Ein Plan des Unsichtbaren   

erstellt am
29. 11. 11

Studierende der Karl-Franzens-Universität auf den verborgenen Spuren jüdischen und muslimischen Lebens in Graz
Graz (universität) - Wer waren die Zweierbosniaken, nach denen im Grazer Bezirk Straßgang eine Gasse benannt ist? Welches ist das älteste Artefakt jüdischer Besiedelung in der steirischen Landeshauptstadt? Und wo genau befinden sich rund 400 Jahre alte Karikaturen von Osmanen? Die Antworten liefert ein druckfrischer Stadtplan, der von Studierenden der Karl-Franzens- Universität gestaltet wurde. „Graz war als Dreh- und Angelpunkt zwischen der christlichen, jüdischen und muslimischen Kultur seit jeher multireligiös. Heute sind hier allerdings nur mehr vereinzelte Spuren jüdischen und muslimischen Lebens vorhanden“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Ulrike Bechmann vom Institut für Religionswissenschaft. In einem Seminar entwickelten ihre Studierenden einen Stadtplan, der das Verborgene, Verdrängte oder Zerstörte sichtbar macht.

Das jüdisches Viertel ist längst verschwunden, die Geschichte des in Graz stationierten Regiments der Zweierbosniaken verliert sich nach dem Ersten Weltkrieg, das osmanische Heer kam nicht einmal bis Graz. Dennoch finden sich über die Stadt verstreut zahlreiche Spuren, die von der Historie berichten – und von Jahrhunderte alten Klischees und geschürten Ängsten, bestätigt Bechmann: „Die Sgraffiti-Bilder im Arkadengang des Palais Lenghaim in der Bürgergasse 4 stammen aus dem 16. Jahrhundert. Sie wurden erst vor knapp zehn Jahren freigelegt und zeigen eindeutig Bilder und Karikaturen von Osmanen, die wohl die Überlegenheit der Grazer Bevölkerung gegenüber dem Feind ausdrücken sollen. Interessant ist, dass die Osmanen auf ihren Feldzügen niemals nach Graz kamen.“

Was ist wahr, was Legende? Wie wurde mit Tatsachen gespielt und welche Schlüsse lassen sich daraus auf das heutige Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen in Graz ziehen? Antworten auf diese Fragen bietet der Stadtplan durch wissenschaftlich gesicherte historische Abrisse – und er soll auch zum Nachdenken anregen, erklärt Bechmann: „GrazerInnen und BesucherInnen der Stadt können mit Hilfe des Plans lernen, Spuren der Vergangenheit zu sehen um sich bewusst machen zu können, wie multikulturell und religiös die Geschichte von Graz war und ist.“

Der Plan „Spuren jüdischen und muslimischen Lebens“ ist am Institut für Religionswissenschaft, im Centrum für Jüdische Studien und der Hauptbibliothek der Universität Graz sowie im Kulturamt, Stadtarchiv, in den Stadtbibliotheken und bei Graz Tourismus erhältlich.
     
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