Haushaltsrede von LH Durnwalder
Bozen (lpa) - Einen hochkomplexen Haushalt, noch dazu vor einem sich ständig wandelnden Hintergrund,
hat Landeshauptmann Luis Durnwalder am 06.12. den Abgeordneten des Südtiroler Landtags erläutert. Er
fand dafür eine einfache Formel, indem er die Schwerpunkte der Arbeit der Landesregierung im Jahr 2012 auf
drei W heruntergebrochen hat: auf Wachstum, Wohlstand und Wissen.
Einfache Formel für hochkomplexen Haushalt: LH Durnwalder sprach heute von den drei Zukunfts-W in Wohlstand,
Wachstum und Wissen (Foto: Pertl)Einfache Formel für hochkomplexen Haushalt: LH Durnwalder sprach heute von
den drei Zukunfts-W in Wohlstand, Wachstum und Wissen (Foto: Pertl)
In seiner Haushaltsrede ging Durnwalder zunächst auf die komplexe globale wirtschaftliche Lage ein, die das
Erstellen des Haushalts 2012 erschwert habe. Trotzdem habe sich die Landesregierung nicht beirren lassen: "So
konfus das Hintergrundbild auch war, so chaotisch und unübersichtlich, so klar war das Bild, das wir bei der
Erstellung des Haushaltsentwurfs vor Augen hatten", so Durnwalder. "Und so einfach lässt es sich
auch beschreiben: mit einem Buchstaben mal drei. Oder anders: mit drei W, die die Schwerpunkte kennzeichnen, die
wir in diesem Haushalt gesetzt haben."
Bevor der Landeshauptmann allerdings darauf einging, wofür diese drei W stünden, hat er die Abgeordneten
eingeladen, ihm bei einem Gedankenspiel mit drei weiteren W zu folgen: mit der Frage "Was wäre, wenn...?
" Südtirol etwa Schulden angehäuft hätte, wie dies andere Institutionen über Jahrzehnte
getan hätten, jeder Forderung immer zugestimmt oder sich nicht so konstant entwickelt hätte. Die Frage
im Gedankenspiel sei im Endeffekt immer die selbe: "Was wäre, wenn Südtirol dastünde, wie so
viele andere, krisengeschüttelte Länder. Und auch die Antwort ist immer die selbe: Zum Glück ist
dies nur ein Gedankenspiel. Ein Gedankenspiel allerdings, das uns auch zu denken geben sollte", so Durnwalder.
Wenn man auch das Privileg habe, an anderen Ländern die Folgen von Fehlentwicklungen beobachten zu können,
müsse man doch davon ausgehen, dass Südtirol von diesen Folgen tangiert werde, so der Landeshauptmann
weiter: "Deshalb dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben, wir könnten an der Seitenlinie ausharren
und zusehen, was sich auf dem Spielfeld tut. Vielmehr müssen wir uns an der Seitenlinie aufwärmen, um
einsatzbereit zu sein, wir müssen Maßnahmen treffen (und tun dies auch), um die Folgen der Krise möglichst
wenig spürbar werden zu lassen", erklärte Durnwalder mit Verweis auf den Ausbau der Autonomie, der
eine größere Unabhängigkeit und bürgernähere Entscheidungen mit sich bringe.
Auf die eingangs erwähnten drei Schwerpunkt-W zurückkommend, nannte der Landeshauptmann diese auch beim
Namen: Wohlstand, Wissen und Wachstum. Zunächst konzentrierte sich Durnwalder heute auf die Förderung
des Wohlstands, der Lebensqualität, des Glücks. Es liege allerdings nicht in der Macht der Politik, glückliche
Menschen zu schaffen: "Was wir aber sehr wohl können, ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die
Menschen glücklich sein können, Rahmenbedingungen, die sie dabei unterstützen, ihre Grundbedürfnisse
zu befriedigen: jene nach Gesundheit und einer guten medizinischen Versorgung, nach Sicherheit, nach finanzieller
Unabhängigkeit, nach einer gesicherten Zukunft", so der Landeshauptmann. "Genau das tun wir und
wir tun es auch - und ganz besonders - mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf."
