OECD-Länderbericht zur Schweizer Wirtschaftspolitik   

erstellt am
25. 01. 12

Trotz guter Wirtschaftsleistung sind weitere Reformschritte angezeigt
Bern (evd) - Die starke Aufwertung des Schweizer Frankens spricht für eine weiterhin grosszügige Geldversorgung, so die konjunkturpolitische Empfehlung im neusten OECD-Bericht zur Wirtschaftspolitik der Schweiz. Der Bericht ortet allerdings Hinweise auf eine mögliche Immobilienmarktblase und erachtet die Einführung neuer makroprudentieller Instrumente als wichtig. Die Anreize für die Haushalte, sich zu verschulden, sollten generell reduziert werden. Zur Begrenzung finanzieller Risiken sollte die Regulierung der Grossbanken weiter gehen als vom Parlament vorgesehen. Zur Verbesserung der Wachstumschancen der Schweizer Wirtschaft empfiehlt die OECD weiter eine Steuerreform und kostenwirksamere Strategien zum Abbau der Treibhausgasemissionen. Der Bericht ist am 24. Januar 2012 in Gegenwart von Bundesrat Johann Schneider-Ammann durch OECD-Generalsekretär Angel Gurría in Bern vorgestellt worden.

Die OECD bescheinigt der Schweiz in ihrem neusten Länderbericht, dass die wirtschaftliche Erholung nach der Krise breit abgestützt war. Das Potenzialwachstum sei infolge der Krise nicht zurückgegangen und dank dem Zustrom ausländischer Arbeitskräfte sei die Wirtschaftsleistung gestützt worden. Die grosse weltweite Nachfrage nach Schweizer Waren und Dienstleistungen habe die durch die starke reale Aufwertung des Wechselkurses verschlechterte preisliche Wettbewerbsfähigkeit zwar teilweise wettgemacht, die Exporte hätten in jüngster Zeit jedoch nachgegeben. Binnenorientierte Branchen profitierten von ungewöhnlich tiefen kurz- und langfristigen Zinssätzen. Die niedrigen Zinsen hätten zu einem Hypothekenboom und steigenden Immobilienpreisen geführt. Überhitzungserscheinungen in einigen regionalen Immobilienmärkten seien erkennbar. Auf Grund der hohen Bruttoverschuldung der Haushalte könnten sich die Risiken bei einer drohenden Immobilienpreisblase für kleinere, binnenmarktorientierte Banken erhöhen.

Wachstumsfördernde Steuerreform
Im Kapitel zur Fiskalpolitik stellt die OECD fest, dass die Steuerlast in der Schweiz im internationalen Vergleich zwar niedrig sei. Angesichts der hohen obligatorischen Beiträge für das Gesundheits- und Vorsorgesystem müsse dies allerdings relativiert werden. Die OECD empfiehlt der Schweiz eine Steuerreform, um die Wachstumsaussichten zu verbessern. Die Besteuerung des persönlichen Einkommens soll verringert werden zugunsten einer stärkeren Besteuerung von Waren und Dienstleistungen. Die Ausweitung der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer und die Erhöhung des Standard-Mehrwertsteuersatzes würden sich im Urteil der OECD wachstumsfördernd auswirken, und weniger Verzerrungen hervorrufen. Massnahmen, die den Verlust an Realeinkommen bei Haushalten mit tiefem Einkommen abfedern, könnten eine solche Reform begleiten. Eine weitere Empfehlung geht dahin, dass die lokalen Behörden bei der Erhebung von Immobiliensteuern keinen Beschränkungen mehr unterliegen sollten. Dies würde höhere Einnahmen aus Immobiliensteuern generieren und damit die Einnahmensausfälle wegen verringerter Einkommenssteuern auf lokaler Ebene teilweise ersetzen. Indem das Steuersystem Anreize für die Haushalte schafft, sich zu verschulden, könnte dieses eine zukünftige Periode finanzieller Instabilität verschlimmern. Die OECD empfiehlt deshalb, die grosszügigen Bestimmungen beim Abzug von Schuldzinsen vom steuerbaren Einkommen einzuschränken. In einem zweiten Schritt sollte dann auch die Besteuerung des Eigenmietwerts wegfallen. Neben den Verschuldungsanreizen führe die fiskalische Behandlung von Liegenschaftsaufwendung auch zu einer Umverteilung der Einkommen zugunsten vermögender Haushalte.

