Justizopfer des "Ständestaats" sollen rehabilitiert werden
Justizausschuss gibt grünes Licht für gemeinsamen S-V-G-Antrag
Wien (pk) - Österreichische Justizopfer der Jahre 1933 bis 1938 sollen rehabilitiert werden. Der Justizausschuss
des Nationalrats gab am 11.01. grünes Licht für einen gemeinsam von SPÖ, ÖVP und Grünen
ausgearbeiteten Gesetzesantrag. Damit werden alle Urteile von ordentlichen Strafgerichten sowie von Sonder- und
Standgerichten aus der Zeit des "Austrofaschismus" rückwirkend aufgehoben, wenn die verurteilte
Tat im Kampf um ein unabhängiges und demokratisches Österreich erfolgt ist. Ausdrücklich umfasst
sind auch politische Meinungsäußerungen. Der Beschluss fiel mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP,
Grünen und BZÖ, nur die FPÖ äußerte sich kritisch und sprach von zum Teil "absurden"
Bestimmungen.
Im Einzelnen sind von der Rehabilitierung jene Personen umfasst, die zwischen 6. März 1933 und 12. März
1938 strafgerichtlich verurteilt oder verwaltungsbehördlich angehalten oder ausgebürgert wurden, weil
sie sich - in Wort oder Tat - für ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe
bewusstes Österreichs eingesetzt haben. Damit greifen die Abgeordneten die Formulierung des Opferfürsorgegesetzes
auf. Die entsprechenden Urteile und Entscheidungen werden nicht nur rückwirkend aufgehoben, auch ihr Unrecht
wird in einer eigenen Klausel dezidiert festgehalten. Ebenso wird all jenen, die sich zwischen 1918 und 1938 für
ein unabhängiges und demokratisches Österreich eingesetzt haben, ausdrücklich Anerkennung gezollt.
Über diese allgemeine Urteilsaufhebung und Rehabilitierung hinaus, können betroffene Personen bzw. deren
Ehegatten, eingetragene Partner, LebensgefährtInnen, Verwandte in gerader Linie oder Geschwister außerdem
per Antrag eine Feststellung erwirken, dass die Verurteilung als nicht erfolgt gilt. Die Entscheidung obliegt dem
Wiener Landesgericht für Strafsachen, wobei dieses in Zweifelsfällen einen beim Justizministerium einzurichtenden
sechsköpfigen Rehabilitierungsbeirat zur Prüfung der Faktenlage beiziehen kann. Entschädigungs-
und Rückersatzansprüche können aufgrund des Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetzes nicht erhoben
werden.
FPÖ-Abgeordneter Johannes Hübner begründete die ablehnende Haltung seiner Fraktion damit, dass manche
Gesetzesbestimmungen "absurd" seien. Der Zweck des Gesetzes sei vielleicht ein nobler, meinte er, geglückt
sei dieses aber sicherlich nicht. So passt seiner Ansicht nach etwa die Diktion des Opferfürsorgegesetzes
auf viele Opfer des Ständestaates nicht, da ein großer Teil der Sozialisten damals nicht für ein
unabhängiges Österreich, sondern für einen Anschluss an Deutschland eingetreten sei. Am stärksten
hätten sich dem gegenüber die Repräsentanten des Ständestaates für ein unabhängiges
Österreich eingesetzt.
Nicht einsichtig ist für Hübner außerdem, dass sogar noch Enkel oder Urenkel einen Feststellungsbescheid
über die Aufhebung eines Urteils beantragen können. Seiner Meinung nach würde die vorgesehene Generalrehabilitierung
vollkommen ausreichen. Die Justiz sei ausgelastet genug, betonte er, es bestehe kein Anlass für "virtuelle
Verfahren über historische Tatsachen".
Von den anderen vier Fraktionen wurde das Gesetz hingegen begrüßt. So sprach Zweiter Nationalratspräsident
Fritz Neugebauer (V) etwa von einem "historischen Schritt", der "mehr als herzeigbar" sei.
Mit dem Beschluss würden die Justizopfer aus der Zeit des autoritären Ständestaats rehabilitiert.
Ihm zufolge hat man bei der Formulierung des Gesetzes bewusst an das Opferfürsorgesetz angeknüpft. Auch
SPÖ- Abgeordneter Johannes Jarolim zeigte sich erfreut, dass es nach langen Verhandlungen zu einer Einigung
gekommen sei, und wies insbesondere auch darauf hin, dass das Gesetz neben der Rehabilitierung auch Dank und Anerkennung
für jene Personen beinhalte, die sich in der damaligen Zeit für ein unabhängiges und demokratisches
Österreich eingesetzt hätten.
Seitens der Grünen sprachen die Abgeordneten Albert Steinhauser und Harald Walser von einer symbolisch wichtigen
Geste, auch wenn sie bedauerten, dass der Begriff "Austrofaschismus" im Gesetz nicht vorkomme. Das Gesetz
stelle jedoch "relativ zielsicher" die Rehabilitierung der Justizopfer der damaligen Zeit sicher, sagte
Steinhauser. Die von FPÖ-Abgeordnetem Hübner aufgestellte "These" hält seiner Meinung
nach schon allein deshalb nicht, da sich das Opferfürsorgegesetz immer schon auf den Zeitraum 1933 bis 1945
bezogen und damit auch für die Opfer des Austrofaschismus gegolten habe.
Den Grünen sei es auch wichtig gewesen, das Unrecht, das den Opfern angetan wurde, klar zu benennen und den
betroffenen Personen Anerkennung auszusprechen, betonten die beiden Abgeordneten. Es werde, so Walser, klar festgeschrieben,
dass die Zeit des Austrofaschismus eine Zeit war, in der Unrecht passiert ist.
