Das reale BIP-Wachstum 2012 wird in CEE voraussichtlich 2,0 Prozent betragen, während die
Eurozone mit einer Rezession von -1,0 Prozent zu rechnen hat
Wien (rzb) - "Zentral- und Osteuropa bleibt weiter im Bann der Staatsschuldenkrise der Eurozone",
erklärt Peter Brezinschek, Leiter von Raiffeisen Research einer Einheit der Raiffeisen Bank International
AG (RBI), und bezieht sich dabei auf die von seinem Team revidierten Wachstumsprognosen 2012 für Zentral-
und Osteuropa (CEE). Raiffeisen Research geht davon aus, dass die gesamte CEE-Region 2012 ein durchschnittliches
BIP-Wachstum von 2,0 Prozent erreichen wird. "Die für dieses Jahr recht gedämpfte Wachstumsprognose
für CEE muss jedoch vor dem Hintergrund der für die Eurozone erwarteten Rezession im Ausmaß von
minus 1,0 Prozent gesehen werden", fügt Brezinschek hinzu.
Die Analysten von Raiffeisen Research glauben, dass die negativen Auswirkungen wegen der engen Handelsbeziehungen
zur Eurozone in Zentraleuropa (CE) mit einem BIP-Wachstum von nur 0,5 Prozent und in Südosteuropa (SEE) mit
einem voraussichtlichen Wachstum von 0,4 Prozent besonders ausgeprägt sein werden. Was die GUS betrifft, behält
Raiffeisen Research die bisherige BIP-Wachstumsprognose von 3,1 Prozent für 2012 bei. Die Analysten von Raiffeisen
Research prognostizieren einen Rückgang des BIP in allen Staaten Zentraleuropas einschließlich Österreichs
(-0,5 Prozent) – positive Ausnahme ist Polen: hier wird ein BIP-Wachstum von 2,2 Prozent erwartet. Brezinschek
betrachtet den starken Fokus der regionalen Volkswirtschaften auf Deutschland, aber auch notwendige Budgetkonsolidierungsmaßnahmen
und eine vorsichtige Kreditvergabepolitik als die wahrscheinlich wichtigsten Faktoren für ein schwaches erstes
Halbjahr 2012. Allerdings äußert sich Brezinschek optimistischer zur zweiten Jahreshälfte: "Ein
genauerer Blick auf unsere BIP-Prognose für CEE zeigt deutlich, dass der negative Trend im ersten Halbjahr
2012 voraussichtlich durch eine bessere Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte kompensiert werden wird. Dieser
Ausblick entspricht auch der für die Eurozone erwarteten Entwicklung", sagt Brezinschek.
Inflation: Die meisten CEE-Länder haben den Höhepunkt überschritten
Nach Angaben von Raiffeisen Research scheint in vielen Ländern der CEE-Region der Höhepunkt des Inflationszyklus
bereits überschritten. "Eine höhere Inflation prognostizieren wir 2012 aufgrund der jeweiligen fiskalpolitischen
Maßnahmen nur für Ungarn, die Tschechische Republik und die Ukraine", ergänzt Brezinschek.
Die von der Europäischen Zentralbank erwartete Senkung der Zinssätze und die voraussichtlich groß
angelegte Liquiditätshilfe könnten die kurzfristigen Euribor-Sätze im ersten Halbjahr 2012 unter
den Leitzinssatz drücken. Bei rückläufigen Inflationsraten wird dies möglicherweise auch zu
Zinssenkungen in den meisten Märkten zwischen Polen und Rumänien führen. "Ungarn ist das einzige
Land, von dem wir glauben, dass die Zentralbank versuchen wird, den fragilen Wechselkurs durch Beibehaltung der
hohen Leitzinsen aufrecht zu erhalten", erläutert Brezinschek.
