Gemeinden sind schon 2009 auf die Schuldenbremse gestiegen
Wien (gemeindebund) - "Die heimischen Gemeinden haben im Rechnungsjahr 2010 hervorragend gewirtschaftet
und die Schuldenbremse schon zu einem Zeitpunkt gelebt, als das Wort bundespolitisch noch nicht einmal erfunden
war", berichtet Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer am 16.12. bei der Präsentation des
Gemeindefinanzberichtes 2011, der auf Basis der Rechnungsabschlüsse 2010 aller österreichischen Gemeinden
einen absolut vollständigen Überblick über die Gemeindefinanzen gibt. Trotz sinkender Ertragsanteile
und Steuereinnahmen im Jahr 2010 haben die Gemeinden kein strukturelles Defizit zu verzeichnen gehabt, auch der
Schuldenstand ist nur unwesentlich gestiegen.
Österreichs Gemeinden haben die Schuldenbremse schon 2009 budgetiert und 2010 gelebt
Insgesamt betrugen die Gesamteinnahmen der Gemeinden im Jahr 2010 16,704 Milliarden Euro, die Gesamtausgaben lagen
mit 16,656 Milliarden Euro darunter. Der Bruttosaldo der Gemeinden war also positiv und weist einen Überschuss
von 48 Millionen Euro aus. "Man kann also sagen, dass die Gemeinden ein Nulldefizit erwirtschaftet haben",
so Mödlhammer. "Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil wir bei den Einnahmen noch nicht einmal das
Niveau von 2008 erreicht haben, die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise sind in den Gemeinden immer noch stark
spürbar."
Die Zahl der Abgangsgemeinden hat sich, im Vergleich zu 2009, deutlich reduziert. "Im Jahr 2011 werden es
erneut um einiges weniger sein", kündigt Mödlhammer an. "In diesem Rechnungsjahr rechnen wir
damit, dass die Gemeinden Überschüsse in der Größenordnung von 300 bis 400 Mio. Euro erwirtschaften
werden.
An der Struktur der Abgabenerträge der Gemeinden sieht man ebenfalls deutliche Veränderungen. Im Rechnungsjahr
2010 sind die Ertragsanteile des Bundes erneut um 1,1 Prozent gesunken, zum zweiten Mal in Folge nach 2009 (minus
5,6 Prozent). Auch hier ist das Einnahmenniveau von 2008 noch nicht wieder erreicht. Die Einnahmen aus den gemeindeeigenen
Abgaben (Kommunalsteuer und Grundsteuer) sind stabil geblieben und haben sich positiv entwickelt. (Grafik dazu
auf www.gemeindebund.at)
Trotz eines nur geringfügigen Anstiegs der Schulden sind Sach- und Barvermögen der Gemeinden stark angewachsen.
Das bedeutet, dass den Schulden entsprechende Werte und Wertsteigerungen hinterlegt sind. Die Sach- und Geldvermögen
der Gemeinden sind zwischen 2005 und 2010 von 18,7 Euro um 4,4 Milliarden Euro bzw. 23 Proeznt auf 23,1 Milliarden
Euro gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist die Finanzschuld von 11 Milliarden Euro auf 11,7 Milliarden Euro gestiegen.
Gesundheits- und Sozialkosten gestiegen
In der Übersicht der Nettoausgaben der Gemeinden (d.h.: Die Ausgaben einer Kostengruppe werden um die Einnahmen
aus der gleichen Kostengruppe bereinigt) zeigt sich sehr anschaulich, dass die Gemeinden ihre Ausgaben in all jenen
Kostenstellen zurückgefahren haben, auf die sie direkten Einfluss haben. "Die Kosten für Gesundheit
und Soziales können wir selbst nicht steuern, weil wir hier ja keine Mitsprache haben, sondern anteilsmäßig
an die Länder und den Bund mitzahlen", erklärt Mödlhammer. "Praktisch keine Gemeinde betreibt
noch selbst Spitäler, dennoch haben wir hier einen großen finanziellen Beitrag von fast einer Milliarde
Euro im Gesundheitsbereich zu leisten. Im Sozialbereich (der auch die Pflegekosten und die Mindestsicherung enthält)
tragen wir sogar 1,468 Milliarden Euro bei." In diesen beiden Ausgabenkategorien sind daher auch deutliche
Steigerungen zu verzeichnen, nämlich 8,28 Prozent im Sozialbere! ich und 4,98 Prozent im Gesundheitsbereich.
