erstellt am
05. 12. 11

Schuldenbremse - der nächste Akt
Wien (öj) - Wie wir in den vergangenen Ausgaben unserer Kurznachrichten bereits eingehend berichtet haben, hat der dringende Sparzwang natürlich auch unser Land erreicht. Viele Stimmen behaupten, dies wäre ohne das Damoklesschwert der Rating-Agenturen, Österreichs Bonität von Triple A (=AAA) herabzustufen, nicht in dieser Form zum innenpolitischen Hauptthema geworden. Das mag schon seine Richtigkeit haben. Nur, daß sich die Politik von den Agenturen treiben, ja unter Druck setzen ließe, trifft nur begrenzt zu. Denn nicht das Urteil der Agenturen ist meist vernichtend, sondern die Tatsache, daß manche Staaten ihren Haushalt nicht im Griff haben (Irrtümer sind natürlich möglich, siehe die kurzfristige Herabstufung Frankreichs vor rund zwei Wochen, die ein "Computerfehler" gewesen sein soll). Nur die Erfüllung des oft geäußerten Wunsches, eine "eigene" europäische Agentur zu gründen, würde - sollte diese dann seriös auch arbeiten - wohl keine Verbesserung der Bonität der unter die Lupe genommenen Staatsfinanzen nach sich ziehen. Und sie würde international nur dann ernstgenommen werden, würde sie sich - ebenso wie die anderen - auf die Überprüfung der für die Finanzwelt relevanten Eckdaten konzentrieren.
Die Bewertung "AAA" für Österreich bedeutet, daß unser Land zu den besten Schuldnern der Welt gehört - und das hat ganz wesentlichen Einfluß auf die Zinsen, die wir für Kredite zu zahlen haben, die auf dem internationalen Finanzmarkt aufgenommen werden. Es ist also nicht eine Frage der Ehre, mit AAA bewertet zu sein, vielmehr kostet es Unmengen an Geld, wenn durch eine Herabstufung die Zinssätze steigen: schlechter Schuldner/hohe Zinsen.
Österreichs Regierung hat mit einem Ministerratsbeschluß den Rating-Agenturen das Signal gegeben, daß das Land gewillt sei, die mit den anderen EU-Staaten vereinbarten Einsparungen und nachhaltigen Reformen auch wirklich umzusetzen. Um dies mit aller Deutlichkeit darzustellen, wollte die SPÖ-ÖVP-Koalition diese sogenannte "Schuldenbremse" in den Verfassungsrang erheben. Die Ensthaftigkeit des Vorhabens wäre durch einen Parlamentsbeschluß mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit bewiesen.

Bis zuletzt rangen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) bei den Oppositionsparteien FPÖ, BZÖ und Grüne um eine Zustimmung, doch nur das BZÖ ließ verlauten, man würde noch einmal darüber nachdenken und am heutigen Montag (05.12.) die getroffene Entscheidung bekanntgeben. Nun ließ BZÖ-Chef Josef Bucher verlauten, seine Partei würde nun doch nicht zustimmen. Das BZÖ habe, so Bucher, im Jahr 2009 erstmals eine Schuldenbremse im Nationalrat beantragt, denn es sei für sie wichtig, dass Schuldenmachen unter Strafe gestellt werde. Denn es sei notwendig, dass die Regierenden ihre Verantwortung ernst nähmen, damit die nächsten Generationen nicht belastet und deren Spielräume eingeengt würden. Leider habe er, Bucher, den Eindruck gewonnen, dass SPÖ und ÖVP gar kein Interesse hätten, das Schuldenmachen zu beenden. Denn die ÖVP sei die Rekordschuldenpartei Nummer 1 und werde das auch bleiben. Er habe daher kein Vertrauen in die Ankündigungen der Bundesregierung, daß sie wirklich Schulden abbauen möchte und daß sie das Land reformieren möchte. Daher habe er dem BZÖ-Parteivorstand mitgeteilt, daß es ein Nein des BZÖ zu dieser rot-schwarzen Schuldenbremse geben werde.
Bucher bekräftigte, daß er der Bundesregierung als Kompromiß vorgeschlagen habe, die Steuer und Abgabenquote erst ab dem Jahr 2017 verfassungsrechtlich zu deckeln. Denn in Wahrheit würde erst zu diesem Zeitpunkt die Schuldenbremse mit 0,35 Prozent Defizit wirksam werden. SPÖ und ÖVP hätten kein Entgegenkommen gezeigt. Das bedeute als Umkehrschluss, daß Rot und Schwarz mit massiven Steuererhöhungen und neuen Steuern die breite Masse belasten wollen. Da sei das BZÖ nicht dabei, so Bucher.

