Schuldendebatte  

erstellt am
30. 01. 12

Faymann: Wachstumsfördernde Maßnahmen trotz europaweiter Sparmaßnahmen
Jugendarbeitslosigkeit, Transaktionssteuer, Schuldenbremse und Fiskalpakt als Themen des parlamentarischen Hauptausschusses
Wien (bpd) - "Beim bevorstehenden Treffen der Regierungschefs in Brüssel gilt es zu diskutieren, wie es mit den Wachstumsmaßnahmen weitergehen soll", betonte Bundeskanzler Faymann am Abend des 27.01. beim Hauptausschuss im Parlament. "Wie spart man, so dass unter dem Strich trotzdem wachstumsfördernde Maßnahmen herauskommen", das sei laut Bundeskanzler Faymann eine wesentliche Fragestellung beim informellen Treffen des Europäischen Rates am 30.01. "Manche Regierungschefs sehen dabei als Messgröße die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Zusätzliche Einnahmen in Form der Finanztransaktionssteuer wären ein gerechter Beitrag seitens des Finanzmarktes. Österreich hätte dabei gern eine Einführung im Jahr 2014", unterstrich der Bundeskanzler seine Ansicht bei dieser Thematik.

Bei den Beratungen am Montag stehe auch die Jugendbeschäftigung im Blickpunkt: "In diesem Bereich nimmt Österreich eine besonders gute Position in Europa ein. Neben der vergleichsweise niedrigen Jugendarbeitslosigkeit ist auch die Dauer der Arbeitsstellensuche relativ gering. Aus dem Sozialfonds der EU sollten zumindest 10 Milliarden für Jugendbeschäftigung und den dafür erforderlichen Qualifizierungsprogrammen bereitgestellt werden." Zur Kofinanzierung der EU-Programme in den Mitgliedsstaaten sagte der Bundeskanzler, dass eine Herabsetzung der Anforderungen an die Staaten eher niedrig gehalten werden sollte, um auch Ländern, die sich in Programmen befinden oder deren budgetäre Lage angespannter ist, unterstützen zu können.

"Im Zusammenhang mit dem Fiskalpakt ist das Ausmaß der Verbindlichkeit der Schuldenbremse in der Europäischen Union festzulegen. Derzeit wird eine verbindliche und permanente Lösung angestrebt", erläuterte Bundeskanzler Faymann. "Eine verfassungsmäßige Verankerung ist bekanntlich ein wichtiges Thema für die Bundesregierung", so Faymann. Und weiters: "Eine Erhöhung des Schutzschirmes auf 750 Milliarden Euro hätte eine Präventivwirkung gegenüber Spekulanten." Die Aufstockung ergäbe sich durch die Weiterführung des bestehenden Haftungsrahmens aus dem EFSF zusätzlich zur kommenden Ausleihkapazität des Schutzmechanismus ESM.

 

Spindelegger: Abschluss des Fiskalpakts garantiert Stabilität in der Euro-Zone
Europäischer Rat setzt deutliches Signal für Wachstum und Beschäftigung
Wien (övp-pk) - "Das Hauptziel des Fiskalpakts ist die Festigung der Wirtschafts- und Währungsunion, um eine höhere Fiskaldisziplin für die Zukunft sicherzustellen", sagte ÖVP-Vizekanzler und Außenminister Dr. Michael Spindelegger im Rahmen des EU-Unterausschusses am Abend des 27.01., der sich hauptsächlich mit der Vorbereitung des EU-Gipfels beschäftigte.

Der Fiskalpakt werde eine erhöhte nationale Budgetdisziplin sicherstellen, um gepaart mit einer verpflichtenden Schuldenbremse das gegenseitige Vertrauen der Euro-Länder zu erhöhen. Ein automatischer Korrekturmechanismus und spürbare Konsequenzen werden für eine lückenlose Einhaltung der gestärkten Fiskalunion sorgen. "Der Fiskalpakt wird das durch die Euro-Krise geschwundene Vertrauen der betroffenen Staaten zueinander wieder stärken und so die Basis für eine lebendige wirtschaftliche Entwicklung der Euro-Zone legen", so Spindelegger weiter.

Neben der Stärkung der Euro-Zone durch den Fiskalpakt rücke der Europäische Rat vor allem Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung in den Mittelpunkt der Bemühungen. Hauptschwerpunkte der Maßnahmen wären die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, die Förderung mittelständischer Unternehmen und die Vollendung des Binnenmarkts. "Der Europäische Rat wird ein Zeichen der Stärkung der Euro-Zone und des wirtschaftlichen Aufbruchs setzen", so Spindelegger, der abschließend betonte, dass die Europäische Union zwar Rahmenbedingungen festlege, die konkrete Umsetzung aber nach wie vor in den Mitgliedsstaaten erfolge.

