Einhellige Zustimmung zu Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz
Wien (pk) - Mit breiter Mehrheit machten in der Nationalratssitzung vom 18.01. die Abgeordneten den
Weg zur Rehabilitierung österreichischer Justizopfer der Jahre 1933 bis 1938, vorbehaltlich der noch ausstehenden
Zustimmung durch den Bundesrat, frei. Damit sollen alle Urteile von ordentlichen Strafgerichten sowie von Sonder-
und Standgerichten aus der Zeit des autoritären Ständestaats rückwirkend aufgehoben werden, wenn
die verurteilte Tat im Kampf um ein unabhängiges und demokratisches Österreich erfolgt ist. Ausdrücklich
umfasst sind auch politische Meinungsäußerungen. Der Gesetzentwurf passierte das Plenum einstimmig.
Von der Rehabilitierung sind jene Personen umfasst, die zwischen 6. März 1933 und 12. März 1938 strafgerichtlich
verurteilt oder verwaltungsbehördlich angehalten oder ausgebürgert wurden, weil sie sich – in Wort oder
Tat – für ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewusstes Österreichs
eingesetzt haben. Damit greifen die Abgeordneten die Formulierung des Opferfürsorgegesetzes auf. Die entsprechenden
Urteile und Entscheidungen werden nicht nur rückwirkend aufgehoben, auch ihr Unrecht wird in einer eigenen
Klausel dezidiert festgehalten. Ebenso wird all jenen, die sich zwischen 1918 und 1938 für ein unabhängiges
und demokratisches Österreich eingesetzt haben, ausdrücklich Anerkennung gezollt.
Über diese allgemeine Urteilsaufhebung und Rehabilitierung hinaus, können betroffene Personen bzw. deren
Ehegatten, eingetragene Partner, LebensgefährtInnen, Verwandte in gerader Linie oder Geschwister außerdem
per Antrag eine Feststellung erwirken, dass die Verurteilung als nicht erfolgt gilt. Die Entscheidung obliegt dem
Wiener Landesgericht für Strafsachen, wobei dieses in Zweifelsfällen einen beim Justizministerium einzurichtenden
sechsköpfigen Rehabilitierungsbeirat zur Prüfung der Faktenlage beiziehen kann. Entschädigungs-
und Rückersatzansprüche können aufgrund des Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetzes nicht erhoben
werden.
Zweiter Präsident des Nationalrats Fritz NEUGEBAUER (V) erinnerte eingangs seiner Rede daran, dass die Ereignisse
des Februar 1934 in der Zweiten Republik lange ausgeblendet geblieben seien. In den letzten Jahren sei nun der
Versuch einer Aufarbeitung des autoritären Ständestaates begonnen worden. Er freue sich darüber,
dass nach einer von Sachlichkeit geprägten Debatte nun dieses Gesetz zustande gekommen sei. Mit ihm erfolge
die Aufhebung von Verurteilungen der Zeit von März 1933 bis März 1938 und die Rehabilitierung all jener,
die sich für ein demokratisches Österreich eingesetzt haben. Damit drücke man den Opfern wie auch
ihren Nachkommen den ihnen zukommenden Respekt aus. Das Gesetz sei in einer vorbildhaften Drei-Parteien-Einigung
zustande gekommen, erläuterte Neugebauer und dankte den an der Diskussion Beteiligten. Er erhoffe sich nun
die allgemeine Zustimmung im Plenum, schloss Neugebauer.
Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) sprach von einer historischen Stunde im Parlament und einem großem Schritt
in der Aufarbeitung der österreichischen Geschichte. Nach mehreren Anläufen sei es gelungen, eine gemeinsame
gesetzliche Lösung zu finden. Die SPÖ habe 2002 erstmals das Thema eines solchen Rehabilitierungsgesetzes
aufgeworfen und auch dazu mit Nationalratspräsident Khol erste Gespräche geführt. Anfänglich
war diesen kein Erfolg beschieden. Zu unterschiedlich sei die Einschätzung der Dollfuß-Diktatur zu ausgefallen.
