Schlagabtausch über Konsolidierungskurs in der Aktuellen Stunde
Wien (pk) - Der Triple A-Verlust durch eine Rating-Agentur, die Frage, welche Maßnahmen geeignet
sind, das staatliche Defizit zur Bewältigung der Schuldenkrise zu reduzieren, sowie die Verankerung einer
Schuldenbremse in der Verfassung beherrschten am 18.01. das Nationalratsplenum gleich zu Beginn der ersten Sitzung
im neuen Jahr. Der Klubobmann des BZÖ, Josef Bucher, hatte im Vorfeld die Abhaltung einer Aktuellen Stunde
zum Thema "Genug gezahlt – keine neuen Steuern" beantragt. In der Debatte bekräftigten die einzelnen
Fraktionen einmal mehr ihre Standpunkte, wobei die Differenzen, ob man überhaupt bzw. in welchem Ausmaß
das Defizit einnahmenseitig, also durch neue Steuern, oder in erster Linie ausgabenseitig durch Strukturreformen
verringert werden soll, zutage traten. Die Opposition übte jedenfalls scharfe Kritik am Kurs der Bundesregierung,
die Aussagen der Koalitionsparteien zeigten noch große Meinungsunterschiede hinsichtlich des konkreten Konsolidierungskurses.
Die Finanzministerin warf der Opposition in der Frage parteipolitisches Kalkül vor und unterstrich ihren Willen
zum konsequenten Sparen.
Abgeordneter Josef BUCHER (B) ging zunächst auf die Herabstufung der Bonität Österreichs durch eine
Ratingagentur ein. Er sei davon nicht sehr überrascht worden, meinte der BZÖ-Klubobmann, weil damit zum
Ausdruck gebracht werde, dass Österreich hinsichtlich des Finanzhaushalts und der Staatsverschuldung eine
falsche Politik mache und dadurch dem heimischen Standort schade. Bucher ortete zudem ein kollektives Versagen
der Bundesregierung, die nicht mehr wisse, was sie tun soll, um Österreich aus der Krise herauszuholen. Er
hätte sich erwartet, dass angesichts dieser schwierigen Situation heute auch der Bundeskanzler einmal dazu
Stellung nimmt, wie es nun weitergehen soll und wie man das Vertrauen der Anleger wiedergewinnen will. Statt ständig
über neue Steuererhöhungen zu reden, sollte darüber nachgedacht werden, welche Reformen in den Bereichen
Gesundheit, Bildung, Förderwesen, Föderalismus, Pensionen etc. als erstes umgesetzt werden müssen.
Neben den 599 Vorschlägen des Rechnungshofes gebe es auch noch unzählige Konzepte der Opposition, die
es wert wären, aufgegriffen zu werden, hob Bucher hervor.
Finanzministerin Maria FEKTER gab eingangs zu bedenken, dass es seit etwa zwei Jahren für manche Länder
viel schwieriger geworden ist, Geld auf den Kapitalmärkten in Form von Staatsanleihen auszuborgen. Was die
Einstufung der Bonität durch die Ratingagenturen betrifft, so sei es nicht richtig, dass Österreich generell
schlechter eingestuft wurde. Zwei Ratingagenturen hätten noch immer die Bestnote Triple A an Österreich
vergeben, unterstrich die Bundesministerin. Österreich könne sehr gute Wirtschaftsdaten vorweisen, betonte
Fekter, allerdings seien die Experten von Standard & Poor's zum Schluss gekommen, dass aufgrund der engen wirtschaftlichen
Verflechtungen mit Ungarn und Italien, denen es derzeit ökonomisch schlecht geht, ein gewisses Risiko verbunden
sei. Der Bundesregierung sei völlig klar, dass ein weiteres Anwachsen des Schuldenbergs verhindert werden
müsse, weshalb bereits vor Weihnachten massive Anstrengungen in diese Richtung (z.B. gesetzliche Verankerung
der Schuldenbremse) unternommen worden seien. Fekter bedauerte in diesem Zusammenhang, dass die Opposition in dieser
Frage nur parteipolitisches Kalkül im Auge gehabt und diese Maßnahme nicht unterstützt habe. Die
Regierung werde jedenfalls den eingeschlagenen Weg in Richtung Konsolidierungskurs, Defizitabbau und Schuldenreduktion
konsequent fortsetzen, stellte die Finanzministerin mit Nachdruck fest. Der Fokus der Anstrengungen liege dabei
auf der Ausgaben- und nicht auf der Einnahmenseite, da Österreich bereits eine ausgesprochen hohe Abgabenquote
hat, die vor allem vom Mittelstand aufgebracht wird. Gleichzeitig sprach sie sich aber dagegen aus, die Förderungen
für die Familien zu kürzen.