 

Bucher: 1,6 Milliarden Mehrkosten bei Ausweitung des Rettungsschirms
BZÖ fordert Stopp des Euro-Pyramidenspiels
Wien (bzö) - "Die zuerst von ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter und jetzt von SPÖ-Bundeskanzler Faymann im Spiegel vorgeschlagene Ausweitung des Rettungsschirms von 440 auf 750 Milliarden Euro bedeutet eine weitere unglaubliche finanzielle Belastung für Österreichs Steuerzahler in der Höhe von 1,6 Milliarden Euro - das entspricht rund 8.000 Einfamilienhäusern. Die Haftungen explodieren zudem um 14,4 Milliarden. Fekter manövriert Österreich immer mehr in eine Finanzfalle, aus der es keinen Ausweg mehr gibt. Das BZÖ fordert einen sofortigen Zahlungsstopp an den Rettungsschirm und die Trennung des Euro in einen harten Nord- und einen weichen Südeuro", so BZÖ-Chef Klubobmann Josef Bucher. Bei 750 Milliarden müsse Österreich statt 2,3 Milliarden Darlehen - wie bei 440 Mrd. gefordert - gleich 3,9 Milliarden sofort überweisen und die Haftungen schnellen von 21,6 auf 36 Milliarden hinauf.

Schon die vor kurzem beschlossene Ausweitung von bisher geplanten 440 Milliarden auf 500 Milliarden Rettungsschirmvolumen bedeute eine massive Mehrbelastung für Österreich, wenn man den bisherigen Verteilungsschlüssel zu Grunde legt: Statt 2,3 erfolgen jetzt 2,6 Milliarden Darlehen, also direkt 300 Millionen Mehrbelastung für den Staatshaushalt. Die Haftungen erhöhen sich von 21,6 auf 24,7, also um 3,1 Milliarden Euro. "Das BZÖ fordert den sofortigen Stopp dieses Euro-Pyramidenspiels. Die Österreicher haben "Genug gezahlt!""

 

Leitl: Europa wieder auf den Wachstumspfad führen
Finanztransaktionssteuer notfalls nur in der Eurozone einführen
Wien (pwk) - "Eine konsequente Budgetkonsolidierung und Sparmaßnahmen sind wichtig für die finanzielle Stabilität der EU-Staaten. Sparen alleine wird aber nicht reichen, um die EU aus der Schuldenkrise zu führen - wir müssen nun auch Wachstum und Beschäftigung in Europa ankurbeln, um langfristig gestärkt aus der Krise hervorzugehen", betonte Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), vor dem Sondergipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Strukturelle Reformen bei Verwaltung, Pensionen und Gesundheit sowie Investitionen in wachstumsfördernde Bereiche wie Bildung, Forschung und Energie seien dringend notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Wirtschaft nachhaltig zu fördern und Europa wieder auf den Wachstumspfad zu führen. Eine Finanztransaktionssteuer ist aus Sicht der österreichischen Wirtschaft eine sinnvolle Maßnahme, um die Budgets zu entlasten sowie übermäßige spekulative Attacken einzudämmen.

Wirtschaftskammer-Präsident Leitl kritisierte die jüngsten Aussagen des britischen Premierministers David Cameron, in denen dieser die Einführung einer Finanztransaktionssteuer als "verrückt" bezeichnet und das Krisenmanagement der Eurozone bemängelt hat. Dass bei der Konstruktion des Euro Fehler passiert sind, sei kein Geheimnis. Den Fehler, aus falsch verstandener Rücksicht richtige und wichtige Reformen zu unterlassen, dürfe die EU jetzt nicht noch einmal machen. "Notfalls muss die Finanztransaktionssteuer ohne Großbritannien bzw. nur in der Eurozone eingeführt werden", fordert Leitl.

Die Schwerpunkte des heutigen EU-Gipfels liegen - neben dem vorläufigen Beschluss des Fiskalpakts für verstärkte Haushaltsdisziplin - bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der Stärkung des Binnenmarkts sowie der kleineren und mittleren Unternehmen (KMU): "Das duale Ausbildungssystem in Österreich gilt als Best-Practice Modell und kann anderen EU-Staaten als Vorbild dienen, ihre Jugendarbeitslosigkeit zu verringern", so Leitl. Für KMU gibt es auch dringenden Handlungsbedarf: "Die ausufernden bürokratischen Regelungen im Binnenmarkt müssen konsequent beseitigt werden. Die KMU dürfen außerdem nicht zum Opfer der Bankenrekapitalisierung werden: Gerade in Krisenzeiten darf ihnen der Zugang zu ausreichender Finanzierung nicht abgedreht werden. Die neuen Eigenkapitalvorschriften Basel III dürfen keine Wachstumsbremse sein."

