RUB-Forscher entschlüsseln Interaktion von Duftstoffen und Riechrezeptoren
Bochum (universität) - Banane, Mango oder Aprikose – diese Gerüche zu unterscheiden, ist
für die menschliche Nase kein Problem. Wie das Riechorgan so ähnliche Düfte auseinanderhält,
fand ein interdisziplinäres Forscherteam der RUB heraus. Erstmals klärten die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler die dynamische dreidimensionale Struktur der Bindetasche eines Riechrezeptors auf. Dabei fanden
sie auch ein charakteristisches Muster von Wasserstoffbrückenbindungen zwischen Duftstoff und Rezeptor, das
für die Selektivität der Riechsensoren entscheidend ist. Mit Computersimulationen konnte das RUB-Team
vorhersagen, ob Duftmoleküle einen bestimmten Rezeptor aktivieren oder nicht. „Ein Traum von Wissenschaft
und Industrie geht damit in Erfüllung“, sagt Riechexperte Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt (Lehrstuhl für
Zellphysiologie). Die Studie der Forscher wurde für das Titelblatt der Zeitschrift Angewandte Chemie (International
Edition) ausgewählt.
Computermodell und lebende Zellen
Die menschliche Nase besitzt ungefähr 350 verschiedene Arten von Riechrezeptoren, die jeweils auf einen Duft
oder wenige Düfte spezialisiert sind. „Der Rezeptor ist wie ein Türschloss, das nur durch den passenden
Schlüssel geöffnet werden kann“, sagt Dr. Lian Gelis vom Lehrstuhl für Zellphysiologie. Wie genau
das Schloss aufgebaut ist, war bislang unbekannt. Um das Rätsel zu lösen, erstellten Dr. Steffen Wolf
und Prof. Dr. Klaus Gerwert (Lehrstuhl für Biophysik) zunächst ein Computermodell des menschlichen Riechrezeptors
für Aprikosenduft. Im Modell mutierten sie verschiedene Bausteine (Aminosäuren) in der Bindetasche des
Proteins und sagten vorher, ob diese Rezeptorvarianten Aprikosenduft binden oder nicht. Diese Vorhersagen überprüften
Gelis und Hatt mittels „Ca2+-Imaging“ dann an den Rezeptoren im physiologischen System.
Tango der Moleküle
Auf diese Weise zeigten die Forscher, wie die Bindetasche strukturell beschaffen sein muss, damit der Aprikosenduftstoff
den Rezeptor aktiviert. Mit molekulardynamischen Simulationen analysierten sie die beiden Bindungspartner dann
genauer. Dabei stellten sie fest, dass sich im Verlauf der Interaktion zwischen Rezeptor und Duftmolekül bestimmte
chemische Bindungen, Wasserstoffbrücken genannt, bilden und wieder trennen. „Es ist wie beim Tango, wenn die
Tänzerin sich immer wieder von ihrem Partner löst und an anderer Stelle mit ihm trifft“, erklärt
Gerwert. „Der Rezeptor nutzt das dynamische Wasserstoffbrückenmuster, um aktivierende von nicht aktivierenden
Düften zu unterscheiden.“
Vorhersagen für andere Riechrezeptoren
Die Wissenschaftler bestimmten, wie viele molekulare Kontakte die Interaktionspartner bilden müssen, damit
ein Duft einen Riechrezeptor aktiviert. Es gelang ihnen auch, ein Rezeptorprotein im Modell und im Experiment gezielt
so zu manipulieren, dass es statt Aprikosenduft nun Papayaduft erkannte. „Die Erkenntnisse können helfen,
gezielt ‚Super-Riechsensoren‘ für einen definierten Duft zu erzeugen“, so Hatt. „Da Riechrezeptoren nicht
nur in der Nase, sondern auch in vielen anderen Geweben im menschlichen Körper vorkommen, zum Beispiel in
der Prostata, in Spermien oder dem Darm, können die Ergebnisse dazu beitragen, neue therapeutische Ansätze
zu entwickeln.“ Die Arbeiten wurden im Rahmen des SFB 642 durchgeführt. Die Stiftung Mercator unterstütze
Prof. Gerwert mit einem Stipendium.
Titelaufnahme
L. Gelis, S. Wolf, H. Hatt, E.M. Neuhaus, K. Gerwert (2011): Prediction of a ligand-binding niche within a human
olfactory receptor by combining site-directed mutagenesis with dynamic homology modeling, Angewandte Chemie, International
Edition, doi: 10.1002/ange.201103980 |