Zur Rolle der Wettbewerbspolitik in der Inflationsbekämpfung   

erstellt am
02. 01. 12

Wien (wifo) - Die Wettbewerbspolitik kann ihren Einfluss auf Innovation, Wachstum und Beschäftigung, aber auch gegen den Preisauftrieb grundsätzlich nur mittel- bis langfristig entfalten. Ansatzpunkte für kurzfristig wirksame Maßnahmen bieten sich auf hoch konzentrierten und stark regulierten Märkten. In Österreich erscheint eine kurzfristige Inflationsdämpfung über eine Intensivierung des Wettbewerbs möglich auf dem Markt für leitungsgebundene Energie und für nicht rezeptpflichtige Arzneimittel.

Wie das WIFO in seinen Arbeiten zur Wettbewerbspolitik in Österreich bereits ausführlich dargelegt hat, sollte eine "Wettbewerbsreform" an drei Hauptpunkten ansetzen: der Optimierung des Vollzugs des bestehenden Wettbewerbsrechts, der Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens und der Organisationsstruktur und schließlich der Neuausrichtung der Wettbewerbspolitik. Während Reformen in diesen Bereichen mittel- bis langfristig wirken, bieten sich darüber hinaus in ausgewählten Bereichen auch kurzfristig wirksame Ansatzpunkte zur Wettbewerbsbelebung, von denen eine inflationsdämpfende Wirkung ausgehen könnte.

*** Wettbewerbsintensivierung im Energiebereich und Deregulierung der Preisbildung von nicht rezeptpflichtigen Arzneimitteln wirken schon kurzfristig inflationsdämpfend. ***

Die Bemühungen Österreichs zur Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes ließen bisher mangels Begleitung durch eine strenge Wettbewerbs- und Regulierungspolitik keinen gut funktionierenden Markt entstehen. Von der Liberalisierung unangetastet blieb die starke Position der Energieversorgungsunternehmen der Länder und größeren Stadtwerke, die sich - durch Verfassungsgesetz abgesichert - mehrheitlich in öffentlichem Eigentum befinden und nur begrenzt miteinander (über die Bundesländergrenzen hinweg) konkurrieren.

Die österreichischen Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden sind gefordert, die marktbeherrschenden Energieveresorgungsunternehmen einer effektiven Missbrauchsaufsicht zu unterziehen. Bisher waren die diesbezüglichen Aktivitäten, wie z. B. das Wettbewerbsbelebungspaket "Strom", durch Ausgestaltung und Implementierung sowie mangels eines effektiven Monitorings unzureichend und nicht geeignet, um funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen.

Marktzutrittsschranken ergeben sich in der Praxis vor allem durch die nicht effektive Trennung von Netz- und Wettbewerbsgeschäft, insbesondere im Verteilnetzbereich, sowie durch eine unzureichende Markttransparenz, die sich besonders beim Wechsel- und Abrechnungsprozess nach wie vor in substantiellen Wettbewerbsbeschränkungen äußert. Der Automatisierung, Standardisierung und Zentralisierung der Wechsel- und Abrechnungsprozesse kommt deshalb im Rahmen der Wettbewerbsintensivierung grundlegende Bedeutung zu. Dieser Standardisierungsprozess bedarf der begleitenden Steuerung und der strengen Überwachung durch die Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden, um ein wettbewerbsförderndes und diskriminierungsfreies System zu realisieren.

Darüber hinaus sollte die mehrfache Rolle des Bundes und der Länder als Eigentümer der öffentlichen Versorgungsgesellschaften, als für die Rahmenbedingungen der Marktliberalisierung verantwortliche Gesetzgeber sowie als für die Konzessionserteilung und die Überwachung der Entbündelung zuständige Aufsichtsorgane entflochten werden. In einer "politischen Kraftanstrengung" wären diese wettbewerbshemmenden Interessenkonflikte nachhaltig aufzulösen. Die Sanktionsmöglichkeiten des Regulators E Control bei missbräuchlichem bzw. gesetzwidrigem Verhalten der Energieversorgungsunternehmen sind auszubauen.

Nicht rezeptpflichtige Arzneimittel, die in Österreich ausschließlich über Apotheken abgegeben werden, sind ein weiterer Markt, dessen Deregulierung ohne Qualitätsverlust substantielle Preissenkungen erwarten lässt. Das hohe Preisniveau resultiert aus den nationalen Regulierungsbedingungen: Durch eine durchgehende Regulierung der Wertschöpfungskette (vom Fabriksabgabepreis über den Großhandelspreis bis zum Apothekenabgabepreis) ist die Preisbildung den Marktkräften entzogen.

Da der Beratungsbedarf und das Schutzbedürfnis der Konsumenten wesentlich geringer sind als bei rezeptpflichtigen Medikamenten, könnte der Vertrieb dieser Selbstmedikationspräparate ohne Qualitätsverlust weitgehend freigegeben werden. Eine rigorose Deregulierung der Spannen und ein weitgehender Wegfall der Apothekenpflicht für nicht rezeptpflichtige Arzneimittel könnten den Preiswettbewerb deutlich beleben. Die zu erwartenden Preissenkungen wären substantiell.
     
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