Wiederherstellung des Vertrauens in Abschlüsse  

erstellt am
30. 11. 11

Europäische Kommission strebt mehr Qualität, Dynamik und Offenheit auf dem Markt für Abschlussprüfungen an
Brüssel (ec.europa) - Die Finanzkrise des Jahres 2008 hat die Schwächen des europäischen Systems der Abschlussprüfungen deutlich zu Tage treten lassen. Einige große Finanzinstitute erhielten bei Abschlussprüfungen unmittelbar vor und während der Krise uneingeschränkte Bestätigungsvermerke, und das trotz der erheblichen immanenten Schwächen hinsichtlich ihrer finanziellen Solidität. Auch in aktuellen Kontrollberichten der nationalen Aufsichtsbehörden wird die Qualität der Abschlussprüfungen kritisiert.

Dies soll sich laut den heute verabschiedeten Vorschlägen der Europäischen Kommission ändern. Dafür wird zum einen die Rolle der Abschlussprüfer geklärt und werden zum anderen strengere Regeln für Wirtschaftsprüfer eingeführt, um insbesondere die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer zu stärken und auf dem derzeit stark konzentrierten Markt für Abschlussprüfungen für eine größere Auswahl zu sorgen. Zudem schlägt die Kommission die Schaffung eines Binnenmarkts für Prüfungsleistungen vor, auf dem Prüfer ihren Beruf in ganz Europa frei und problemlos ausüben können, sobald sie in einem Mitgliedstaat zugelassen sind. Weitere Vorschläge zielen auf ein verbessertes und stärker koordiniertes Konzept für die Beaufsichtigung von Abschlussprüfern in der EU ab. Zusammen genommen dürften diese Maßnahmen die Qualität der Abschlussprüfungen in der EU verbessern und insbesondere im Hinblick auf Banken, Versicherer und börsennotierte Großunternehmen das Vertrauen in die geprüften Abschlüsse erhöhen.

Hierzu der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier: „Die Krise hat das Vertrauen der Verbraucher in Abschlussprüfungen erschüttert, und ich denke, dass der Sektor Änderungen braucht: Wir müssen das Vertrauen in die Abschlüsse von Unternehmen wiederherstellen. Mit den heutigen Vorschlägen werden die derzeitigen Schwächen des EU-Markts für Abschlussprüfungen angegangen. Interessenkonflikte werden beseitigt, die Unabhängigkeit gestärkt und eine solide Aufsicht gewährleistet; gleichzeitig wird auf einem Markt, der insbesondere an der Spitze zu stark konzentriert ist, größere Diversität angestrebt.“

Hintergrund:
Abschlussprüfer haben den gesetzlichen Auftrag, ein Urteil darüber abzugeben, ob die Abschlüsse der von ihnen geprüften Gesellschaften ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln. Die Finanzkrise hat insbesondere bei Banken und anderen Finanzinstituten Schwächen bei der Abschlussprüfung ans Licht gebracht. In diesem Zusammenhang wurden auch Bedenken hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte sowie der Gefahr der Anhäufung von Systemrisiken geäußert, da der Markt de facto von vier großen Gesellschaften beherrscht wird, nämlich Deloitte, Ernst & Young, KPMG und PricewaterhouseCoopers („die großen Vier“).

Kernpunkte des Vorschlags:
Die Vorschläge für die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse wie Banken, Versicherungsunternehmen und börsennotierten Gesellschaften sollen die Unabhängigkeit der Prüfer stärken und den Markt für Abschlussprüfungen dynamischer machen. Die wichtigsten Maßnahmen sind:

Obligatorische Rotation der Prüfungsgesellschaften: Die Prüfungsgesellschaften werden (mit einigen Ausnahmen) nach einer Beschäftigungszeit von maximal sechs Jahren rotieren müssen. Danach soll eine Karenzzeit von vier Jahren gelten, ehe die Prüfungsgesellschaft wieder beim gleichen Mandanten tätig werden darf. Der Zeitraum, nach dessen Ablauf ein Wechsel erfolgen muss, kann auf neun Jahre erhöht werden, wenn gemeinsame Abschlussprüfungen durchgeführt werden, d. h. wenn das geprüfte Unternehmen für seine Abschlussprüfung mehr als eine Prüfungsgesellschaft bestellt, um die Qualität der Abschlussprüfung durch Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ potenziell zu erhöhen. Gemeinsame Abschlussprüfungen werden nicht verbindlich vorgeschrieben, damit aber gefördert.

Obligatorische Ausschreibung: Unternehmen von öffentlichem Interesse sollen bei der Auswahl eines neuen Abschlussprüfers zu einem offenen und transparenten Ausschreibungsverfahren verpflichtet werden. Der Prüfungsausschuss (des geprüften Unternehmens) sollte eng in das Auswahlverfahren einbezogen sein.

Prüfungsfremde Leistungen: Prüfungsgesellschaften dürfen für ihre Mandanten keine prüfungsfremden Leistungen erbringen. Zudem müssen große Prüfungsgesellschaften ihre Prüfungstätigkeiten von den prüfungsfremden Leistungen trennen, um jede Gefahr von Interessenkonflikten auszuschließen.