Mit wissenschaftlicher Unterstützung habe aber in der Folge ein offener Umgang mit diesem Kapitel der Geschichte
und die Anerkennung historischer Wahrheiten erreicht werden können. Es sei nun möglich geworden, dass
jenen, die sich für ein demokratisches und unabhängiges Österreich eingesetzt haben, die ihnen zukommende
Anerkennung zuteilwerde. Jarolim dankte den Beteiligten, die dazu beigetragen haben, dass auch die letzten Überlebenden
die Anerkennung erhalten und jene, die sich für ein freies, demokratisches Österreich eingesetzt haben,
rehabilitiert werden.
Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) meinte, es sollte besser von einem "Versöhnungsgesetz" gesprochen
werden, und auch die Begründung des Gesetzes sei nicht frei von Geschichtsklitterung. Der Begriff des "Kampfes
für Demokratie" sollte genauer gefasst werden, meinte er und sprach davon, dass die Kampfhandlungen von
Seiten des Republikanischen Schutzbundes noch vor dem Einsetzen von Repressionen, durch welche sie zu rechtfertigen
gewesen seien, eröffnet worden seien. Die Ereignisse dieser Jahre hätten in einem Dominoeffekt letztlich
zum Ende der parlamentarischen Demokratie in Österreich geführt. Auch den zum Dienst verpflichteten Exekutivbeamten
und Mitgliedern des Bundesheeres, die in den Kämpfen umgekommen seien, sollte die Anerkennung nicht versagt
werden. Die FPÖ wolle aber bei der Versöhnung nicht abseits stehen, wenn diese auch noch unvollständig
sei, und werde dem Gesetz daher zustimmen.
Abgeordneter Harald WALSER (G) widersprach seinem Vorredner, dass die Frage einer Rehabilitierung von Polizisten
und Bundesheer sich prinzipiell nicht stelle. Gegen sie habe es ja keine Unrechtsurteile gegeben. Insgesamt sei
das Gesetz ein historisch zu nennender Beschluss. Walser erinnerte daran, dass die Zerstörung der Demokratie
und der Aufstieg des Faschismus auch Resultat einer falschen Wirtschaftspolitik der zwanziger und dreißiger
Jahre gewesen sei. Es sei sicher keine Geschichtsklitterung, sondern die Einkehr der Normalität in der Betrachtung
der historischen Ereignisse, die nun stattfinde. Erstmals werde Unrecht als solches auch benannt und den Verteidigern
der Republik und Demokratie die gebührende Achtung ausgedrückt. An der Legitimität dieses Widerstands
bestehe kein Zweifel. Grundsätzlich positiv sei auch die Anwendung der Bestimmungen des Opferfürsorgegesetzes
auf diese Gruppe. Die Verwendung des Begriffes Faschismus sei zwar für ihn im Gesetz nicht deutlich genug
gefasst, meinte er. Das Wichtigste sei aber, dass ein großes Tabu der historischen Auseinandersetzung in
Österreich nun endlich gebrochen sei. Es sei auch deshalb wichtig, weil immer noch Betroffene der Ereignisse
lebten. Auf das Ergebnis könne man stolz sei, es sei ein Beschluss, der einer Demokratie würdig sei und
ein Muster für eine vorbildliche politische Auseinandersetzung darstelle.
Abgeordneter Christoph HAGEN (B) meinte, Kern des Gesetzes sei die Rehabilitierung von Personen, die sich in der
Zeit des Austrofaschismus für ein unabhängiges und demokratisches Österreich eingesetzt haben. Das
sei grundsätzlich als positiver Schritt zu werten. Es werde damit auch allen, die sich für eine demokratisches
System in Österreich eingesetzt haben, die Anerkennung ausgesprochen. In der Frage der Rehabilitierung von
Justizopfern habe man einen guten Weg gefunden, das BZÖ werde diesem Gesetz daher gerne die Zustimmung erteilen.
Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER (S) betonte, für sie gebe es ganz persönliche Beweggründe,
wenn sie sich als Abgeordnete zu diesem Thema zu Wort melde. Die Ereignisse des Februar 1934 hätten tiefe
Spuren im Bewusstsein ihrer Familie und ihrer Heimatgemeinde Ottnang hinterlassen. Im Arbeiterheim im Ortsteil
Holzleithen der Gemeinde Ottnang wurde am 13. Februar 1934 eine Gruppe unbewaffneter Sanitäter standrechtlich
erschossen. Erst vor wenigen Jahren konnte durch das Theaterprojekt "Hunt oder Der totale Februar" die
Aufarbeitung der Vorfälle in ihrer engeren Heimat in Gang gebracht und ein Gespräch darüber begonnen
werden. Prammer erinnerte daran, dass etwa 140 Menschen unmittelbar nach den Ereignissen des Februar 1934 vor Standgerichte
gestellt und Dutzende hingerichtet wurden. Sie führte die Namen einer Reihe bekannter Opfer der Justiz an
und hielt fest, es gebe noch vieles aufzuarbeiten, was diesen Abschnitt der Geschichte betrifft. Es sei aber nun
gelungen, auch wenn es sehr spät geschehe, den Opfern Achtung und Anerkennung auszusprechen. Prammer bedankte
sich bei allen, die zum Gelingend des Gesetzes beigetragen hatten.
Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) meinte, nach der Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure werde nun das letzte
Justizkapitel, das noch der Aufarbeitung bedurfte, aufgearbeitet. Wenn das so lange gedauert habe, so zweifellos
deshalb, weil es lange ein "politisches Minenfeld" war. Vor einigen Jahren sei die Zeit jedoch gekommen,
in Gespräche darüber einzutreten. Eine wichtige Rolle habe dabei das Engagement vieler HistorikerInnen
gespielt. Jetzt habe man einen wichtigen Zwischenschritt in der Aufarbeitung dieses Abschnittes der österreichischen
Geschichte gesetzt. Es werde damit klar ausgesprochen, dass die Anwendung von Hoheitsgewalt und militärischer
Zwangsgewalt gegen jene, welche die Demokratie verteidigten, Unrecht gewesen sei. Das Gesetz sei auch für
viele noch lebende Angehörige der Opfer wichtig. Auch Steinhauser bedankte sich bei allen, die viel Arbeit
für das Zustandekommen des Gesetzes geleistet haben.
Auch S-Abgeordneter Günther KRÄUTER (S) drückte allen, die am Zustandekommen des Gesetzes mitgewirkt
haben, seinen Dank aus. Er erinnerte sodann an das Schicksal des sozialdemokratischen Politikers und Abgeordneten
Koloman Wallisch, der zum Tode verurteilt wurde, weil er gegen Faschismus und Diktatur gekämpft und sich für
ein freies, demokratisches Österreich eingesetzt hatte. Für die Sozialdemokratie habe das Gesetz große
Bedeutung. Mit ihm werde jahrzehntelanger Einsatz für die die Rehabilitierung der Opfer mit Erfolg gekrönt.
Abgeordneter Johann MAIER (S) sah das Gesetz ebenfalls als die überfällige Aufarbeitung der Zeit von
1933 bis 1938. Es sei ein Zeichen demokratischer Reife. Die historische Auseinandersetzung müsse aber zweifellos
weitergehen. Maier zitierte, um das zu unterstreichen, aus einzelnen Urteilen, die in seiner engeren Heimat Salzburg
über Personen, die sich für die demokratische Republik eingesetzt hatten, gefällt worden waren.
Das vorliegende Gesetz sei ein Beispiel für konstruktive Zusammenarbeit der Parlamentsparteien, meinte er
abschließend.
In der Abstimmung wurde der Gesetzesentwurf in Zweiter und Dritter Lesung einstimmig angenommen. |