Auch die Freiheitlichen werden der Schuldenbremse nicht zustimmen, wie FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache ankündigte. Denn eine Schuldenbremse ohne grundlegende Reformen sei nichts weiter als Schall und Rauch, stellte Strache klar. Außerdem kritisierte er, daß weder Bundeskanzler Faymann noch Vizekanzler Spindelegger es für wert befunden hätten, mit ihm in Kontakt zu treten. Ein solches Herzensanliegen könne den beiden ihre Schuldenbremse also nicht sein. Strache bezeichnete die Aussage von Spindelegger, dass die FPÖ Österreich verraten habe, als besondere Unverfrorenheit. Denn wenn hier jemand unser Land verrate, dann seien es die schwarzen und roten Euro-Fanatiker, die sich wie eine EU-Sekte verhalten würden und lieber heute als morgen unsere Souveränität und unser Geld an Brüssel abgeben wollten.
Dies hätten auch die jüngsten Aussagen von Faymann gezeigt, der gemeint habe, daß er sich eine europäische Fiskalunion mit Durchgriffsrecht "gut vorstellen" könne. Damit sei die Katze aus dem Sack, so Strache. Man benutze die Krise, um durch die Hintertür einen weiteren Schritt zur Schaffung eines europäischen Bundesstaats und zur Abschaffung der souveränen Nationalstaaten zu gehen.

In einer Pressekonferenz bedauerte ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf, daß sich auch das BZÖ seiner Staatsverantwortung entziehe und bei der für Österreichs Budgetsanierung so wichtigen Schuldenbremse nicht mit im Boot sein werde. Für Kopf stellte sich schlußendlich heraus, daß die Gespräche für das BZÖ offenbar nur Scheinverhandlungen gewesen seien. Das Bündnis habe lediglich versucht "von der politischen Bedeutungslosigkeit für ein paar Tage ins Rampenlicht zu rücken und sich als bürgerliche Kraft zu positionieren. Bürgerliche Politik trägt allerdings Verantwortung, die ist aber beim BZÖ nicht vorhanden", so Kopf.
Österreichs Triple-A stehe unter strenger Beobachtung. Die Spreads würden zeigen, daß wir in Zukunft nicht mehr uneingeschränkt positiv von den Ratingagenturen bewertet würden. Umso wichtiger sei zur langfristigen Haushaltsstabilisierung eine verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse notwendig gewesen, die für die Ratingagenturen eine stärkere vertrauensbildende Wirkung gehabt hätte. Der Opposition fehle die Ernsthaftigkeit und sie sei unfähig, Staatsverantwortung zu übernehmen. Sie verweigere damit die Etablierung einer Finanzstabilisierung.
Ungeachtet der Oppositionsblockade werde nun die Schuldenbremse am Mittwoch mit einfacher Mehrheit von der Koalition beschlossen, so der ÖVP-Klubobmann. SPÖ-Klubobmann Josef Cap äußerte sich ähnlich, wie sein ÖVP-Kollege, auch er bedauert, daß sich die Opposition der Verantwortung für das Ganze nicht bewußt sei. Es lag keine diesbezügliche Aussendung der SPÖ vor. Der SPÖ-Parlamentsklub aber ließ wissen, man hätte sich darauf geeinigt, mit der Einigung auf die Schuldenbremse ein starkes Signal an die Bevölkerung, die internationale Gemeinschaft und an die Finanzmärkte zu geben, daß in Österreich alle Verantwortungsträger, allen voran die
Bundesregierung und der Bundeskanzler, dieses Ziel ernsthaft verfolgen würden.

Die Klubobfrau der Grünen, Eva Glawischnig, sagte, auch die Grünen würden der Schuldenbremse in der Verfassung nicht zustimmen. Die Regierung müsse zur Kenntnis nehmen, daß man bei einer Überschrift nicht dabei sei. Die Grünen Forderungen nach Vermögenssteuern und einem vernünftigen Konsolidierungspaket seien nicht erfüllt worden.
Auch den Appell an die staatspolitische Verantwortung ließ Glawischnig nicht gelten, denn statt Gesprächen über vernünftige Maßnahmen sei es der Regierung nur um Placebos und Behübschungen ohne Konsequenz gegangen.
Ihr sei es vollkommen egal, so Glawischnig, was die Regierung mit dieser Schuldenbremse in der Verfassung mache oder nicht mache. Nun drohe ein "Sparpaket von ganz dramatischen, brutalen Ausmaßen". SPÖ und ÖVP würden mit der Rasenmähermethode über alles drübersparen, und das werde auch die Bereiche Soziales, Pflege oder Bildung betreffen, prophezeite sie.

EZB-Ratsmitglied und OenB-Chef Ewald Nowotny jedenfalls zeigte sich in einer kurzen Stellungnahme im ORF enttäuscht, daß die Schuldenbremse wohl nicht in der Verfassung verankert werden wird. Man werde sehen, wie sich die Uneinigkeit der Parteien von der Finanzwelt aufgefaßt werden wird.
     
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