Dimension der Staatschuldenkrise nicht mehr das geeignete Instrument. Denn selbst die enorme Summe von EUR 1 Bio. ist nicht ausreichend, um den ganzen Süden Europas unabhängig vom Markt zu finanzieren. Zudem reicht die Bonität der Mittel- und Nordeuropäischen Länder nicht aus, die GIIPS Länder zu garantieren.

Ein Eingreifen der EZB stellt sich unserer Meinung nach immer mehr als letzter Ausweg dar, der aber mit konsequenten Reformen in den einzelnen Ländern verbunden sein muss. Das Eingreifen der EZB sollte durch eine Änderung des Vertragswerks zu einer stärker regelgebunden Haushaltspolitik auf gesamteuropäischer Ebene ergänzt werden (z.B.: fixe Schuldenbremsen, verbindliche Auflagen durch die EU bei der Budgeterstellung / beim Budgetvollzug). Letzteres wird von der EU-Kommission bis Jahresende ausgearbeitet. Bis zur Umsetzung von Vertragsänderungen wird aber noch viel Zeit vergehen (Volksabstimmung bis hin zu Verfassungsänderungen in einzelnen Ländern).

Die Krise bei der Staatsfinanzierung führt in allen Ländern zu steigenden Refinanzierungskosten bei Banken. Anders als in Irland oder Spanien ist in Ländern wie Italien und Griechenland die Krise nicht durch Kreditexzesse im Privatbereich ausgelöst worden, sondern der Staat selbst weist einen (zu) hohen Verschuldungsgrad auf. Doch unabhängig von der Ursache gilt, je höher die Zinsen für den Staat, desto teurer auch die Kredite für die Banken und somit letztlich für den Privatsektor. Zusätzlich belasten die kürzlich drastisch verschärften Kapitalerfordernisse die Finanzierungskosten der Banken. Das Mehr an Sicherheit hat also auch einen Preis. Insbesondere die Erfordernisse Risiko Puffer für Staatsanleihen vorzuhalten, dürfte bei Banken zu einem Abbau des Engagements im ohnehin turbulenten Staatsanleihenmarkt zum Ergebnis haben. Die Entwicklungen bei den Regulierungen dürften als dazu führen, dass nicht nur die Finanzierungszinsen steigen, sondern in einigen Ländern auch die Volumen bei Staaten und Privaten reduziert werden. Große Firmen können zwar stärker direkt auf den Kapitalmarkt ausweichen, was aber sowohl bei Fremd- als auch Eigenkapital aktuell teuer ist.

Angesichts der Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfragen sowie der von uns erwarteten Rahmenbedingung rechnen wir mit einer tieferen Rezession von Ende 2011 bis Jahresmitte 2012 als bisher. Nachfrageseitig dürfte diese im Euroraum vor allem von Rückgängen der Investitions- und öffentlichen Konsumnachfrage geprägt sein. Auf einzelne Länder heruntergebrochen, wird der Außenbeitrag entweder stabilisierend oder stark negativ wirken. Wir erwarten, dass alle Länder des Euroraums im Jahr 2012 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung erleiden. Die stärksten Einbrüche setzen wir in Griechenland und Portugal an.

Die jährliche Inflationsrate dürfte im Oktober mit 3 % p.a. das zyklische Hoch erreicht haben. Wesentliche Preistreiber sind die Bereiche Energie, Nahrungsmittel, Transport und Wohnen. Unsere Ölpreisprognosen zugrunde gelegt (knapp unter USD 100 pro Barrel im Jahr 2012), wird der Preisauftrieb aus den Energiekosten in den kommenden Monaten rasch abebben. Auch die Lohnentwicklung sehen wir in den meisten Euroländern angesichts der prekären Situation am Arbeitsmarkt als keinen Kostentreiber. Zudem wird die mit der Rezession einhergehende schwache Konsumnachfrage die Preissetzungsmacht von Unternehmen gering halten. Dagegen dürften Steuererhöhungen auf Jahressicht das Preisniveau nach oben drücken. In Summe sollten die Inflationsraten in den ersten Monaten des Jahres 2012 rasch unter die 2 %-Marke zurückfallen und für den Rest des Jahres unter dieser verharren.
     
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