Der Rückgang der Ausgaben bei den meisten Kostengruppen hat natürlich auch gravierende Auswirkungen auf
die Investitionstätigkeit der Gemeinden. "2010 haben die Gemeinden um fast 400 Millionen Euro weniger
in dringend nötige Infrastruktur investieren können, als im Jahr davor", sagt Mödlhammer. "Wir
haben es also mit einem Investitionsstau zu tun, der sichtbare Auswirkungen haben wird. Die Gemeinden zählen
zwar immer noch zu den größten öffentlichen Investoren, ein Rückgang des Gesamtvolumens von
18,1 Prozent ist aber schon ein deutliches Signal, das den Sparzwängen geschuldet ist."
Gelebte Schuldenbremse auf Gemeindeebene
Noch lange bevor auf Bundes- und Landesebene das Wort "Schuldenbremse" überhaupt bekannt war, haben
die heimischen Gemeinden diesen Begriff schon gelebt. "Seit Jahren steigt der Schuldenstand der Gemeinden
nur sehr moderat an", so Mödlhammer, "im Jahr 2010 um weniger als 200 Mio. Euro". Daraus ergibt
sich eine Finanzschuld von 11,6 Milliarden Euro und ein geschätztes Haftungsvolumen von 6,6 Milliarden Euro.
"Wer also behauptet, dass die Gemeinden überschuldet werden, der hat keine Ahnung von wirtschaftlichen
Realitäten", so der Gemeindebund-Präsident. "Die Schulden des Bundes betragen rund 200 Milliarden
Euro und steigen jedes Jahr deutlich an. Wir brauchen uns also weder vom Bund, noch von den Ländern darüber
belehren lassen, wie man auf die Schuldenbremse steigt."
Zu den Schulden der Gemeinden ist auch anzumerken, dass einem großen Teil dieser Darlehen konkrete Werte
gegenüberstehen, also Einrichtungen der Infrastruktur, die über Gebührenhaushalte abgedeckt sind.
"Es ist ein Unterschied, ob Schulden aufgrund struktureller Budgetdefizite entstehen oder aufgrund von Darlehen
für konkrete Projekte und Einrichtungen und die Tilgung über Gebühreneinnahmen ausfinanziert ist."
Interpretation und Ausblick von Helmut Mödlhammer
Aus den nun vorliegenden Gesamtzahlen für das Rechnungsjahr 2010 leitet Gemeindebund-Präsident Bgm. Helmut
Mödlhammer zusammengefasst folgende Schlussfolgerungen ab:
- Die Gemeinden sind schon im Herbst 2009, als die Budgetvoranschläge für 2010 erstellt wurden, mit
beiden Füßen auf die Ausgaben- und Schuldenbremse gestiegen. Dies erfolgte zu einem Zeitpunkt, an dem
beide Begriffe auf der Bundesebene noch nicht einmal bekannt waren.
- Die heimischen Gemeinden haben diese kostenbremsenden Voranschläge auch in die Realität umgesetzt.
De facto gibt es kein strukturelles Defizit mehr, die Zahl der Abgangsgemeinden hat sich drastisch verringert,
den sinkenden Einnahmen wurde durch noch stärker sinkende Ausgaben entgegen gewirkt. Das Maastricht-Ziel wurde
im Wesentlichen erneut erreicht.
- Auch das Jahr 2011 werden die Gemeinden positiv abschließen können. Das liegt zum einen daran, dass
die Steuereinnahmen wieder gestiegen sind, zum anderen hat sich die Kostendisziplin bei den Ausgaben weiter gehalten.
Die im Frühjahr 2011 erzielte Einigung in der Pflegefinanzierung wird auch einen wichtigen Teil dazu beitragen,
dass die Gemeinden 2011 ihre Budget- und Konsolidierungsziele einhalten werden.
- Im Zuge der Planungen für ein allfälliges Sparpaket ist ein runder Tisch mit allen Finanzausgleichspartnern
einzuberufen. Bund, Länder und Gemeinden müssen ein gemeinsames Sparpaket mittragen können, weil
alle Gebietskörperschaften einnahmen- und ausgabenseitig davon betroffen sind. Es besteht ansonsten die Gefahr,
dass es zu einseitigen Belastungen kommt.
- Der Ausgaben- und Schuldenbremse muss ein weiterführender gegenseitiger Belastungsstopp folgen. Keine
Ebene darf zu Lasten einer anderen Ebene Vorhaben umsetzen, die zu einer finanziellen Belastung führen.
|