 

 Tumpel: Europa braucht einen Zukunftspakt
Ein Fiskalpakt ist nicht die Antwort auf die Krise – AK Präsident fordert vom Europäischen Rat ein Beschäftigungspaket für die Jugend…
Wien (ak) - "Mehr als 23 Millionen Menschen in der EU haben keinen Job und die Eurozone steht vor einer neuen Rezession: Die EU braucht einen Zukunftspakt und kein neues Korsett für die Budgetpolitik", fordert AK-Präsident Herbert Tumpel im Vorfeld des informellen Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der EU am 30. Jänner 2012. "Ich unterstütze Bundeskanzler Faymann ausdrücklich, dass er beim Gipfel die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa ansprechen will, aber wir werden die Arbeitslosigkeit nur dann wirksam bekämpfen können, wenn die Staaten mehr Spielraum für beschäftigungsfördernde Investitionen erhalten". Europa brauche eine Strategie für mehr Wachstum, Beschäftigung und eine bessere Verteilung.

Die weitere Verschärfung der fiskalpolitischen Regeln in der Eurozone ist nicht die Antwort auf Krise. Europa braucht einen Zukunftspakt, der folgende Elemente umfasst:

  • Beschäftigungspakt für die Jugend: In der EU sind 5,6 Millionen junge Menschen ohne Arbeit. Wir müssen verhindern, dass eine verlorene Generation heranwächst, die den Glauben an Europa verliert. Eine Halbierung der Jugendarbeitslosenquote innerhalb der nächsten Jahre muss erklärtes Ziel der EU sein. Dazu müssen auch aus dem EU-Budget Mittel frei gemacht werden.
  • Regulierung der Finanzmärkte: Die Regulierung der Finanzmärkte geht nur schleppend voran. Wir brauchen einen Turboschub bei der Finanzmarktreform und die sofortige Einführung einer Finanztransaktionssteuer.
  • Symmetrischer Abbau der internen Ungleichgewichte: Der einzige Weg, eine Implosion der Eurozone zu verhindern, ist der Abbau der Leistungsbilanzungleichgewichte. Das heißt: Überschussländer wie Deutschland müssen ihren Binnenkonsum stärken, Defizitländer müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen - insbesondere durch Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung.
  • Koordinierte stabilitätsorientierte Budgetpolitik: Die drohende Rezession mit steigender Arbeitslosigkeit erfordert neue Wachstumsimpulse. Die Budgetpolitik steht daher vor einer doppelten Herausforderung: Budgetkonsolidierung bei gleichzeitiger aktiver Wachstums- und Beschäftigungspolitik.
  • Verteilungsfragen lösen: Die Krise ist durch eine neue Politik der Umverteilung zu meistern: Öffentliche Investitionen für Wachstum und Beschäftigung sollen durch eine deutliche Erhöhung der Steuern auf Vermögen und Spitzeneinkommen gegenfinanziert werden. Denn Steuererhöhungen für die oberen Einkommensgruppen werden überwiegend durch eine Verringerung der Ersparnisse und nur zum Teil durch einen Rückgang der Nachfrage finanziert, während die höheren Staatsausgaben direkt Nachfrage und Beschäftigung schaffen. Mehr Wachstum und Beschäftigung erleichtert wiederum den Schuldenabbau.
  • Neue Wachstumsfelder erschließen: Wir brauchen eine europaweite koordinierte öffentliche Investitionsoffensive. Neben einer stärkeren Ökologisierung unseres Wirtschaftssystems bieten gezielte Investitionen in die soziale Infrastruktur viel Potenzial für Wachstum und Beschäftigung. Beides muss finanziert werden: Durch eine Politik der Umverteilung, aber auch durch eine Herausrechnung dieser produktiven Zukunftsinvestitionen aus der neuen Ausgabenregel.


Politik ist niemals alternativlos. Noch besteht die Chance, das Ruder herumzureißen und eine gefährliche Legitimitätskrise der europäischen Politik zu verhindern. Aber die Uhr läuft. "Die Einigung auf einen Europäischen Zukunftspakt könnte der Wendepunkt zum Besseren in der Krise sein, auf den wir alle sehnlich warten", sagt Tumpel.

     

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