Europäische Beaufsichtigung des Prüfungsgewerbes: Angesichts des globalen Umfelds von Abschlussprüfungen sollte bei der Beaufsichtigung von Prüfungsnetzen sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene Koordinierung und Zusammenarbeit gewährleistet sein. Deshalb schlägt die Kommission eine Koordinierung der Prüferaufsicht im Rahmen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtbehörde (ESMA) vor.

Ausübung des Berufs des Abschlussprüfers in ganz Europa: Die Kommission plant die Schaffung eines Binnenmarkts für Abschlussprüfungen mittels Einführung eines Europäischen Passes für Prüfungsgesellschaften und schlägt deshalb vor, dass Prüfungsgesellschaften ihre Leistungen in der gesamten EU anbieten dürfen und sämtliche Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften bei ihren Abschlussprüfungen die internationalen Prüfungsstandards einhalten müssen.

 

Karas: Keine Zwangsrotation bei Wirtschaftsprüfern
EVP-Fraktionsvizepräsident kritisiert EU-Gesetzesvorschlag für neue Regeln für die Abschlussprüfung von Unternehmen
Brüssel (övp-pd) - "Nichts spricht gegen eine Verbesserung der Qualität der Rechnungsprüfung von Unternehmen. Der heutige Gesetzesvorschlag der Kommission ist aber zu planwirtschaftlich. Anstatt den Wettbewerb zu stärken, soll den Unternehmen ein Wechsel der Prüfungsfirma vorgeschrieben werden", so EVP-Fraktionsvizepräsident Othmar Karas zum Vorschlag von EU- Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier, der neue Regeln für die Abschlussprüfungen und Audits von Unternehmen vorsieht. Die EU will damit die Marktdominanz der sogenannten "Big Four"- Prüfungsgesellschaften brechen. "Ich bin gegen die externe Zwangsrotation der Prüfer. Mehr Wettbewerb und Chancen für kleinere Prüfungsfirmen kann auf anderen Wegen sichergestellt werden", so Karas.

Voraussichtlich sieht der heutige Gesetzesvorschlag vor, dass Unternehmen beispielsweise ihren Prüfer alle neun Jahre wechseln und Prüfungsunternehmen sollen nicht mehr demselben Kunden sowohl Beratungs- als auch Prüfungsleistungen erbringen dürfen. Außerdem sollen große Unternehmen dazu verpflichtet werden, sich von zwei Unternehmen prüfen zu lassen. "Dass ein externer Zwangswechsel mehr Wettbewerb bringt, ist eine Vermutung, die wissenschaftlich nicht belegt ist. In Österreich haben wir gute Erfahrungen mit der internen Prüferrotation innerhalb des Prüfungsunternehmens. Dies könnte eine gute Lösung für die europäische Regelung sein", erklärt Karas. Leider habe die Kommission die Vorschläge, die das Europäische Parlament hier gemacht habe, vollkommen ignoriert.

"Rechnungsprüfer haben eine wichtige gesellschaftliche Funktion, weil sie der Buchhaltung und Zuverlässigkeit von Unternehmen ein Qualitätssiegel verleihen. Davon hängt die Stabilität der Märkte ab. Wir wollen sicherstellen, dass diese Qualitätssiegel noch unabhängiger werden und ein getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Unternehmen vermitteln." Dazu seien aber noch Änderungen am heutigen Gesetzesvorschlag notwendig, die er im Parlament "auf den Weg bringen" werde, so Karas.

 

Vorschlag der EU-Kommission zur Neuregelung der Abschlussprüfung - ein falscher Weg
KWT und iwp sehen Zielsetzung einer Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfung nicht umgesetzt
Wien (kwt) - Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder (KWT) und das Institut Österreichischer Wirtschaftsprüfer (iwp) vermissen in den heute von der EU-Kommission veröffentlichten Vorschlägen zu einer Neuregelung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Abschlussprüfung wirksame Maßnahmen zur Stärkung der Funktion der Abschlussprüfung. Die EU-Kommission hat sich im Grünbuch selbst das Ziel gesteckt, die Abschlussprüfung zu einem wirksameren Instrument der Unternehmenskontrolle zu machen. Im Konsultationsprozess zum Grünbuch wurde das unsystematische Sammelsurium von Maßnahmen von nahezu allen Seiten heftig kritisiert. Das EU-Parlament hat in seiner Entschließung vom September 2011 festgehalten, dass die Ausführungen im Grünbuch keine ausreichende Grundlage für eine abschließende Bewertung der geplanten Maßnahmen im Bereich der Abschlussprüfung sind und die Kommission daher aufgefordert eine Folgenabschätzung der geplanten Maßnahmen durchführen. "Die EU-Kommission hat sich über die von allen Seiten vorgebrachten Einwendungen hinweggesetzt und es ist zu befürchten, dass die in den heute veröffentlichen Vorschlägen zur Neuregelung der Abschlussprüfung enthaltenen Maßnahmen sogar negative Auswirkungen auf die fachliche Expertise des Abschlussprüfers und damit auf die Prüfungsqualität haben werden." kritisiert Helmut Maukner, Präsident des iwp. "Die nunmehr vorliegenden Vorschläge der EU-Kommission setzen falsche Schwerpunkte. Die Kommission wollte auch Maßnahmen setzen, um die Konzentration am Prüfungsmarkt zu vermindern, die vorgelegten Vorschläge können sogar die Konzentration am Prüfungsmarkt erhöhen. Sie wirken damit mittelstandsfeindlich und stellen eine Bedrohung für kleine und mittlere Prüfungsbetriebe dar." stellt Aslan Milla, Berufsgruppenobmann der Wirtschaftsprüfer in der KWT, fest.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen im Wesentlichen nur für die Abschlussprüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse gelten. "Damit führt die EU-Kommission eine Spaltung des Prüfungsmarktes herbei, der in kleinen Märkten wie Österreich wohl eher eine weitere Marktkonzentration zur Folge haben wird. In der Folge werden aber die strengen Neuregelungen als "Best Practice" eine Ausstrahlungswirkung auf alle Prüfungen haben und der vermeintliche Schutz kleiner und mittlerer Prüfungsbetriebe, die keine Unternehmen von öffentlichem Interesse prüfen, wird damit nicht nachhaltig sein." meint Milla.

