Wien (wifo) - Die Wettbewerbspolitik kann ihren Einfluss auf Innovation, Wachstum und Beschäftigung,
aber auch gegen den Preisauftrieb grundsätzlich nur mittel- bis langfristig entfalten. Ansatzpunkte für
kurzfristig wirksame Maßnahmen bieten sich auf hoch konzentrierten und stark regulierten Märkten. In
Österreich erscheint eine kurzfristige Inflationsdämpfung über eine Intensivierung des Wettbewerbs
möglich auf dem Markt für leitungsgebundene Energie und für nicht rezeptpflichtige Arzneimittel.
Wie das WIFO in seinen Arbeiten zur Wettbewerbspolitik in Österreich bereits ausführlich dargelegt hat,
sollte eine "Wettbewerbsreform" an drei Hauptpunkten ansetzen: der Optimierung des Vollzugs des bestehenden
Wettbewerbsrechts, der Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens und der Organisationsstruktur und schließlich
der Neuausrichtung der Wettbewerbspolitik. Während Reformen in diesen Bereichen mittel- bis langfristig wirken,
bieten sich darüber hinaus in ausgewählten Bereichen auch kurzfristig wirksame Ansatzpunkte zur Wettbewerbsbelebung,
von denen eine inflationsdämpfende Wirkung ausgehen könnte.
*** Wettbewerbsintensivierung im Energiebereich und Deregulierung der Preisbildung von nicht rezeptpflichtigen
Arzneimitteln wirken schon kurzfristig inflationsdämpfend. ***
Die Bemühungen Österreichs zur Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes ließen bisher mangels
Begleitung durch eine strenge Wettbewerbs- und Regulierungspolitik keinen gut funktionierenden Markt entstehen.
Von der Liberalisierung unangetastet blieb die starke Position der Energieversorgungsunternehmen der Länder
und größeren Stadtwerke, die sich - durch Verfassungsgesetz abgesichert - mehrheitlich in öffentlichem
Eigentum befinden und nur begrenzt miteinander (über die Bundesländergrenzen hinweg) konkurrieren.
Die österreichischen Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden sind gefordert, die marktbeherrschenden Energieveresorgungsunternehmen
einer effektiven Missbrauchsaufsicht zu unterziehen. Bisher waren die diesbezüglichen Aktivitäten, wie
z. B. das Wettbewerbsbelebungspaket "Strom", durch Ausgestaltung und Implementierung sowie mangels eines
effektiven Monitorings unzureichend und nicht geeignet, um funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen.
Marktzutrittsschranken ergeben sich in der Praxis vor allem durch die nicht effektive Trennung von Netz- und Wettbewerbsgeschäft,
insbesondere im Verteilnetzbereich, sowie durch eine unzureichende Markttransparenz, die sich besonders beim Wechsel-
und Abrechnungsprozess nach wie vor in substantiellen Wettbewerbsbeschränkungen äußert. Der Automatisierung,
Standardisierung und Zentralisierung der Wechsel- und Abrechnungsprozesse kommt deshalb im Rahmen der Wettbewerbsintensivierung
grundlegende Bedeutung zu. Dieser Standardisierungsprozess bedarf der begleitenden Steuerung und der strengen Überwachung
durch die Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden, um ein wettbewerbsförderndes und diskriminierungsfreies
System zu realisieren.
Darüber hinaus sollte die mehrfache Rolle des Bundes und der Länder als Eigentümer der öffentlichen
Versorgungsgesellschaften, als für die Rahmenbedingungen der Marktliberalisierung verantwortliche Gesetzgeber
sowie als für die Konzessionserteilung und die Überwachung der Entbündelung zuständige Aufsichtsorgane
entflochten werden. In einer "politischen Kraftanstrengung" wären diese wettbewerbshemmenden Interessenkonflikte
nachhaltig aufzulösen. Die Sanktionsmöglichkeiten des Regulators E Control bei missbräuchlichem
bzw. gesetzwidrigem Verhalten der Energieversorgungsunternehmen sind auszubauen.
Nicht rezeptpflichtige Arzneimittel, die in Österreich ausschließlich über Apotheken abgegeben
werden, sind ein weiterer Markt, dessen Deregulierung ohne Qualitätsverlust substantielle Preissenkungen erwarten
lässt. Das hohe Preisniveau resultiert aus den nationalen Regulierungsbedingungen: Durch eine durchgehende
Regulierung der Wertschöpfungskette (vom Fabriksabgabepreis über den Großhandelspreis bis zum Apothekenabgabepreis)
ist die Preisbildung den Marktkräften entzogen.
Da der Beratungsbedarf und das Schutzbedürfnis der Konsumenten wesentlich geringer sind als bei rezeptpflichtigen
Medikamenten, könnte der Vertrieb dieser Selbstmedikationspräparate ohne Qualitätsverlust weitgehend
freigegeben werden. Eine rigorose Deregulierung der Spannen und ein weitgehender Wegfall der Apothekenpflicht für
nicht rezeptpflichtige Arzneimittel könnten den Preiswettbewerb deutlich beleben. Die zu erwartenden Preissenkungen
wären substantiell. |