Als Maßnahmen in dieser Richtung nannte Durnwalder heute jene auf dem Arbeitsmarkt, denen Südtirol die
niedrigste Arbeitslosenrate in Europa zu verdanken hat, aber auch die Gesundheitsversorgung, die noch verbessert
werden solle, indem die Aufgaben zwischen Krankenhäusern, Sprengeln und Allgemeinmedizinern neu verteilt,
die Krankenhäuser entlastet und die Wartelisten abgebaut würden.
In Sachen Wohlstand ging der Landeshauptmann heute auch auf die Pflegesicherung ein, deren Fonds noch weiter aufgestockt
werde, auf die verschiedenen sozialen Ausgleichsmaßnahmen und die Förderungen im Wohnbau: "Wir
sind", so Durnwalder, "ein soziales Land, ein Land, das dafür sorgt, dass die Schere zwischen Arm
und Reich nicht allzu sehr auseinander klafft, ein Land, das dafür sorgt, dass das Netz, das Fallende auffängt,
sehr weit oben hängt."
In diesem Zusammenhang machte der Landeshauptmann heute auf ein Dilemma sozialen Ausgleichs aufmerksam. Er sei
"eine Gratwanderung zwischen dem Gebot möglichst gleicher Lebenschancen für alle auf der einen Seite
und der Gefahr der Gleichmacherei auf der anderen", so Durnwalder. Mit dem sozialen Ausgleich würden
Anreize für Leistung geschmälert, auf die die Gesellschaft allerdings angewiesen sei: "Diese wird
nämlich von jenen weitergebracht, die Leistung erbringen, die sich engagieren, die Ideen einbringen, die Risiken
eingehen", so der Landeshauptmann. "All jene, die immer nur die sichere, die einfache Route nehmen, werden
im Leben zwar eine Reihe von Annehmlichkeiten genießen (für die auch wir sorgen, das gebe ich zu), sie
werden die Gesellschaft aber keinen Schritt voranbringen."
Leistungsgerechtigkeit wolle, so Durnwalder, die Landesregierung auch mit der Neuregelung der Einkommenssteuer
IRPEF schaffen, die gleichzeitig als Entlastung für die Mittelschicht und als Familienförderung angelegt
worden sei. Letztere sei "nicht nur eine Querschnittsaufgabe, eine notwendige Überlegung bei allen Entscheidungen,
die wir treffen, sie ist letztendlich eine Überlebensstrategie unserer Gesellschaft", so der Landeshauptmann.
Eine Brücke hin zum zweiten W, dem Wissen, schlug Durnwalder heute über die Förderung der Bildung,
die Schaffung gleicher Ausgangschancen, die dem Wohlstand ebenso förderlich sei, wie dem Wissen. Dieses sei
nicht nur zu einem Schlüsselbereich in der Entwicklung der Gesellschaft, sondern auch zu einem wertvollen,
zu einem handelbaren Gut geworden. So müsse auch Wissen zuerst "produziert" werden. "Und dafür
muss in den Produktionsprozess investiert werden", so der Landeshauptmann.
In diesem Produktionsprozess komme Familie, Kultur und Bildung eine zentrale Rolle zu, nachdem in diesen Institutionen
Wissen weitergegeben werde. "Neues Wissen, genuines Wissen - genau das Wissen also, das Gesellschaften weiterbringt
- ist in diesem Prozess aber nicht entstanden. Vielmehr wurden die Grundlagen dafür gelegt", so Durnwalder,
der ergänzt: "Damit gesellschaftlich relevantes Wissen entsteht, müssen wir das individuelle Wissen
bestmöglich vernetzen, müssen es zusammenfließen lassen." Dies geschehe beispielhaft in einem
Projekt wie dem Technologiepark, den die Landesregierung in Bozen Süd vorantreibe. Ein Projekt, das sich,
so betonte der Landeshauptmann, letztlich auch finanziell lohnen werde. "Der Technologiepark ist - selbst
wenn man nicht um sieben Ecken denkt - eine mehr als gute Investition und Sie können sicher sein: er wird
geschaffen", so Durnwalder.
Ein weiteres Vorzeigeprojekt im Bereich Wissen sei die Schaffung des "Green Corridor" entlang der Brennerachse,
in dem innovative Projekte aus den verschiedensten Bereichen vernetzt und die Produktion grüner Energie gefördert
werde. In diesem Zusammenhang öffnete der Landeshauptmann heute eine Klammer zu den Vorkommnissen in der SEL.
