Agrarzukunft 2020   

erstellt am
30. 11. 11

Die neue Agrarreform - Fakten, Bewertung und Positionierung" – Europas gemeinsame Agrarpolitik
Linz (lk) - In einer Pressekonferenz nahmen Dr. Georg Häusler, Kabinettchef von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos, und Oberösterreichs Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger am 29.11. Stellung zur Agrarreform – auch aus oberösterreichischer Sicht. Die Agrarpolitik ist der einzige in der EU zur Gänze vergemeinschaftete Bereich. Während die Euro-Währungsunion in nur 17 EU-Ländern umgesetzt wurde und es keine länderübergreifende Finanzmarktaufsicht gibt, gilt die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) für alle 27 EU-Mitgliedsländer. Österreich ist seit 1995 Teil dieses Systems der GAP, die in sieben Jahresperioden angelegt und abgewickelt wird. Die aktuelle Periode läuft noch bis einschließlich 2013. Für die Periode der Jahre 2014 bis 2020 formiert sich bereits die Agrarpolitik für eine Neustrukturierung und Neuausrichtung.

Die Weichen für 2014 bis 2020 werden jetzt gestellt. EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos hat im Oktober 2011 seine Positionen, die Schwerpunkte und mögliche Budgetansätze für die gemeinsame EU-Agrarpolitik nach 2013 präsentiert. Bis Mitte 2012 werden die Vorschläge nun diskutiert und zwischen den Mitgliedsstaaten verhandelt. "Jetzt ist die Zeit, Positionen auf den Tisch zu legen und zwischen den unterschiedlichen Länderinteressen den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden", so Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger. Wichtig sei dabei, dass auch die Regionen mit ihren jeweiligen Besonderheiten und Ansprüchen in Brüssel Gehör finden.

GAP-Allianz der Regionen
Nach der Allianz der gentechnikfreien Regionen Europas formieren sich die Regionen nun auch in Sachen gemeinsamer Agrarpolitik. Ausgehend von der Bretagne, Bayern und Oberösterreich haben sich bisher neun Regionen aus sechs EU-Mitgliedsstaaten in der Allianz vereinigt und vergangene Woche in Brüssel ihre GAP-Positionen an EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos übergeben.
"Wir brauchen in der finanziellen Ausgestaltung der Agrarpolitik mehr Flexibilität auf regionaler Ebene. Die Kleinstrukturiertheit unserer bäuerlichen Familienbetriebe bringt gänzlich andere Voraussetzungen mit als jene in Regionen mit Gunstlagen oder Großbetrieben in anderen EU-Ländern. Zielgerichtete und bedarfsgerechte Analysen und Entscheidungen durch die Regionen wie Oberösterreich fehlen derzeit," tritt Hiegelsberger als Gründungsmitglied der GAP Allianz für eine Flexibilisierung im Sinne der Regionen ein.

Der Oberösterreich-Standpunkt – Die Streitpunkte zur Agrarreform
Die 27 EU-Mitgliedsstaaten und die Regionen rüsten sich für die heiße Phase der GAP Verhandlungen. In manchen Bereichen zeigt sich die österreichische bzw. oberösterreichische Agrarpolitik einverstanden mit den Vorschlägen von Dacian Ciolos. So ist eine flächendeckende Ökologisierung der Landwirtschaft gerade in Ländern, wo das bisher nicht der Fall war, zu begrüßen. Auch die Kappung für Direktzahlungen über 150.000 € tragen aus oberösterreichischer Sicht zu einer gerechteren Verteilung des EU-Agrarbudgets bei.
Dennoch gibt es Streitpunkte:

1. Greening: 30 % der Flächenprämien sollen "gegreent" werden.
Diese ökologisierte Prämie gibt es nur, wenn eine dreigliedrige Fruchtfolge eingehalten wird. Darüber hinaus sollen mindestens 7 % des Ackers als sogenannte ökologische Vorrangflächen (etwa Blühstreifen oder Stilllegung) geführt werden. Dauergrünland darf nicht umgebrochen werden.
Kritik: Die Stilllegung von 7 % der Ackerflächen bedeutet in Zeiten wachsender Nachfrage nach Lebensmittel den Verlust von 7 % der Produktionsflächen.
In Oberösterreich sind das 20.000 ha. In veredelungsintensiven Regionen fehlen die Flächen zur Gülleausbringung und die Maßnahme kann sich in Form steigender Pachtpreise auswirken.

