"In Österreich gibt es keine Basis für Rechtsextremismus", erklärte Innenministerin
Johanna Mikl-Leitner zur Eröffnung eines Juristischen Workshops über Rechtextremismus
Wien (bmi) - Im internationalen Vergleich bewegen sich rechtsextreme Strömungen in Österreich
auf einem niedrigen Niveau; einschlägigen Agitationen wird seitens der Sicherheits- und Justizbehörden
entschieden entgegentreten. Dies verdeutlichte auch der "Doppel-Vortrag" durch Repräsentanten des
Innenministeriums und des Justizministeriums. "Es wird gemeinsam an einem Strang gezogen!", sagte die
Innenministerin am 18.01. Das Phänomen des Rechtsextremismus sei ein heikles und höchst sensibles Thema,
das in einem demokratischen Rechtsstaat nie aus den Augen verloren werden dürfe. Es gehe jedoch weit über
die Verantwortung von Polizei und Justiz hinaus: "Das Auftreten gegen Rechtsextremismus ist eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe, die alle angeht", betonte Mikl-Leitner.
Im ersten Teil der Expertenreferate erörterte Mag. Peter Gridling, Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz
und Terrorismusbekämpfung, die Vielschichtigkeit rechtsextremer Tathandlungen sowie neue Ausprägungen.
Nationalsozialistische Wiederbetätigung, die durch das Verbotsgesetz 1947 geahndet wird, stelle nur einen
Teilbereich von Rechtsextremismus dar; dieser trete heute in vielen verschiedenen Formen auf. "Eine Legaldefinition
von Rechtsextremismus existiert nicht", sagte Gridling. Bemerkenswert sei die Täterstruktur, da ein Großteil
der auffällig gewordenen Personen nicht einer bekannten "rechten" Szene zuordenbar sei. Rechtsextreme
Aktivitäten seien zum Teil nicht strafrechtlich erfasst, sodass für die Polizei auch keine Befugnis zum
Einschreiten bestehe. "Den Sicherheitsbehörden wird immer wieder vorgeworfen, auf dem rechten Auge blind
zu sein – verschiedene Sachverhalte können aber nach der momentanen Rechtslage mangels Strafbarkeit schlichtweg
nicht verfolgt werden", erklärte der BVT-Direktor.
Mag. Viktor Eggert, Leitender Staatsanwalt im Bundesministerium für Justiz, unterstrich die gesamtgesellschaftliche
Verantwortung: "Um den Nährboden für rechtsextreme Agitationen, die oft in sozialer Ausgrenzung
ihre Ursache haben, den Boden zu entziehen ist neben der Sicherheitspolitik etwa auch die Bildungs-, Sozial- oder
Integrationspolitik gefordert." Mit dem im Verfassungsrang stehenden Verbotsgesetz 1947 bestehe auf Grund
der besonderen Geschichte Österreichs eine "scharfe Waffe" gegen nationalsozialistische Wiederbetätigung.
Bis 1992 stellten Verfahren nach dem Verbotsgesetz "Exoten" dar; auf Grund einer Gesetzesänderung
wurden die jeweiligen Strafrahmen dann jedoch an die "tatsächlichen Gegebenheiten angepasst". Seither
seien Anklagen durch die Staatsanwaltschaften und gerichtliche Verurteilungen stark angestiegen; die intendierte
Durchschlagskraft sei erreicht worden. In der Praxis komme es allerdings zu einer relativ hohen Zahl von Anzeigen
nach dem Verbotsgesetz, selbst wenn die geschilderten Sachverhalte nicht immer darunter zu subsumieren seien. Eine
enge Zusammenarbeit zwischen Justiz und Polizei, auch durch gemeinsame Schulungen, sei hier besonders wertvoll.
Zum Teil gehe es etwa um "protestierende Jugendliche", die kein rechtsextremes Gedankengut aufweisen,
sondern mit ihren Taten Unwissenheit zeigen oder einfach "Rebellion" zum Ausdruck bringen wollen. Für
allfällige Novellierungen des Verbotsgesetzes sieht der Leitende Staatsanwalt derzeit "keine Notwendigkeit";
die Bestimmungen und Strafdrohungen seien adäquat.
Sektionschef Dr. Mathias Vogl, Leiter der Rechtssektion im Innenministerium, erläuterte in der Diskussion
im Anschluss an die Vorträge den Umstand, dass eine politische Partei in Österreich auf Grund der grundrechtlichen
Garantien des Parteiengesetzes nicht von vorneherein verboten werden könne, selbst wenn sie rechtsextreme
Ideologien teile. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes haben vielmehr alle Behörden in einem Anlassfall
"inzidenter" zu prüfen, ob das Verbotsgesetz zur Anwendung kommt. In weiteren Wortmeldungen der
Vortragenden wurde bekräftigt, dass die Sicherheits- und Justizbehörden – auf Grundlage der bestehenden
rechtlichen Möglichkeiten – weiterhin äußerst wachsam bei Umgang mit rechtsextremen Tendenzen sein
werden. Die einschlägigen Tathandlungen seien rückläufig, die Aufklärungsquote weise eine steigende
Tendenz auf. BVT-Direktor Peter Gridling: "Rechtsextremismus ist in Österreich keine Gefahr für
den Staat und die Demokratie. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten werden von den Sicherheitsbehörden
jedoch konsequent zur Anzeige gebracht." |