Er betonte: "Das, was sich einige in der SEL-Spitze geleistet haben, ist nicht tragbar und hat einen enormen
Schatten auf die Landesenergiegesellschaft, die Energiegesellschaft von uns allen, geworfen." Vor diesem Hintergrund
sei es aber unverantwortlich, von einem "SEL-Skandal" zu sprechen: Die SEL sei "selbst Opfer und
nicht Täter, Geschädigte und nicht Gewinnerin, Leidtragende und nicht Profitierende. Wer jetzt im Gefolge
des Skandals alles in Frage stellt, was die SEL ist und was sie leistet, schüttet das Kind mit dem Bade aus
und vergisst, welche Bedeutung die Landesenergiegesellschaft hat", so Durnwalder.
Auf die grüne Energie als Schlüsselbereich der Entwicklung Südtirols zurückkommend, zeigte
der Landeshauptmann auf, dass es auch neue Denkschemata brauche, weil die alte Gegenüberstellung von Ökologie
und Ökonomie nicht mehr greife. So habe es bis dato für "Umweltschützer" meist gereicht,
gegen ein Projekt zu sein. "Heute muss man - so paradox dies klingen mag - im Interesse von Natur und Umwelt
aber vielleicht hin und wieder auch für ein Projekt sein, das Wunden in die Natur schlägt."
Nach Green Energy und Green Corridor kam Durnwalder auf die zentrale Zukunftsvision für Südtirol zu sprechen:
jene der "Green Region". Dieses Konzept sei mehr als nur Vision, es sei ein konkretes Ziel: "Wir
verfolgen es in allem, was an richtungsweisenden Entscheidungen ansteht, ganz einfach weil wir davon überzeugt
sind, dass wir Südtirol zu einer grünen Vorzeigeregion entwickeln müssen, in der der Umwelt- und
Nachhaltigkeitsgedanke mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in Einklang gebracht wird",
so der Landeshauptmann. "Der Imagegewinn für unser Land einerseits und der reale Gewinn für unsere
Unternehmen und unsere ganze Gesellschaft andererseits wären, nein, sind gewaltig."
Über die Entwicklung der Breitband-Infrastruktur, die ein zentrales Instrument für die Wissensgesellschaft,
gleichzeitig aber auch ein solches für die wirtschaftliche Entwicklung sei, kam Durnwalder auf das dritte
Schwerpunkt-W: jenes in "Wachstum", das gefördert werde, indem Unternehmen bürokratisch (Bürgerkarte,
Gewerbebauland-Reform) und steuerlich (IRAP) entlastet würden. Zudem gelte es, für eine gleichmäßige
Entwicklung von Peripherie und Ballungsräumen zu sorgen und in die Mobilität (per Auto, Bahn, Bus und
Flugzeug) zu investieren.
Zum Schluss seiner Rede kam der Landeshauptmann noch einmal auf die gesamtwirtschaftliche Lage zu sprechen, die
er mit einem havarierenden Dampfer verglich: "Wir könnten nun panisch in die Rettungsboote stürzen,
die Ellbogen einsetzend retten, was zu retten ist und alle, die es nicht schaffen, auf dem sinkenden Schiff zurücklassen.
Oder aber gemeinsam ans Stopfen der Lecks gehen. Und ans Auspumpen des Schiffs, damit wir den ganzen Dampfer retten",
so Durnwalder. Dabei müssten die Lasten allerdings gleich auf alle Schultern verteilt werden.
Der Dampfer, so der Landeshauptmann, müsse nicht unbedingt mit Italien gleichgesetzt werden, das Bild beschreibe
durchaus auch Entwicklungen in Südtirol: "Egoismus, Ellbogenmentalität und Gier haben auch hier
ihren Tribut gefordert", so Durnwalder. "Und vielleicht sollte der eine oder andere, der sich schon auf
dem Weg zu den Rettungsbooten befindet, kurz innehalten und daran denken, dass es - gerade für uns Politiker,
für die Strategen in den Parteizentralen und Chefetagen der Unternehmen, für Verwalter und Manager -
um weit mehr geht, als um die eigene Haut", erklärte der Landeshauptmann. "Es geht um das alte,
aber nie veraltete Konzept des Mehrens des Gemeinwohls. Ihm sind und ihm bleiben wir verpflichtet." |