Kommission schlägt schnellere, einfachere und kostengünstigere Lösungen vor
Brüssel (ec.europa) - Im Jahr 2010 hatte jeder fünfte europäische Verbraucher Probleme
beim Erwerb von Waren oder Dienstleistungen im Binnenmarkt. Wenn ein Unternehmer sich während der Garantiezeit
weigert, Ihren Laptop zu reparieren, oder wenn Sie sich mit dem Reisevermittler nicht auf eine Rückerstattung
wegen eines missratenen Urlaubs einigen können, müssen Sie nicht unbedingt vor Gericht gehen. Allerdings
ist die außergerichtliche Streitbeilegung in der EU bislang nur für einige Branchen bzw. in einigen
Gebieten möglich. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat die Europäische Kommission am 29.11. zwei Vorschläge
für Rechtsakte unterbreitet, mit denen gewährleistet werden soll, dass alle EU-Verbraucherinnen und -Verbraucher
ihre Probleme ohne Einschaltung eines Gerichts lösen können, und zwar unabhängig davon, um was für
eine Ware oder Dienstleistung es in dem vertraglichen Streit geht und wo (im eigenen Land oder im Ausland) das
Rechtsgeschäft im europäischen Binnenmarkt zustande gekommen ist. Für Verbraucher, die über
Landesgrenzen hinweg online shoppen, möchte die Kommission eine EU-weite, einheitliche Online-Plattform schaffen,
mit der sich vertragliche Streitigkeiten innerhalb von 30 Tagen vollständig beilegen lassen.
Die alternative Streitbeilegung ist für die Verbraucher schneller, billiger und einfacher als ein Gerichtsverfahren.
Ein allgemeiner, EU-weiter Zugang zu hochwertigen alternativen Streitbeilegungsverfahren wird für die Verbraucher
Einsparungen von jährlich rund 22,5 Mrd. EUR mit sich bringen. Zugleich trägt ein außergerichtlich
beigelegter Streit zur Kunden- und Imagepflege bei. Mit dem neuen Vorschriftenbündel strebt die Kommission
an, dass die Verbraucher dem EU-Binnenmarkt – mit seiner größeren Auswahl und günstigeren Preisen
– mehr Vertrauen entgegenbringen und auf diese Weise zum Wachstum der EU-Wirtschaft beitragen.
Der für Gesundheit und Verbraucher zuständige EU-Kommissar John Dalli sagte hierzu: „Es ist inakzeptabel,
dass so viele Verbraucherprobleme ungelöst bleiben, weil die Verbraucher keine wirksamen Möglichkeiten
zur Beilegung von Streitigkeiten mit den Unternehmern haben. Das macht sich im Geldbeutel der Verbraucher bemerkbar,
schadet dem Vertrauen und verlangsamt das Wachstum. Sobald die heute von mir vorgelegten Vorschläge umgesetzt
sind, wird es für die europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern leichter sein, einfache, schnelle
und kostengünstige Wege zur Lösung ihrer Probleme zu beschreiten, gleich wo und wie sie ein Produkt oder
eine Dienstleistung in der EU erworben haben.“
Was hat die Kommission angenommen?
- Die Richtlinie über alternative Streitbeilegung (AS) wird gewährleisten, dass für alle vertraglichen
Streitigkeiten zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmen gute außergerichtliche Streitbeilegungsstellen
zur Verfügung stehen. Der Vorschlag sieht im Einzelnen Folgendes vor:
- Die AS-Einrichtungen müssen bestimmte Qualitätsanforderungen in puncto Qualifikation der Mitarbeiter,
Unparteilichkeit, Transparenz, Effektivität und Fairness erfüllen.
- Die Unternehmen müssen ihre Kunden informieren, welche AS-Stelle für potenzielle Streitigkeiten zuständig
ist.
- Die AS-Einrichtungen müssen den Streit innerhalb von 90 Tagen regeln.
