Basel (idw) - Lern- und Verhaltensprozesse beeinflussen und verändern
das Netzwerk der Nervenzellen im Gehirn. Die Forschungsgruppe von Prof. Peter Scheiffele am Biozentrum der Universität
Basel hat nun einen Mechanismus identifiziert, mit dem Nervenzellen ihre Verbindungen anpassen können. Die
in der Fachzeitschrift «Cell» veröffentlichten Ergebnisse gewähren Einblicken in grundlegende
Vorgänge der neuronalen Netzwerkbildung und können auch Erkenntnisse für neuronale Erkrankungen
wie Autismus oder Schizophrenie liefern.
Die Gruppe des Neurobiologen Prof. Peter Scheiffele konnte einen neuen Mechanismus aufklären, wie Nervenzellen
(Neuronen) abhängig von neuronalen Signalen den Aufbau ihres Netzwerks im Gehirn verändern. Die Ergebnisse
zeigen, wie sich neuronale Aktivität während der Entwicklung des Nervensystems oder bei Lernprozessen
direkt auf die Art der Verbindungen im Nervensystem auswirken kann.
Neurexin-Varianten verändern die Art der Nervenverbindungen
Das Nervensystem ist ein Netzwerk aus einer Vielzahl von Neuronen, die durch Verbindungsstellen, sogenannte
Synapsen, miteinander verbunden sind. Da an Synapsen die Nervenimpulse von einem Neuron zum nächsten übertragen
werden, sind Aufbau, Anzahl und Art der Synapsen von entscheidender Bedeutung bei der Informationsleitung. Dem
Membranprotein Neurexin fällt dabei eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Synapsen zu, indem es mit Bindungspartnern
zu Nachbarneuronen Kontakt aufnimmt und so die Verbindung zwischen zwei Neuronen herstellt.
Eine Besonderheit von Neurexin ist, dass es in über 3000 Varianten vorkommt, welche an bestimmte Rezeptoren
in den Nachbarzellen binden. Die Produktion unterschiedlicher Neurexine findet hauptsächlich durch sogenanntes
alternatives Spleissen der RNA statt. Bei diesem Prozess werden je nach Bedingung Varianten von Neurexin mit unterschiedlichen
Bindungseigenschaften hergestellt. Wie Neuronen den Spleissprozess steuern, um die jeweils passende Neurexin-Variante
herzustellen, war bislang nicht geklärt.
Verändertes Verhalten – veränderte Nervenverbindung
Scheiffeles Gruppe konnte nachweisen, dass die Aktivierung von Neuronen das alternative Spleissen über
ein bestimmtes RNA-Bindeprotein beeinflusst. Dieses Bindeprotein bestimmt, welche Neurexin-Variante erzeugt wird.
Auf diese Weise können Nervenzellen als Reaktion auf ein neuronales Signal Kontakt zu anderen Nachbarzellen
aufnehmen, der ihnen ohne passenden Rezeptor verwehrt bleibt. Die neuronale Verbindung kann somit durch veränderte
Aktivität modifiziert werden.
«Dieser neue Regulationsmechanismus gibt einen Einblick, wie unsere Empfindungen und unser Verhalten direkt
das neuronale Netzwerk im Gehirn verändern. Wenn ich beispielsweise ein Instrument lerne und die Bewegung
meiner Hände trainiere, speichert mein Gehirn diese Information durch entsprechend angelegte Nervenverbindungen»,
so Scheiffele.
Angesichts der grossen Anzahl an Neurexinen möchte sich die Forschungsgruppe künftig auf die Auswirkungen
weiterer Neurexin-Varianten auf das neuronale Netzwerk konzentrieren. Da Veränderungen von Neurexinen auch
bei Patienten mit Autismus oder Schizophrenie vorliegen können, könnten die Forschungsergebnisse auch
zum besseren Verständnis dieser Krankheiten beitragen. |