Erst seit drei Jahren sind die Neuregelungen der letzten Abschlussprüferrichtlinie in den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt. Kernpunkt der damaligen Neuregelung war die Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers sowie das Zusammenwirken des Abschlussprüfers mit dem Aufsichtsrat bzw. dem Prüfungsausschuss. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass eine gute Zusammenarbeit des Abschlussprüfers mit dem Aufsichtsrat einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung des Nutzens der Abschlussprüfung und der Qualität der Corporate Governance hat. Abschlussprüfer und Aufsichtsrat haben im Hinblick auf die Kontrolle des Unternehmens ein gemeinsames Interesse an einer unabhängigen Abschlussprüfung. "Die nunmehr vorgelegten Vorschläge stellen in vielen Bereichen eine Einschränkung der Handlungsfreiheit der für die Überwachung der Unternehmensführung zuständigen Organe dar und behindern dadurch eine enge Zusammenarbeit mit dem Abschlussprüfer. " betont Maukner. Die EU-Kommission will als zusätzliche Maßnahme zur Sicherung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers ein nahezu gänzliches Verbot von Zusatzleistungen einführen. "Solche Verbote, die über eine Konkretisierung des Selbstprüfungsverbots weit hinausgehen erhöhen nicht die Unabhängigkeit, aber sie belasten die Prüfungsqualität. insbesondere das Verbot jeglicher Steuerberatung durch den Abschlussprüfer ist sachlich nicht gerechtfertigt, reduziert das vorhandene Know-how und wird die Gewinnung hoch qualifizierter Mitarbeiter deutlich erschweren." ergänzt Milla.

Neu eingeführt werden soll nach den Vorschlägen der EU-Kommission auch die Pflicht zur externen Rotation. Dies, obwohl das EU-Parlament in seiner Entschließung festgehalten hat, dass die bestehenden Rotationsregelungen für Partner (d.h. die personenbezogene Rotation) die nötige Unabhängigkeit und damit die Wirksamkeit der Prüfung gewährleisten. Alle bisherigen Studien belegen, dass die externe Rotation die Prüfungsqualität belastet. "Es ist völlig unverständlich, dass die EU-Kommission ohne die dafür notwendige besondere Rechtfertigung derartige staatliche Markteingriffe vorschlägt. Der Vorschlag ist auch nicht geeignet, das von der EU angestrebte Ziel einer Reduktion der Konzentration am Prüfermarkt herbeizuführen." unterstreicht Maukner. "Es ist zu befürchten, dass im Falle der verpflichtenden externen Rotation mehr Prüfungsaufträge zu den großen Prüfungsbetrieben wechseln als umgekehrt." Resümiert Milla.

Die Vorschläge der EU-Kommission enthalten aber auch einige Regelungen, die KWT und iwp befürworten: Im Zusammenhang mit der Prüfungsdurchführung wird im Verordnungsentwurf die Bedeutung der kritischen Grundhaltung des Abschlussprüfers als wesentliches Element der Abschlussprüfung besonders hervorgehoben. Darüber hinaus wird in der Neuregelung auch die verhältnismäßige, d.h. an der konkreten Prüfungssituation orientierte Anwendung der internationalen Prüfungsstandards (ISAs) befürwortet.

Insgesamt erscheinen die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht akzeptabel und sind der falsche Weg, um das Ziel zu erreichen, die Abschlussprüfung zu einem noch wirksameren Instrument der Unternehmenskontrolle zu machen. KWT und iwp halten daher in dem nun folgenden Prozess der europäischen Gesetzgebung deutliche Veränderungen des vorgelegten Entwurfs für notwendig. 
     

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