- Mit der Verordnung über Online-Streitbeilegung (OS) wird eine EU-weite Online-Plattform („OS-Plattform“)
geschaffen; über sie können Verbraucher und Unternehmen Streitigkeiten im Zusammenhang mit Online-Einkäufen
in einem anderen EU-Land online regeln. Diese Plattform wird
- die Verbraucherbeschwerde automatisch an die zuständige nationale AS-Stelle weiterleiten und
- für eine Beendigung des Streits innerhalb von 30 Tagen sorgen.
Was bringt das Verbrauchern und Unternehmen?
- Der Verbraucher wird Zugang zu einem wirksamen und kostengünstigen Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten
mit Unternehmern haben, und zwar unabhängig davon, welches Produkt oder welche Dienstleistung er erworben
hat, wie er dies getan hat (online oder offline) und wo in der EU dies geschehen ist (ob in seinem Wohnland oder
im Ausland).
- Verbraucher, die online in einem anderen EU-Land einkaufen, werden ihre vertraglichen Streitigkeiten mit EU-Unternehmern
von A bis Z online abwickeln können.
- Für die Verbraucher würde dies Schätzungen zufolge Einsparungen in Höhe von rund 0,2 %
des Bruttoinlandsprodukts der EU bedeuten (22,5 Mrd. EUR).
- Für Unternehmen ist die Möglichkeit, eine Streitigkeit außergerichtlich beizulegen, von zentraler
Bedeutung, um die Beziehungen zu ihren Kunden und ihr Image zu pflegen; außerdem ersparen sie sich die Kosten
eines Rechtsstreits.
- Verbraucher und Unternehmer in ganz Europa werden die Gewissheit haben, dass alle außergerichtlichen
Streitbeilegungsstellen denselben Anforderungen genügen und transparent, hoch qualifiziert, unparteiisch,
effektiv und fair sind.
- Wenn mehr Vertrauen herrscht, wird dies dazu führen, dass die Verbraucher verstärkt nach guten Angeboten
und günstigen Preisen im EU-Binnenmarkt suchen werden.
Hintergrund
Die alternative Streitbeilegung (AS) funktioniert über einen neutralen Dritten (etwa einen Schlichter, Mediator
oder Ombudsmann). Sie ist billiger, schneller und einfacher als der Gang vor Gericht.
Derzeit bestehen in der EU über 750 AS-Einrichtungen. In einigen EU-Ländern gibt es sie jedoch nur in
bestimmten Regionen oder für bestimmte Branchen (z. B. Finanzdienstleistungen oder Telekommunikation). Das
Konzept der alternativen Streitbeilegung ist bei Verbrauchern und Unternehmen kaum bekannt. Online-Systeme für
die Beilegung von Streitigkeiten bei grenzüberschreitenden Online-Einkäufen sind überhaupt noch
nicht entwickelt.
Schätzungen zufolge belaufen sich die Kosten für nicht geregelte Verbraucherstreitigkeiten auf 0,4 %
des BIP der EU. Darin eingeschlossen sind die Einbußen von europäischen Verbrauchern (in einer geschätzten
Höhe zwischen 500 000 Mio. und 1 Mrd. Euro), wenn es bei Einkäufen in anderen EU-Ländern Probleme
gibt.
Wie geht es weiter?
Das Europäische Parlament und der Rat der EU haben zugesagt, das Maßnahmenbündel als prioritäre
Aktion der Binnenmarktakte (siehe IP/11/469) bis Ende 2012 anzunehmen. Damit wird auch eine der Maßnahmen
der Digitalen Agenda für Europa umgesetzt. Danach werden die EU-Mitgliedstaaten 18 Monate für die Umsetzung
der AS-Richtlinie haben. Das bedeutet, dass in der zweiten Hälfte 2014 überall in der EU eine hochwertige
außergerichtliche Streitbeilegung möglich sein sollte. Die einheitliche EU-weite Plattform für
Online-Streitbeilegung wird sechs Monate später, also Anfang 2015, einsatzbereit sein, weil zum Teil vorher
noch außergerichtliche Streitbeilegungsstellen geschaffen oder ausgebaut werden müssen.
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