Abgeordneter Josef CAP (S) warnte davor, das Sparen zu einer Ideologie zu machen. Natürlich sei es wichtig,
schlanke und effiziente Verwaltungsstrukturen anzustreben und notwendige Reformen in den verschiedensten Bereichen
durchzuführen. Dies dürfe aber nicht auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit gehen, betonte Cap. Da die
Herabstufung durch Standard & Poor's mit der schwierigen Wirtschaftslage in Italien und Ungarn begründet
wird, sehe er es als vorrangiges Ziel an, dabei mitzuhelfen, die Finanzmärkte und den Bankensektor neu zu
regeln. Auf nationaler Ebene trat Cap dafür ein, auf der Einnahmenseite für soziale Gerechtigkeit zu
sorgen und auch jene Personen einzubeziehen, die bisher noch keinen oder einen geringen Beitrag geleistet haben.
Auch er bekenne sich zur sozialen Gerechtigkeit, entgegnete Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V) seinem Vorredner.
Da Österreich aber eines der höchsten Sozialbudgets in Europa hat und dennoch den Kampf gegen die Armut
nicht gewonnen hat, müsse man annehmen, dass es ein Problem bei der sozialen Treffsicherheit gibt. Was die
Ausgabenseite betrifft, so habe Österreich seiner Meinung nach große Chancen, sich von der Abhängigkeit
der "bösen Finanzmärkte" und "bösen Ratingagenturen" zu lösen. Stummvoll
ortete gewaltige Sparpotentiale in zahlreichen Bereichen, wie etwa bei den Pensionen, dem Gesundheitswesen oder
dem Förderwesen. Angesichts dieser Einsparmöglichkeiten weigere er sich auch, über zusätzliche
Steuern zu sprechen, bekräftigte Stummvoll.
Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) bezweifelte, dass es die Regierung mit dem Sparen ernst nimmt. Realität
sei vielmehr, dass die rot-schwarze Bundesregierung den ÖsterreicherInnen seit dem Jahr 2006 eine Zusatzverschuldung
in der Höhe von über 50 Milliarden Euro aufgebürdet habe, gab er zu bedenken. Kritik übte Strache
auch daran, dass sich Österreich mit 21 Mrd. € am europäischen "Zwangsenteignungsschirm" beteiligt
und dabei mit den Steuergeldern der BürgerInnen hafte. Absolut nicht einzusehen sei auch, warum der Staat
für die möglichen Milliardenausfälle der heimischen Banken, die in Osteuropa fleißig mitgezockt
und spekuliert haben, gerade stehen müsse. Er habe daher schon im letzten Jahr davor gewarnt, dass aufgrund
der Entwicklungen in den Nachbarstaaten mit einer Herabstufung Österreichs durch die Ratingagenturen gerechnet
werden müsse. Auch die verfassungsmäßige Verankerung der Schuldenbremse hätte da nichts mehr
geholfen, zumal die Regierungsparteien im Dezember noch zusätzliche 10 Mrd. € an Belastungen beschlossen haben,
war Strache überzeugt. Schließlich lud er noch alle Parteienvertreter zu einer Diskussion über
den Ausbau der direkten Demokratie ein. Die Freiheitlichen treten für die verpflichtende Abhaltung einer Volksabstimmung
ein, wenn ein Volksbegehren von 4% der Bevölkerung unterstützt wird. Außerdem sollen die Inhalte
der Volksabstimmung verbindlich umgesetzt werden müssen, wenn es von 30% der Wähler so gewünscht
wird, unterstrich Strache.
Abgeordneter Werner KOGLER (G) interpretierte den Bericht von Standard & Poor's primär als Aufruf, die
krisenhaften Tendenzen, die es zweifellos in der Eurozone und speziell in manchen Ländern gibt, nicht noch
zu verstärken. Seiner Meinung nach sollten daher überall dort Sparbemühungen gesetzt werden, wo
die Krise ohnehin als Chance genutzt werden sollte, um endlich "alte Zöpfe abzuschneiden". In diesem
Zusammenhang verwies Kogler auf die Landeshauptleutekonferenz, die für ihn das Epizentrum der Reformverweigerung
darstellt. Österreich müsste gar kein Budgetproblem haben, war der Redner überzeugt, wenn seit dem
Jahr 2000 sinnvoll gespart, richtig investiert und Steuerprivilegien abgeschafft worden wären. Stattdessen
habe man aber weiterhin Klientelpolitik für Stiftungsmilliardäre, für Millionenerben und für
Superverdiener betrieben, kritisierte Kogler.
Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) warf der ÖVP vor, eine uneinheitliche Linie zu vertreten. Während
nämlich Abgeordneter Stummvoll heute in seiner Rede neue Belastungen ausschließt, verhandelt sein Parteikollege
Vizekanzler Spindelegger bereits über neue Steuern. Außerdem habe die Bundesregierung die ökonomischen
Entwicklungen völlig falsch eingeschätzt und etwa mit einer Beibehaltung des Triple A gerechnet, bemängelte
Westenthaler. Generell sei die Regierungspolitik überhaupt nicht glaubwürdig, da einerseits von der Schuldenbremse
geredet werden, andererseits aber neue Schulden gemacht werden. Außerdem verspreche sie Reformen, schmeiße
aber gleichzeitig den BeamtInnen mit einem enormen Gehaltsabschluss das Geld nach. Das BZÖ sei bedauerlicherweise
mittlerweile die einzige Partei, die die Interessen der SteuerzahlerInnen vertritt, stellte Westenthaler fest.
Abgeordneter Kai Jan KRAINER (S) spielte den Ball an seinen Vorredner zurück und stellte fest, die höchste
Steuer- und Abgabenquote habe Österreich in der Zeit von Schwarz-Blau verbucht, als Westenthaler Klubobmann
einer Regierungspartei war. Im gegenwärtigen Steuersystem sah Krainer vor allem ein Gerechtigkeitsproblem
und trat dafür ein, Arbeit steuerlich zu entlasten und Kapital stärker zu besteuern. Weiters schlug er
vor, Steuersubventionen für Reiche im Rahmen der Kinderbetreuung zu streichen und das Geld in den Ausbau von
Kinderbetreuungseinrichtungen zu investieren. Klar war für Krainer jedenfalls, dass eine Sanierung ausschließlich
über ausgabenseitige Maßnahmen nicht möglich sei.
Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) meinte, angesichts der hohen Abgaben- und Verschuldungsquote gehe es nicht an,
nun über "Kosmetik" zu diskutieren. Ernsthafte Maßnahmen seien gefordert, diese haben den
Namen Schuldenbremse, betonte er. Es gelte vor allem, das herauszunehmen, was die Wirtschaft und die fleißigen
Leute am Arbeiten hindert. Schultes plädierte für Sparen im Sinne von Effizienz und empfahl in diesem
Zusammenhang, sich an der Grundhaltung der österreichischen Bauern zu orientieren.
Abgeordneter Herbert KICKL (F) warf der Koalition Chaos vor und bemerkte, von Krisenmanagement könne keine
Rede sein, es werde bloß "herumgegackert" und wie auf einem Basar gefeilscht. Einig sei sich die
Koalition nur über neue Steuern. Heftige Kritik übte der Redner an den Politikerpensionen, wobei er von
Gerechtigkeitslücken und Privilegien sprach.
Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) warnte angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit vor einem Weg des Kaputtsparens
und der ungerechten Verteilung und forderte hingegen Investitionen in die Zukunft, insbesondere in die Bereiche
Bildung, Forschung, Klima- und Umweltschutz. Anliegen der Rednerin waren auch der Abbau von Subventionen und die
ökosoziale Ausgestaltung des Steuersystems.
Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) betrachtete die Frage der Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung
als bloß nebensächlich und gab zu bedenken, wichtiger sei es, endlich Maßnahmen und Reformen zu
setzen. Mit Nachdruck verlangte er eine Durchforstung des Förderdschungels, sprach sich aber auch für
ein einheitliches Pensionssystem und für eine Verwaltungsreform aus. Die Vorschläge würden schon
längst auf dem Tisch liegen, die Regierung sei aber untätig, kritisierte er.
Abgeordneter Robert LUGAR (o.F.) führte den Verlust des Triple A auf die hohe Staatsverschuldung zurück
und warf der Regierung vor, die Hausaufgaben nicht gemacht zu haben und nun die Probleme auf die SteuerzahlerInnen
abzuwälzen. Er riet der Koalition, sich die Schweiz zum Vorbild zu nehmen und für stabile Finanzen zu
sorgen. |