Ermittlungen laut Justizministerium in den meisten Fällen eingestellt
Wien (pk) - Seit der Einführung der Briefwahl in Österreich hat die Justiz in rund 20 Fällen
wegen Manipulationsverdacht ermittelt. Bislang wurden allerdings nur zwei Personen strafrechtlich verurteilt. Das
geht aus einem Bericht von Justizministerin Beatrix Karl hervor, der vor kurzem dem Nationalrat übermittelt
wurde. Betroffen sind ein Bürgermeister und ein Ortsvorsteher, sie erhielten jeweils eine bedingte Freiheitsstrafe,
weil sie Unterschriften auf mehreren Wahlkarten gefälscht und die betreffenden Stimmzettel eigenmächtig
ausgefüllt hatten.
In der Mehrzahl der Fälle wurde das Ermittlungsverfahren jedoch eingestellt. Ein Verfahren in Zusammenhang
mit der Wirtschaftskammerwahl 2010 war zum Zeitpunkt der Erstellung des Berichts noch nicht abgeschlossen.
Laut Bericht erhärtete sich etwa der Verdacht von Manipulationen bei der Anforderung von Wahlkarten für
Pflegeheiminsassen und für Wahlberechtigte mit Migrationshintergrund im Zuge von verschiedenen Ermittlungen
nicht. Auch in Bezug auf angeforderte Wahlkarten für mehrere rumänische Untermieter im Rahmen der niederösterreichischen
Gemeinderatswahlen konnte keine Verletzung der Briefwahlvorschriften nachgewiesen werden. In einem Einzelfall in
Osttirol, bei dem eine auf einen fremden Namen lautende Wahlkarte zugestellt wurde, gehen die Ermittlungsbehörden
aufgrund der Aussage der zuständigen Gemeindebediensteten von einem Versehen aus.
Ebenso ohne Sanktionen blieb eine Werbeeinschaltung der ÖVP Wien, in der das nachträgliche Abschicken
von Wahlkarten beworben wurde, weil lediglich das Ausfüllen, nicht aber das Einwerfen einer Wahlkarte nach
Wahlschluss unzulässig gewesen wäre. In einem weiteren Fall stellte sich heraus, dass einer 85-jährigen
Wahlberechtigten deshalb die Ausübung des Wahlrechts vor Ort verweigert worden war, weil der Sachwalter eine
Wahlkarte für die altersdemente Frau beantragt hatte.
Bei den Wiener Gemeinderatswahlen hat ein Wiener die Wahlkarte nachweislich erst nach der Wahl erhalten und trotzdem
gewählt – er hatte jedoch Glück: das Verfahren wurde aufgrund seiner Unbescholtenheit und in Abwägung
der Folgen der Tat eingestellt. Ebenso mit einem blauen Auge kam eine Frau davon, die die für ihren kurz vor
der Wahl verstorbenen Ehemann ausgestellte Wahlkarte selbst ausfüllte und abschickte: sie hatte sich damit
verantwortet, dass sie lediglich dem letzten Wunsch ihres Gatten nachgekommen sei.
Insgesamt kommt das Justizministerium zum Schluss, dass die Straftatbestände zur Verhinderung von Missbrauch
bei der Briefwahl ausreichend sind und die Ermittlungsbehörden hinreichende Ermittlungsbefugnisse zur Aufdeckung
von Manipulationen haben. Im vergangenen Jahr wurden vom Parlament außerdem weitreichende Änderungen
der Briefwahl-Bestimmungen beschlossen: künftig muss entweder bei der Beantragung oder bei der Zustellung
der Wahlkarte die Identität nachgewiesen werden. Auch eine Stimmabgabe nach Wahlschluss ist nicht mehr möglich.
|