CEE-Währungen im ersten Quartal 2012 unter Druck
Die neuerlichen Spannungen durch die Staatsschuldenkrise dürften die CEE-Währungen im ersten Quartal
2012 weiter unter Druck bringen. "Erst nach einer Verbesserung der Situation der Wirtschaft und der Finanzmärkte
im zweiten Halbjahr rechnen wir mit schrittweisen Aufwertungen der CEE-Währungen", skizziert Brezinschek
die Lage. "Das gilt auch für den russischen Rubel, der im ersten Halbjahr gegenüber dem US-Dollar
traditionell schwach abschneidet."
CEE-Aktienmärkte: Tiefstände im ersten Quartal 2012 auf dem Prüfstand
"Der Abwärtstrend in den CEE-Aktienmärkten im Jahr 2011 war heftig und bewegte sich im zweistelligen
Bereich. Während die Märkte, denen es Anfang 2011 noch besser ging, im vierten Quartal deutlich verloren,
stabilisierten sich jene, die Anfang 2011 die schwächste Performance gezeigt hatten, wieder", analysiert
Brezinschek. Er sieht ein massives Abschwungpotenzial für Anfang 2012, insbesondere an den Börsen in
Ungarn, der Tschechischen Republik und in den Balkanstaaten. Die relativ guten Fundamentaldaten in Polen und Russland
sollten sich auch in geringeren Kursverlusten niederschlagen. Brezinscheks vorsichtige Beurteilung der Emerging
Markets erstreckt sich bis über die Jahresmitte hinaus, obwohl er annimmt, dass die erwartete Wiederbelebung
des Wirtschaftsklimas von einer starken Kurserholung der Aktien im zweiten Halbjahr 2012 begleitet sein wird. "'Wir
gehen von der Grundannahme aus, dass klare Fortschritte bei der Lösung des Schuldenproblems von den Märkten
honoriert werden", fügt er hinzu.
Auf vorübergehende Marktschwäche im 1. Quartal folgt Kurserholung
Die Staatsschuldenkrise, anhaltende Diskussionen um den Kapitalbedarf der heimischen Finanzinstitute sowie die
spezifische Zusammensetzung des Leitindex – im ATX dominieren zyklische Unternehmen und Finanzwerte – haben den
österreichischen Aktienmarkt 2011 massiv belastet. Dazu kommt eine voraussichtlich rückläufige Entwicklung
der heimischen Volkswirtschaft im vierten Quartal 2011, wobei den Raiffeisen-Analysten eine Rückkehr zu positiven
Wachstumsraten erst im dritten Quartal realistisch erscheint. Auf Gesamtjahresbasis 2012 prognostizieren sie einen
Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent.
Für den heimischen Aktienmarkt bedeutet dies in den nächsten Monaten, dass neuerliche Rückschläge
nicht ausgeschlossen werden können. „Auch wenn die österreichischen Unternehmen weiterhin über eine
gute fundamentale Position verfügen, können sie sich derzeit von den negativen Einflüssen – Stichwort
Staatsschuldenkrise – nicht zur Gänze abkoppeln“, erklärt Birgit Kuras, Chefanalystin der Raiffeisen
Centrobank. Kuras sieht für den ATX im ersten Quartal 2012 demnach noch etwas Raum nach unten, dagegen erlaube
der weitere Jahresverlauf, insbesondere die zweite Jahreshälfte, ein zweistelliges Kursplus. Bis zum Jahresende
könne der ATX dann durchaus bis zu einer Marke von 2.200 Punkten zulegen, so Kuras.
Attraktive Bewertung nach Kursrückgängen
Bei der Gewinnentwicklung sehen die Analysten der Raiffeisen Centrobank einen weiterhin leicht positiven
Trend. Trotz enormer negativer Effekte wie etwa Belastungen durch Fremdwährungen werden für 2012 bereinigte
Gewinnzuwächse von 13 Prozent erwartet. Dank der relativ schwachen Kursentwicklung kamen die Bewertungen zuletzt
auf durchaus attraktive Niveaus zurück: das auf aggregierten Gewinnschätzungen beruhende Kurs/Gewinn-Verhältnis
für 2012 liegt derzeit bei neun, das Kurs/Buchwert-Verhältnis ist mit 0,7 anhaltend niedrig. |