2. Gerechte Verteilung bei gleichzeitiger Flexibilität:
Vorgesehen ist die Verkleinerung der Spannbreite bei der Höhe der Flächenprämie. Das heißt, die jüngeren Mitgliedsländer, die derzeit niedrigere Flächenprämien erhalten, sollen an die sogenannten "alten" Mitgliedsstaaten angenähert werden. Die Differenz liegt derzeit zwischen 700 €/ha in Malta und ca. 100 €/ha in Lettland. In Oberösterreich liegt die Flächenprämie aktuell bei 267 €/ha. Die Differenz soll schrittweise verringert werden, indem bis 2020 ein Drittel der Differenz zum 90%igen EU-Durchschnitt (ca. 250 €/ha) ausgeglichen wird.
Kritik: Ziel muss es sein, die Standards im Bereich Tierschutz und Qualität an das mitteleuropäische Niveau heranzuführen. Nur so kann wirkliche Gerechtigkeit entstehen.

3. 2. Säule - Benachteiligte Gebiete:
Die finanzielle Ausstattung in der 2. Säule für die ländliche Entwicklung ist derzeit noch offen. Ein wesentlicher Punkt ist darin die Unterstützung der Landwirtschaft in benachteiligen Gebieten zur Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Bewirtschaftung.

Kritik an Einschnitten: Ein Einschnitt würde hier dramatische Veränderungen für Oberösterreichs Landwirtschaft im benachteiligten Gebiet mit sich bringen: 3 % der Betriebe, das sind 1.700 Bauernhöfe würden mit ihren 32.000 Hektar Wiesen und Feldern aus der höheren Abgeltung für benachteiligte Gebiete herausfallen.

"Gerade in diesen Regionen arbeiten Bäuerinnen und Bauern mit Leib und Seele und nicht Großmaschinen agrarischer Aktiengesellschaften", sagt Landesrat Hiegelsberger. Die Produktionskosten für 1 Liter Milch oder 1 Kilo Getreide sind unvergleichlich anders. "Deswegen wollen wir in Brüssel erreichen, dass die Probleme für die Gebiete mit natürlichen Benachteiligungen erkannt werden und die täglichen Mehrleistungen in der Bewirtschaftung auch in Zukunft abgegolten werden."

4. EU-Agrarbudget:
Von 2014 bis 2020 will die Kommission 435,5 Mrd. € für die Landwirtschaft bereitstellen, was etwa dem Niveau der aktuellen Finanzperiode entspricht.
Kritik: Eine zu erwartende Inflation wird dabei nicht eingerechnet. Real bringt dieses Budget daher eine Kürzung der Mittel für die Landwirtschaft mit sich.

5. Bürokratie:
Die Maßnahmen im Greening (7 % Stilllegung,..), aber auch die Aufteilung der Direktzahlungen in Flächenprämie und Greening-Förderung sowie die Entkoppelung verursachen künftig noch mehr Bürokratie. Die Kommission hat daher angekündigt das, Cross Complience vereinfachen und schlanker machen zu wollen sowie die Mitgliedsländer hinsichtlich Einfachheit und Effizienz ihrer Maßnahmen künftig kontrollieren zu wollen.

Kritik: Dort, wo öffentliche Gelder ausbezahlt werden, sind Regeln und Kontrollen notwendig und wichtig. Bürokratieaufwand, Kontrolldichte und die Höhe der Sanktionen nach marginalen Fehlern in der Buchführung oder Tiermeldung werden hinterfragt.
     
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