Nachdem sich die Staats- und RegierungschefInnen - mit Ausnahme des britischen Premierministers - am 9. Dezember
darauf geeinigt hatten, in ihren Ländern eine so genannte Schuldenbremse in den einzelnen Verfassungen festzuschreiben,
stand diese Frage auch am 14. Dezember wieder im Mittelpunkt der Diskussion. Am 7. Dezember war ein diesbezügliches
Verfassungsgesetz am Widerstand der Opposition im Nationalrat gescheitert. Die Schuldenbremse wurde einfachgesetzlich
im Bundeshaushaltsrecht verankert. Die Regierungsfraktionen richteten nochmals einen eindringlichen Appell an die
Opposition, sich der Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung nicht länger zu verweigern.
Bundeskanzler Werner Faymenn (SPÖ) stellte in seinem Bericht über die Ergebnisse des Europäischen
Rats vom 8. und 9. Dezember 2011 grundsätzlich fest, es müsse das Ziel sein, künftig nicht nur bei
Krisen zusammenzutreten, um die nächsten Wochen und Monate zu gestalten, sondern in der EU eine Struktur zu
schaffen, die Europa vor Spekulanten schützt, den Finanzmärkten einen Rahmen gibt und vor zu hohen Schulden
bewahrt. Europa brauche einen Schutzschirm nach dem Vorbild der USA und Großbritanniens. Entschieden wandte
sich der Bundeskanzler gegen jede Strategie zur Zerstörung der EU und bekannte sich nachdrücklich dazu,
den Euro zu stabilisieren und die Europäische Union zu stärken. Diese Entscheidung sei jetzt zu treffen.
Österreich hat von der Eurozone und vom EU-Beitritt profitiert, seine Exporte steigern und Arbeitsplätze
dazugewinnen können. Faymann zeigte sich überzeugt, daß die Europäische Union zu Beschlüssen
kommen werde, die über die Eurozone hinausreichen.
Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) räumte ein, man könne
mit den Ergebnissen des letzten Gipfels der Staats- und RegierungschefInnen keinen Schönheitswettbewerb gewinnen,
es seien aber Entscheidungen in die richtige Richtung getroffen worden. So sei es richtig, bei Verstößen
gegen die Maastricht-Defizitregeln automatische Sanktionen vorzusehen, sagte der Vizekanzler und bekannte sich
nachdrücklich zu einer Politik des Schuldenabbaus in Europa. Es sei allen klar, daß man nicht auf Dauer
mehr ausgeben könne, als man einnehme. Das Krankheitsbild, das es zu bekämpfen gelte, heiße Überschuldung.
Das gelte auch für Österreich, das höchste Bonität genieße. Weil das so bleiben solle,
führe kein Weg am Schuldenabbau vorbei, bekräftigte Spindelegger und appellierte an die Oppositionsparteien,
die Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern, "um auch künftigen Regierungen einen entsprechenden
Rahmen vorzugeben".
FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache warf der Regierungsspitze vor, in Brüssel darauf
verzichtet zu haben, österreichische Interessen zu vertreten. Statt dessen habe Faymann nur Befehle der Deutschen
Bundeskanzlerin abgeholt. Den Bundeskanzler erinnerte Strache an sein Versprechen aus dem Jahr 2008, über
wichtige Vertragsänderungen Volksabstimmungen abzuhalten. Jetzt habe er offenbar Angst davor, das Volk mitbestimmen
zu lassen - er nehme sich offenbar selbst nicht mehr ernst, sagte Strache und bekannte sich nachdrücklich
dazu, der Bevölkerung endlich die Wahrheit zu sagen und von der Vorstellung abzurücken, sechs gesunde
Volkswirtschaften könnten in der Europäischen Union auf Dauer 21 schwache Volkswirtschaften durchfüttern.
Es sei fahrlässig, gesundes Geld in ein kaputtes System zu pumpen.
BZÖ-Klubobmann Josef Bucher sah es positiv, daß die Regierungsspitze über den jüngsten
EU-Gipfel dem Nationalrat berichtet, die heutigen Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers seien
"aber völlig danebengegangen", meinte Bucher. Den BürgerInnen solle offenbar weiterhin Geld
aus den Taschen gezogen werden, um es an Banken, Spekulanten und marode EU-Mitgliedsstaaten zu überweisen.
Die Bundesregierung habe kein Konzept zur Bewältigung der Krise. Sie betreibe Panikmache und setze auf die
Angst der Menschen. Es fehle völlig an klaren Vorstellungen und an Zukunftskonzepten, die Regierung sei unfähig,
den Menschen Hoffnung zu geben. Das BZÖ habe den Bucher-Plan mit klaren Lösungen, die Regierung sei planlos.
Grünen-Klubobfrau Eva Glawischnig zeigte sich enttäuscht vom Ergebnis des jüngsten
EU-Gipfels, unterstrich ihrerseits die Notwendigkeit, die Finanzmärkte zu regulieren und warnte davor, nur
die Finanzmarktkrise wahrzunehmen, die aktuellen Tendenzen der Enddemokratisierung zu übersehen und die Verschärfung
der Klimakrise aus den Augen zu verlieren. Diese Krise gefährde die Wirtschaft Europas und das Leben von Menschen
in vielen Ländern. Glawischnig warnte überdies davor, sich nur mit Haushaltsfragen zu beschäftigen
und auf Beschäftigungspolitik zu verzichten. Bei der Finanztransaktionssteuer gehe nichts weiter, die Regierung
beschränke sich darauf, "nachzubeten was Merkl und Sarkozy vorgeben" und setze sich nur dann mit
der Opposition auseinander, wenn es darum gehe, Zweidrittelmehrheiten zu finden.
Die Debatte wird noch weitergehen, denn die Koalitionsparteien sind nach wie vor dringend daran interessiert, die
Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern. |