Wien (rzb) - Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten - allen voran Staatsanleihenmärkten
- sowie die politischen Querelen in vielen Ländern bzw. auf gesamteuropäischer Ebene haben nunmehr die
Realwirtschaft erreicht. Beispielsweise wurde die Einschätzung der Einkaufsmanager (abgebildet im Einkaufsmanagerindex,
PMI) zuletzt deutlich pessimistischer. Lag der PMI im September mit 49,1 Punkten heuer erstmals unter der Wachstumsschwelle
von 50 Punkten, fiel der Index im Oktober noch einmal auf 46,5 Punkte. Die Aussichten verschlechterten sich sowohl
im verarbeitenden Gewerbe als auch im Dienstleistungssektor, wobei letzterer einen deutlicheren Rückgang um
2,4 Zähler auf 46,4 Punkte zu verzeichnen hatte als der PMI für Industrie, der von 48,5 auf 47,1 Punkte
absackte. Dies sind Werte, die in der Vergangenheit mit einer Rezession in der Gesamtwirtschaft einhergingen. Vor
allem im Industriebereich zeichnet sich im Schlussquartal 2011 ein starker Einbruch ab. Zusätzliche Abwärtsrisiken
gehen vom Dienstleistungssektor aus (Finanzbereich - Geschäftsabbau, Öffentliche Verwaltung - Einsparungen,
Handel - Kreditverteuerungen bei Finanzierungen). Die Entwicklungen auf dem Staatsanleihenmarkt gibt wenig Mut
auf eine baldige Besserung des Wirtschaftsausblicks. Fiskalisches Gegensteuern gegen den Abschwung ist in den meisten
Ländern aufgrund der hohen Finanzierungskosten kaum möglich. Im Gegenteil, in den meisten Euroländern
ist mit einer anhaltend restriktiv ausgerichteten Fiskalpolitik zu rechnen.
Doch auch Sparbemühungen bzw. deren Ankündigungen gehen nach wie vor mit steigenden Zinsen einher. Selbst
Regierungswechsel in Griechenland, Italien und Spanien mit den damit verbundenen Ankündigungen von strukturellen
Reformen stellten das Vertrauen der Investoren bislang nicht wieder her. Der politische Rahmen bleibt auf Jahressicht
unruhig. Die Regierungen in Griechenland und Italien haben keine "Hausmehrheit", sondern werden von den
größten Parteien temporär unterstützt. Und auch andere Regierungen werden an Rückhalt
verlieren, sobald die Rezession die Konsolidierungsbemühungen erschwert. Gemeinsam mit den Defizitzielen dürften
auch die aktuellen Ratings in einigen Ländern auf Jahressicht nicht halten.
Solange sich die EZB nicht klar zu weitreichenden Anleihenkäufen bekennt, dürfte sich unserer Einschätzung
nach kein nachhaltiger Rückgang der Risikoprämien bei EUR-Staatsanleihen einstellen. Der (noch immer
nicht fertig ausgearbeitete) Lösungsansatz die EFSF auf ein Volumen von rund EUR 1 Bio. zu hebeln, wird unserer
Meinung keine Abhilfe schaffen. Erstens ist der Einsatz der Mittel mit einem umständlichen/langwierigen Entscheidungsprozess
verbunden. Zweitens ist der Rettungsschirm an sich aufgrund der neuen Dimension der Staatschuldenkrise nicht mehr
das geeignete Instrument. Denn selbst die enorme Summe von EUR 1 Bio. ist nicht ausreichend, um den ganzen Süden
Europas unabhängig vom Markt zu finanzieren. Zudem reicht die Bonität der Mittel- und Nordeuropäischen
Länder nicht aus, die GIIPS Länder zu garantieren.
Ein Eingreifen der EZB stellt sich unserer Meinung nach immer mehr als letzter Ausweg dar, der aber mit konsequenten
Reformen in den einzelnen Ländern verbunden sein muss. Das Eingreifen der EZB sollte durch eine Änderung
des Vertragswerks zu einer stärker regelgebunden Haushaltspolitik auf gesamteuropäischer Ebene ergänzt
werden (z.B.: fixe Schuldenbremsen, verbindliche Auflagen durch die EU bei der Budgeterstellung / beim Budgetvollzug).
Letzteres wird von der EU-Kommission bis Jahresende ausgearbeitet. Bis zur Umsetzung von Vertragsänderungen
wird aber noch viel Zeit vergehen (Volksabstimmung bis hin zu Verfassungsänderungen in einzelnen Ländern).
Die Krise bei der Staatsfinanzierung führt in allen Ländern zu steigenden Refinanzierungskosten bei Banken.
Anders als in Irland oder Spanien ist in Ländern wie Italien und Griechenland die Krise nicht durch Kreditexzesse
im Privatbereich ausgelöst worden, sondern der Staat selbst weist einen (zu) hohen Verschuldungsgrad auf.
Doch unabhängig von der Ursache gilt, je höher die Zinsen für den Staat, desto teurer auch die Kredite
für die Banken und somit letztlich für den Privatsektor. Zusätzlich belasten die kürzlich drastisch
verschärften Kapitalerfordernisse die Finanzierungskosten der Banken. Das Mehr an Sicherheit hat also auch
einen Preis. Insbesondere die Erfordernisse Risiko Puffer für Staatsanleihen vorzuhalten, dürfte bei
Banken zu einem Abbau des Engagements im ohnehin turbulenten Staatsanleihenmarkt zum Ergebnis haben. Die Entwicklungen
bei den Regulierungen dürften als dazu führen, dass nicht nur die Finanzierungszinsen steigen, sondern
in einigen Ländern auch die Volumen bei Staaten und Privaten reduziert werden. Große Firmen können
zwar stärker direkt auf den Kapitalmarkt ausweichen, was aber sowohl bei Fremd- als auch Eigenkapital aktuell
teuer ist.
Angesichts der Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfragen sowie der von uns erwarteten Rahmenbedingung rechnen
wir mit einer tieferen Rezession von Ende 2011 bis Jahresmitte 2012 als bisher. Nachfrageseitig dürfte diese
im Euroraum vor allem von Rückgängen der Investitions- und öffentlichen Konsumnachfrage geprägt
sein. Auf einzelne Länder heruntergebrochen, wird der Außenbeitrag entweder stabilisierend oder stark
negativ wirken. Wir erwarten, dass alle Länder des Euroraums im Jahr 2012 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung
erleiden. Die stärksten Einbrüche setzen wir in Griechenland und Portugal an.
Die jährliche Inflationsrate dürfte im Oktober mit 3 % p.a. das zyklische Hoch erreicht haben. Wesentliche
Preistreiber sind die Bereiche Energie, Nahrungsmittel, Transport und Wohnen. Unsere Ölpreisprognosen zugrunde
gelegt (knapp unter USD 100 pro Barrel im Jahr 2012), wird der Preisauftrieb aus den Energiekosten in den kommenden
Monaten rasch abebben. Auch die Lohnentwicklung sehen wir in den meisten Euroländern angesichts der prekären
Situation am Arbeitsmarkt als keinen Kostentreiber. Zudem wird die mit der Rezession einhergehende schwache Konsumnachfrage
die Preissetzungsmacht von Unternehmen gering halten. Dagegen dürften Steuererhöhungen auf Jahressicht
das Preisniveau nach oben drücken. In Summe sollten die Inflationsraten in den ersten Monaten des Jahres 2012
rasch unter die 2 %-Marke zurückfallen und für den Rest des Jahres unter dieser verharren. |