Abbau finanzieller Risiken dank griffiger Finanzmarktregulierung
Das zweite Kapitel geht der Frage nach, wie die Risiken im Finanzsystem für die Steuerzahler und die Wirtschaft reduziert werden können. Für die OECD steht die Regulierung der immer noch stark fremdfinanzierten Grossbanken im Zentrum. Als Antwort auf diese Empfehlung hat das Parlament eine Regulierung der Grossbanken verabschiedet, die beträchtliche Fortschritte beim Umgang mit diesen Risiken bringe. Die OECD empfiehlt dem Gesetzgeber, von den beiden Grossbanken eine strengere Leverage Ratio über dem vorgesehenen Niveau von rund 5 % abzuverlangen. Auch sollte das harte Kernkapital (Common Equity) einen grösseren Anteil der Eigenmittelanforderungen ausmachen. Glaubwürdige und international koordinierte Notfallpläne zur Aufrechterhaltung systemkritischer Funktionen (wie Zahlungsverkehr und Teile des inländischen Kreditgeschäfts) im Falle einer drohenden Insolvenz sollten Voraussetzung sein für die Gewährung von Eigenmittelrabatten. Untersuchungen hätten gezeigt, dass höhere Eigenmittelanforderungen keine wesentlichen sozialen Kosten in Form von niedrigeren Kreditvolumina hervorrufen würden. Die finanzielle Stabilität könne somit zu geringen Kosten beträchtlich verbessert werden. Die OECD empfiehlt zudem die Einführung von makroprudentiellen Instrumenten, um das Entstehen von Ungleichgewichten wie ein übermässiges Kreditwachstum einzudämmen.

Kostenwirksamere Strategien zur Reduktion der Treibhausgasemissionen
Im Kapitel zur Schweizer Klimapolitik anerkennt die OECD zwar die relativ niedrigen Treibhausgasemissionen in der Schweiz, sieht aber Anpassungsbedarf bei den bestehenden klimapolitischen Massnahmen, wenn die international vereinbarten Reduktionsziele bis 2020 erreicht werden sollen. Insbesondere müsse in drei Bereichen eine höhere Kosteneffizienz der Klimamassnahmen erreicht werden: Erstens könnten mit der Einführung einer CO2-Abgabe auf Treibstoffen die zunehmenden CO2-Emissionen im Strassenverkehr, wo das grösste Potenzial für kostengünstige Emissionsreduktionen in der Schweiz besteht, bekämpft werden. Diese würde am besten mit der Einführung einer zeit- und gebietsabhängigen Staugebühr verbunden. Die OECD empfiehlt zweitens, das Mietrecht weiter zu verbessern (klarere Regeln zur Überwälzung der Kosten von energiesparenden Investitionen) und die CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen zu erhöhen, um die Anreize für Hauseigentümer zu steigern, in energiesparende Renovationen zu investieren. Im Gegenzug liessen sich Einschränkungen bei der Verwendung der Erträge aus der CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen ins Auge fassen. Die Definition energiesparender Renovationen und das zulässige Mass der Mieterhöhungen sollten auf klaren Kriterien wie z.B. den potenziell durch die Renovation realisierbaren Energieeffizienzgewinnen basieren. Drittens begrüsst die OECD die Anstrengungen der Schweizer Regierung, das Schweizer Emissionshandelssystems mit jenem der EU zu verknüpfen, um die klimapolitischen Massnahmen im Industriesektor kostenwirksamer auszugestalten.
     
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