Positiv zum Gesetzesantrag äußerte sich auch Abgeordneter Christoph Hagen (B), der sich den Ausführungen
Neugebauers weitgehend anschloss.
Justizministerin Beatrix Karl ging auf einen von Abgeordnetem Johann Maier (S) aufgezeigten Fall ein, bei dem es
um ein Unrechtsurteil aus der Zeit des Nationalsozialismus geht. Maier schilderte, dass laut Landesgericht Wien
ein Standgerichtsurteil gegen einen Deserteur nicht ausdrücklich aufgehoben werden könne, weil eine schriftliche
Urteilsausfertigung fehle, obwohl der Betroffene nachweislich im Oktober 1944 in Mauthausen hingerichtet wurde.
Karl wies darauf hin, dass das Rehabilitierungsgesetz für NS-Justizopfer eine automatische Aufhebung sämtlicher
Unrechtsurteile vorsehe und die Rehabilitation damit "ex lege" erfolgt sei.
Mit dem Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz als miterledigt gelten zwei Entschließungsanträge der
Grünen zum gleichen Gegenstand. |
Jarolim würdigt Beschluss für Rehabilitierung der Justizopfer des Austrofaschismus
Besonderer Dank an Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Oliver Rathkolb
Wien (sk) - Als einen historischen Beschluss bezeichnet SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim das Bundesgesetz
zur Rehabilitierung der Justizopfer des Austrofaschismus, das heute im Justizausschuss auf der Tagesordnung stand.
"Es ist mehr als an der Zeit, dass die Justizopfer des Austrofaschismus rehabilitiert werden. Besonderer Dank
gilt Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die in Zusammenarbeit mit HistorikerInnen unter Federführung
von Oliver Rathkolb einen Konsens mit der ÖVP erzielen hat können", so Jarolim am gegenüber
dem SPÖ-Pressedienst. Vorausgegangen sind dem Bundesgesetz, das bereits nächste Woche im Plenum beschlossen
werden wird und mit 1. März 2012 in Kraft treten soll, eine Reihe von Gesprächen und Arbeitsgruppen unter
der fachlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Oliver Rathkolb unter Einbeziehung von Betroffenen wie den Sozialdemokratischen
FreiheitskämpferInnen. "Dieses Gesetz ist mehr als ein symbolischer Akt. Dieses Gesetz trägt zur
Aufarbeitung der eigenen Geschichte und einem demokratischen Rechtsverständnis bei und würdigt den Kampf
für ein freies und demokratisches Österreich", so Jarolim.
Demnach werden einschlägige gerichtliche und verwaltungsbehördliche Entscheidungen aus der Zeit nach
Außerkraftsetzung des Parlamentarismus in Österreich, also ab dem 6. März 1933 bis zum 12. März
1938, rückwirkend beseitigt und als eindeutige Unrechtsmaßnahme deklariert. "Mit diesem Gesetz
spricht die Republik Österreich jenen Menschen ihre Anerkennung aus, denen im Kampf für ein freies und
demokratisches Österreich Unrecht geschehen ist. Neben der Anerkennung gilt es den Opfern auch wiederholt
unser Mitgefühl auszusprechen", so der SPÖ-Justizsprecher. |
Neugebauer: Mit Rehabilitierungsgesetz 2011 wird historisch wichtiger Schritt gesetzt
Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz im Justizausschuss
Wien (övp-pk) - "Mit dem heute in der Sitzung des Justizausschusses vorliegenden Aufhebungs- und
Rehabilitierungsgesetz wird ein historischer Schritt gesetzt, um die Justizopfer zwischen 1933 und 1938 zu rehabilitieren",
sagte der Zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer am 11.01. anlässlich der Beschlussfassung des
von SPÖ, ÖVP und Grünen gemeinsam eingebrachten Initiativantrags.
Mit dem vorliegenden Antrag werden strafgerichtliche und verwaltungsbehördliche Entscheidungen aus der Zeit
nach Außerkraftsetzung des Parlamentarismus in Österreich - also ab 6. März 1933 bis 12. März
1938 - rückwirkend beseitigt und als eindeutige Unrechtsmaßnahmen deklariert, wenn die diesen Verurteilungen
bzw. Anhaltemaßnahmen zugrunde liegenden Taten im Kampf um ein unabhängiges, demokratisches und seiner
geschichtlichen Aufgaben bewusstes Österreich begangen wurden.
Damit orientiere sich der Entwurf an den Formulierungen des Opferfürsorgegesetzes, erläuterte Neugebauer.
Umfasst von den Regelungen sind jene Personen, die eine Amtsbescheinigung oder einen Opferausweis nach dem Opferfürsorgegesetz
besaßen oder darauf Anspruch gehabt hätten. Jedenfalls seien gerichtliche Entscheidungen der Sonder-
und Standgerichte und ordentlichen Strafgerichte sowie Anhaltungen in den Anhaltelagern und Ausbürgerungen
umfasst, so Neugebauer, der auch auf die eigene Rehabilitierungsklausel verwies, in der gerichtliche und verwaltungsbehördliche
Entscheidungen als Unrecht im Sinne des Rechtsstaates deklariert werden, wenn sie den Zweck hatten, einen Rechtsnachteil
gerade wegen des Einsatzes für Unabhängigkeit und Demokratie zuzufügen. "Damit wird auch gegenüber
den noch wenigen lebenden Betroffenen eine wichtige Geste gesetzt", schloss Neugebauer, der sich auch bei
den involvierten Mitarbeitern des Justizministeriums und den Historikern für ihre Expertise bedankte. |