Brüssel (europa.eu) - „Die Mehrwertsteuer (MwSt), die von den Bürgern entrichtet und bei den Unternehmen
erhoben wird, macht mehr als 20 % der Staatseinnahmen aus. Sie hat daher erhebliche Auswirkungen auf jeden einzelnen
EU-Bürger. Mittlerweile sind jedoch 40 Jahre seit der Einführung des EU-MwSt-Systems vergangen und es
zeigt sich, dass dieses System mit unserer dienstleistungsorientierten und technologiebasierten Wirtschaft nicht
mehr vereinbar ist. Die Zeit ist reif für eine ehrgeizige MwSt-Reform“, erklärte Algirdas Šemeta, EU-Kommissar
für Steuern und Zollunion, Audit und Betrugsbekämpfung.
Vor diesem Hintergrund hat die Kommission heute eine Mitteilung über die Zukunft der Mehrwertsteuer angenommen.
Darin werden die wesentlichen Merkmale, die dem neuen MwSt-System zugrunde liegen müssen und die erforderlichen
prioritären Maßnahmen zur Schaffung eines einfacheren, effizienteren und robusteren MwSt-Systems festgelegt.
Die Vision von einem neuen MwSt-System stützt sich auf drei übergeordnete Ziele:
Erstens muss die Mehrwertsteuer für die Unternehmen praktikabler werden. Ein einfacheres, transparenteres
MwSt-System würde die Unternehmen von erheblichen Verwaltungslasten befreien und zu einem intensiveren grenzübergreifenden
Handel ermutigen. Dies wiederum kommt dem Wachstum zugute. Zu den Maßnahmen für eine unternehmensfreundlichere
MwSt gehören die Ausweitung des Konzepts einer einzigen Anlaufstelle für grenzübergreifende Transaktionen,
die Standardisierung von MwSt-Erklärungen und die Gewährleistung eines ungehinderten und leichten Zugangs
zu den Einzelheiten aller nationalen MwSt-Systeme über ein zentrales Webportal.
Zweitens muss die MwSt effizienter gestaltet werden, um die Konsolidierungsanstrengungen der Mitgliedstaaten und
ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Durch eine breitere Steuerbemessungsgrundlage und eine
beschränkte Anwendung ermäßigter Steuersätze könnten ohne die Erhöhung von Steuersätzen
neue Einnahmen für die Mitgliedstaaten geschaffen werden. In einigen Mitgliedstaaten könnte der MwSt-Regelsatz
ohne Auswirkungen auf die Einnahmen sogar gesenkt werden, wenn Befreiungen und Ermäßigungen abgeschafft
würden. In der Mitteilung werden die Grundsätze angeführt, nach denen sich die Überprüfung
von Steuerbefreiungen und ermäßigten Steuersätzen richten sollte. Bei ihrer Überprüfung
der Steuerpolitik der Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Semesters wird die Kommission zudem die Anwendung
ermäßigter Steuersätze und Steuerbefreiungen in den Mitgliedstaaten analysieren.
Drittens muss den gegenwärtigen enormen Einnahmeverlusten durch nicht erhobene Mehrwertsteuer und Betrug ein
Ende gesetzt werden. Schätzungen zufolge werden rund 12 % der gesamten zu erhebenden Mehrwertsteuer nicht
eingenommen (sog. Mehrwertsteuerlücke). Im Jahr 2012 wird die Kommission einen Mechanismus zur schnellen Reaktion
vorschlagen, mit dem die Mitgliedstaaten bei Verdacht auf Betrug besser reagieren können. Zudem wird die Kommission
untersuchen, ob die gegenwärtig bestehenden Mechanismen zur Betrugsbekämpfung, wie z. B. Eurofisc, gestärkt
werden müssen und welche Möglichkeiten für die Einrichtung eines grenzübergreifenden Audit-Teams
zur Erleichterung multilateraler Kontrollen bestehen.
Letztlich ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass sich die seit langem bestehende Frage nach einem Wechsel
zu einem Mehrwertsteuersystem auf der Grundlage einer Besteuerung im Ursprungsland nicht länger stellt. Daher
wird die Mehrwertsteuer weiterhin im Bestimmungsland (d. h. in dem Land, in der der Kunde ansässig ist) erhoben
und die Kommission wird an der Schaffung eines modernen, auf diesem Grundsatz basierenden EU-Mehrwertsteuersystems
arbeiten.
Hintergrund
Am 1. Dezember 2010 hat die Kommission ein „Grünbuch über die Zukunft der Mehrwertsteuer – Wege
zu einem einfacheren, robusteren und effizienteren MwSt-System“ angenommen. Auf dieses Grünbuch folgte eine
sechsmonatige öffentliche Konsultation, in deren Verlauf 1700 Beiträge von Unternehmen, Akademikern,
Bürgern und Steuerbehören bei der Kommission eingingen.
Das Europäische Parlament, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und die Arbeitsgruppe für
Steuerpolitik, die sich aus persönlichen Vertretern der Finanzminister zusammensetzt, begrüßten
das Grünbuch und bekräftigten die Notwendigkeit einer Reform des MwSt-Systems der EU.
Parallel dazu führte die Kommission eine wirtschaftliche Bewertung des MwSt-Systems durch. |