Eine extrem empfindliche Methode zum Detektieren von Atomen wurde an der Technischen Universität
(TU) Wien entwickelt.
Wien (tu) - Glasfaserkabel sind heute unverzichtbare Informationsleitungen für das Internet
– nun dienen sie auch als Quanten-Labor. Das Atominstitut der TU Wien ist derzeit die einzige Forschungseinrichtung
weltweit, an der einzelne Atome kontrolliert an das Licht in ultradünnen Glasfasern angekoppelt werden können.
Spezielle Lichtwellen werden so präpariert, dass sie schon auf eine kleine Anzahl von Atomen sensibel reagieren.
Damit lassen sich hochempfindliche Detektoren bauen, mit denen man winzige Stoffmengen nachweisen kann. Das Team
um Professor Arno Rauschenbeutel, der eine von sechs Forschungsgruppen des Vienna Center for Quantum Science and
Technology leitet, stellt seine Methode in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Physical Review Letters“ vor.
Die Arbeit entstand in Kooperation mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, von der Rauschenbeutel im
vergangenen Jahr nach Wien übersiedelt ist.
Ultradünne Glasfasern
Die Glasfasern, die Arno Rauschenbeutel für seine Experimente verwendet, sind nur fünfhundert Millionstel
eines Millimeters dick – und damit dünner als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts. „Die Lichtwelle
passt also eigentlich nicht vollständig in die Glasfaser, sie reicht noch ein Stück aus der Glasfaser
heraus“, erklärt Rauschenbeutel. Genau darin liegt der große Vorteil: Die Lichtwelle registriert Atome,
die sich außen in der Nähe der Glasfaser befinden. „Zuerst fangen wir Atome ein, sodass sie sich knapp
oberhalb und unterhalb an der Glasfaser aufreihen, wie Perlen einer Kette“, erzählt Rauschenbeutel. Die Lichtwelle,
die durch die Glasfaser geschickt wird, kommt dann mit jedem einzelnen der Atome in Kontakt. Wenn man genau misst,
wie sich die Lichtwelle verändert, lässt sich herausfinden, wie viele Atome sich angelagert haben.
Atome ändern die Geschwindigkeit des Lichts
Meist gehen auf der mikroskopischen Ebene sehr folgenschwere Prozesse vor sich, wenn man in der Quantenphysik
Atome und Licht untersucht: Lichtteilchen können von den Atomen absorbiert und später in eine andere
Richtung wieder ausgesandt werden, Atome werden dadurch beschleunigt und von ihrem Ursprungsort weggeschleudert.
Bei den Glasfaser-Experimenten an der TU Wien reicht allerdings eine vergleichsweise sanfte Wechselwirkung zwischen
Licht und Atomen aus: „Durch die Atome an der Glasfaser bewegt sich die Lichtwelle nicht mehr so schnell wie sonst,
sondern etwas langsamer“, erklärt Arno Rauschenbeutel. Wenn die Lichtwelle genau nach oben und unten in Richtung
der Atome schwingt, werden Wellenberge und Wellentäler dadurch ein kleines Bisschen verschoben. Eine andere
Lichtwelle, in deren Schwingungsebene keine Atome liegen, wird hingegen kaum verzögert. Man sendet also Lichtwellen
unterschiedlicher Schwingungsrichtung durch die Glasfaser und misst ihre relative Verschiebung aufgrund ihrer unterschiedlichen
Ausbreitungsgeschwindigkeiten. Kennt man diese Verschiebung, dann weiß man auch, von wie vielen Atomen das
Licht verzögert wurde.
Einzelne Atome messbar machen
Derzeit positioniert das Quantenphysik-Team von Arno Rauschenbeutel hunderte bis tausende Atome in einem Abstand
von weniger als einem Tausendstel Millimeter zur Glasfaser. Mit den Lichtstrahlen kann dann ihre Anzahl auf wenige
Atome genau bestimmt werden. „Im Prinzip ist unsere Methode so präzise, dass sie schon auf zehn bis zwanzig
einzelne Atome ansprechen kann“, meint Arno Rauschenbeutel. „Wir arbeiten noch an weiteren technischen Tricks –
etwa an der Verringerung des Abstandes zwischen der Glasfaser und den Atomen. Wenn uns das gelingt, sollte es möglich
sein, sogar einzelne Atome zuverlässig nachzuweisen.“
Sanfte Quanten-Messung
Nicht nur für die Entwicklung von Sensoren, auch für die quantenphysikalische Grundlagenforschung ist
die Glasfaser-Methode wichtig. „Normalerweise geht bei einer Messung der quantenphysikalische Zustand eines Systems
verloren, weil der Messvorgang einen starken Einfluss auf das Quanten-Objekt hat“, erklärt Arno Rauschenbeutel.
„Unsere Glasfasern eröffnen die Möglichkeit, Quantenzustände zerstörungsfrei nach Belieben
zu kontrollieren.“ Zum Beispiel kann mit Hilfe der Atome an der Glasfaser die Schwingungsrichtung von einzelnen
Lichtteilchen genau gesteuert werden. Zu welchen technologischen Anwendungen das führen könnte, ist heute
noch gar nicht absehbar. „Die Quantenoptik ist heute eine weltweit aufmerksam beachtete und äußerst
innovative Disziplin – und die Wiener Forschungsgruppen in diesem Bereich spielen hier auf höchstem internationalen
Niveau mit“, sagt Arno Rauschenbeutel. |