Brüssel (europa.eu) - Der Europäische Ombudsmann, P. Nikiforos Diamandouros, hat die Europäische
Kommission aufgefordert, Dokumente für öffentliche Konsultationen in allen 23 EU-Amtssprachen zu veröffentlichen
oder auf Anfrage Übersetzungen anzubieten. Zuvor hatte sich ein spanischer Anwalt beschwert, viele öffentliche
Konsultationen seien nur auf Englisch oder in einer begrenzten Anzahl von EU-Sprachen erhältlich, auch wenn
sie an eine breite Öffentlichkeit gerichtet seien. Der Ombudsmann kam zu dem Schluss, dass Bürger ihr
Recht auf Teilnahme am EU-Entscheidungsprozess nicht ausüben können, wenn Dokumente für öffentliche
Konsultationen nicht in allen Amtssprachen erhältlich sind. Er forderte die Kommission auf, klare Leitlinien
für ihre Sprachenpolitik bei öffentlichen Konsultationen aufzustellen.
Bürger können an keiner Konsultation teilnehmen, die sie nicht verstehen
Die Europäische Kommission führt regelmäßig öffentliche Konsultation durch, damit Bürger,
Organisationen und andere interessierte Parteien am EU-Entscheidungsprozess teilnehmen können. Alle Dokumente
für diese Konsultationen sind auf der Website "Ihre Stimme in Europa" aufgelistet.
Im Oktober 2010 beschwerte sich ein spanischer Anwalt beim Ombudsmann, eine öffentliche Konsultation über
Besteuerung im Finanzsektor sei nur auf Englisch, Französisch und Deutsch veröffentlicht worden. Er reichte
außerdem weitere Beispiele für Konsultationen ein, die nur auf Englisch veröffentlicht wurden,
z.B. über eine neue Partnerschaft für KMUs, über die reduzierte Nutzung von Plastiktüten und
über die Niederlassungsfreiheit für Arbeiter. Dem Anwalt zufolge ist die Sprachenpolitik der Kommission
willkürlich und nicht im Einklang mit den Prinzipien der Transparenz, der guten Verwaltung und der Nichtdiskriminierung
Die Kommission akzeptierte in ihrer Stellungnahme, dass Sprachbarrieren für Bürger ein Hindernis für
die Teilnahme an öffentlichen Konsultationen sein können. Die Umsetzung der Mehrsprachigkeit hänge
jedoch von Zeitbeschränkungen und den zur Verfügung stehenden Mitteln ab. Der Kommission zufolge verpflichtet
sie die Mitteilung über öffentliche Konsultationen aus dem Jahre 2002 nicht, die Dokumente in alle EU-Amtssprachen
zu übersetzen.
Der Ombudsmann wies die Argumente der Kommission zurück. Er teilte die Ansicht des Beschwerdeführers,
wonach von Bürgern nicht erwartet werden kann, dass sie an einer Konsultation teilnehmen, die sie nicht verstehen.
Vielsprachigkeit sei unerlässlich für das Bürgerrecht auf Teilnahme am demokratischen Leben der
EU, das vom Vertrag von Lissabon verbürgt ist. Der Ombudsmann kritisierte die restriktive Sprachenpolitik
der Kommission als schlechte Verwaltungspraxis und rief sie dazu auf, die Dokumente für öffentliche Konsultationen
in allen 23 Amtssprachen zu veröffentlichen oder auf Anfrage Übersetzungen anzubieten. Die Kommission
soll bis zum 29. Februar 2012 eine begründete Stellungnahme einreichen. |