Reform des Wettbewerbs- und Kartellrechts schafft schlagkräftigere Behörden und mehr
Transparenz - Eventueller Preismissbrauch bei Strom und Gas künftig leichter nachweis- und verhinderbar
Wien (bmwfj) - Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Justizministerin Beatrix Karl haben
eine aus drei Gesetzen bestehende Reform des Wettbewerbs- und Kartellrechts erarbeitet. Die entsprechenden Novellen
wurden am Mittwoch in die fünfwöchige Begutachtung geschickt. „Unser Gesetzespaket schafft schlagkräftigere
Wettbewerbsbehörden und nützt Wirtschaft und Konsumenten. Mehr Markt, Wettbewerb und Transparenz führen
zu niedrigeren Preisen“, betonte Mitterlehner bei einer Pressekonferenz mit Justizministerin Karl am 25.01. „Es
geht um mehr Transparenz, mehr Durchschlagskraft des Kartellgesetzes und gleiche Rahmenbedingungen für alle
Unternehmen. Das ist letztlich im Interesse aller: Es ist gut für Unternehmen, gut für Konsumenten, gut
für Österreich“, so Karl.
Stärkung der BWB / Neue Kronzeugenregelung
Die Novelle des Wettbewerbsgesetzes stärkt die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) als schlagkräftige
Aufgriffs- und Ermittlungsbehörde. „Ihre Ermittlungsbefugnisse werden an jene der EU-Kommission angeglichen
und Auskunftsverlangen können künftig schneller, nämlich per Bescheid, durchgesetzt werden“, betont
Mitterlehner. Bisher war die BWB in diesem Bereich eingeschränkt, weil eine Anrufung des Kartellgerichts notwendig
war. Künftig kann die BWB auch Verwaltungsstrafen von bis zu 50.000 Euro für Auskunftsverweigerungen
sowie unrichtige, irreführende oder unvollständige Auskünfte verhängen.
Mit einer weiteren Neuregelung wird ein zusätzlicher Anreiz für Kronzeugen geschaffen: Der komplette
Erlass der Geldbuße für das Unternehmen ist selbst dann möglich, wenn die BWB bereits einen Verdacht
hat und der Kronzeuge erst danach Beweise vorlegt, die ein Vorgehen gegen das Kartell ermöglichen. Bisher
kam es in einem solchen Fall nur zu einer Minderung der später fälligen Geldbuße. Mit der jetzigen
Reform erfolgt hier eine Anpassung an die auf EU-Ebene geltende Kronzeugenregelung. Darüber hinaus werden
die Rechte der BWB bei Hausdurchsuchungen ausgeweitet und die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden intensiviert.
Vorgesehen ist zudem die gesetzliche Verankerung eines Wettbewerbs-Monitorings. Einen konkreten Vorschlag dafür
soll nun die Wettbewerbskommission, in der neben der Bundesregierung die Sozialpartner vertreten sind, erarbeiten.
Reformen im Strom- und Gasbereich: Umkehr der Beweislast nach deutschem Vorbild
Die Novelle des Nahversorgungsgesetzes soll dafür sorgen, dass die Wettbewerbsbehörden einen eventuellen
Preismissbrauch durch marktbeherrschende Versorger im Strom- und Gasbereich künftig leichter nachweisen bzw.
verhindern können. „Unser Vorbild für diese Neuregelung ist Deutschland. Dort hat sich eine entsprechende
Regelung, die eine Umkehr der Beweislast in Verfahren vorsieht, bewährt“, betont Mitterlehner. Künftig
sollen die zuständigen Wettbewerbsbehörden nur noch den Nachweis erbringen müssen, dass die Preise
höher sind als auf einem vergleichbaren Markt, und dann ein Verfahren einleiten können. Darin muss das
betroffene Energieversorgungsunternehmen nachweisen, ob und inwiefern die höheren Preise auch sachlich gerechtfertigt
sind. Die entsprechende Bestimmung im Nahversorgungsgesetz wird gemäß Begutachtungsentwurf von Juli
2012 bis Dezember 2016 befristet, damit eine Evaluierungsmöglichkeit gegeben ist.
Wirksamere Aufsicht, mehr Transparenz, bessere Durchsetzbarkeit
Der vorliegende Entwurf des Kartellrechts beruht auf drei wesentlichen Eckpfeilern: noch wirksamere und
noch transparentere Aufsicht; mehr Transparenz für Konsumenten und Unternehmen; bessere Durchsetzbarkeit von
Ansprüchen gegen Kartellrechtssünder. „Um die Aufsicht im Kartellrecht noch wirksamer zu gestalten, schließen
wir bisher vorhandene Schlupflöcher“, so die Justizministerin. Bis jetzt wurden Kartelle erst vom Gesetz erfasst,
wenn sie einen gewissen Schwellenwert an Marktdominanz erreicht hatten. So konnten beispielsweise Preisabsprachen
in einigen Fällen nicht geahndet werden. In Zukunft können im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage keinesfalls
Preisabsprachen, die Einschränkung der Erzeugung oder des Absatzes oder die Aufteilung der Märkte vom
Kartellverbot ausgenommen werden.
„Um mehr Transparenz für Konsumenten und Unternehmen zu schaffen sollen künftig Entscheidungen des Kartellgerichts
von Amtswegen und ohne Kostenersatz in der Ediktsdatei veröffentlicht werden. Häufig fehlten den Geschädigten
bisher die notwendigen Informationen, um ihre Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Mit dieser Regelung
und einer besseren Durchsetzbarkeit von Ansprüchen schaffen wir Abhilfe“, betont Karl. Es wird eine eigene
konkretisierende Bestimmung eingeführt, um ein wirksames zivilrechtliches Sanktionensystem aufzubauen.
Auch bei der Frage nach der Höhe des Schadenersatzes gibt es wesentliche Verbesserungen: Bei der Entscheidung
über den Umfang des Schadens kann der anteilige Gewinn des Unternehmens berücksichtigt werden. Schon
ab Eintritt des Schadens (nicht wie bisher ab Kenntnis von Schaden und Schädiger) hat das Unternehmen die
Schadenersatzforderung des Geschädigten zu verzinsen. Und Schadenersatzansprüche können künftig
nicht mehr durch lange Verfahren verjähren: Die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs wird durch ein
Verfahren vor dem Kartellgericht, vor der Europäischen Kommission oder vor der Wettbewerbsbehörde gehemmt.
“Wir stellen mit diesem Gesetzesvorschlag einen gut funktionierenden Wettbewerb klar in den Mittelpunkt. Denn fairer
Wettbewerb ist gut für Wirtschaft und Konsumenten“, schloss Karl. |