Neues Finanzmodell für Südtirol
Bozen (lpa) - Geht es nach der Landesregierung, soll Südtirol ein neues Finanzmodell bekommen.
Landeshauptmann Luis Durnwalder hat die Grundzüge des neuen Modells heute mit Ministerpräsident Mario
Monti in Rom besprochen. So will das Land Kosten, die der Staat in Südtirol zu tragen hat, übernehmen,
will das Mailänder Abkommen garantiert wissen und fordert, die Lasten der Haushaltssanierung fair zu verteilen.
Mit seinem Amtskollegen Lorenzo Dellai war Landeshauptmann Durnwalder am 02.02. im Chigi-Palast zu Gast, um die
Auswirkungen der Reformen der römischen Regierung auf Südtirol und das Trentino zu diskutieren. "Es
war ein freundschaftliches und sachliches Gespräch, das wir als Basis für eine gute Zusammenarbeit sehen",
so Durnwalder nach dem rund einstündigen Treffen. Schon zuvor hatte der Landeshauptmann klargestellt, dass
man nicht nach Rom gekommen sei, um Privilegien einzufordern. "Was wir fordern, ist vielmehr, dass unser Autonomiestatut
eingehalten wird, und es ist sicher auch im Sinne des Staates, diese Forderung nicht vor Gericht ausfechten zu
müssen, sondern auf der Grundlage der bestehenden Vereinbarungen", so Durnwalder, der von Monti auch
die Zusage bekommen hat, dass die Regierung die im Statut festgeschriebenen Rechte nicht antasten wolle.
Im Mittelpunkt der Aussprache, an der von römischer Seite neben Monti auch Piero Giarda, Minister für
die Beziehung zum Parlament, Vittorio Grilli, Vizeminister im Wirtschaftsministerium, sowie Staatssekretär
Antonio Catricalà teilgenommen haben, stand zunächst der Vorschlag eines neuen Finanzmodells für
Südtirol und das Trentino. "Wir haben Ministerpräsident Monti versichert, dass wir unseren Beitrag
zur Sanierung des Staatshaushalts leisten werden, allerdings auf der Grundlage unseres Autonomiestatuts und mit
Blick darauf, was wir bereits an Opfern gebracht haben", so der Landeshauptmann.
So wurde Monti heute daran erinnert, dass das Land bereits mit dem Mailänder Abkommen auf 518 Millionen Euro
jährlich an Transferzahlungen aus Rom verzichtet habe. Dazu kämen 2012 611 Millionen Euro, die als Folge
der verschiedenen Sparpakete der Regierungen in Rom im Landeshaushalt fehlten. "Das Problem ist, dass diese
Sparmaßnahmen einseitig von Rom dekretiert worden sind, was dem Autonomiestatut zuwider läuft, das das
vorher einzuholende Einverständnis der Länder verlangt", so Durnwalder. Monti habe eingestanden,
dass beim Erlass der Sanierungsregelungen Eile geboten und daher keine Verhandlungen mit den autonomen Ländern
möglich gewesen seien. Man hat sich daher heute darauf geeinigt, diese Verhandlungen bereits in den nächsten
Tagen aufzunehmen, und zwar auf politischer wie auf Beamtenebene.
Durnwalder und Dellai haben indes bereits einen Vorschlag bei Ministerpräsident Monti deponiert. Demnach wären
die beiden Länder bereit, Kosten zu übernehmen, die der Staat derzeit in Südtirol und im Trentino
zu tragen hat, etwa für die Dienste, die der Staat in den Ländern aufrecht erhält. Im Gegenzug würde
der Staat die beiden Länder von der Pflicht befreien, an künftigen Haushaltssanierungen teilhaben zu
müssen. Darüber hinaus fordern die Länder die Einhaltung (und Anpassung) des Mailänder Abkommens,
die Übertragung der Zuständigkeiten für die außerordentlichen Maßnahmen zugunsten der
Opfer der Wirtschaftskrise, eine Klärung der Zuständigkeiten in Steuerfragen sowie eindeutige Regelungen
in Sachen Sondersteuern zur Haushaltssanierung und Stabilitätspakt. "Es müssen klare Regeln gelten,
damit unser Finanzystem funktionieren kann", so der Landeshauptmann.
Insgesamt zieht Durnwalder eine positive Bilanz des heutigen Treffens: "Die Regierung Monti ist bereit, über
eine Entwicklung unserer Autonomie zu verhandeln und so eine neue Phase einzuläuten", so der Landeshauptmann.
"Wenn diese Bereitschaft bestehen bleibt, dann denke ich, dass wir gut zusammenarbeiten werden."
Statut-Durchführung und Ansprechpartner
Viele der derzeitigen Unstimmigkeiten zwischen der römischen Regierung und den Ländern Südtirol
und Trentino seien darauf zurückzuführen, dass ein direkter Austausch mit der Regierung fehle: "Wir
haben heute gefordert, verstärkt und rechtzeitig einbezogen zu werden, damit wir unsere Vorstellungen einbringen
können, bevor Entscheidungen getroffen werden", so Landeshauptmann Durnwalder nach dem Treffen. Ein erster
konkreter Schritt besteht nun in der heute getroffenen Vereinbarung, einen Ansprechpartner in der Regierung zu
bekommen, den der Ministerpräsident bereits in den kommenden Tagen namhaft machen wird.
Der direkte Draht zur Regierung ist nötig, weil das Spektrum der offenen Fragen zwischen Bozen, Trient und
Rom nicht nur das neue Finanzmodell bzw. den Beitrag der beiden Länder zur Sanierung des Staatshaushalts umfasst:
"Es gibt vielmehr eine ganze Reihe von immer noch offenen Fragen, die beantwortet werden müssen",
so der Landeshauptmann, der Monti und seinen Ministern heute eine entsprechende Auflistung übergeben hat.
Darin scheint etwa die Forderung nach einer schnellen Verabschiedung der Durchführungsbestimmungen zum dritten
Staatsrat, zur Zweisprachigkeit bei Wettbewerben für Stellen bei Gericht sowie zur künftigen organisatorischen
Ausrichtung des Nationalparks Stilfser Joch auf. Im heute übergebenen Promemoria findet sich zudem das Ersuchen,
die Sechserkommission schnellstmöglich in ihrer bisherigen Zusammensetzung zu bestätigen oder neu zu
besetzen.
Das Einverständnis des Staates fehlt darüber hinaus auch zum Vorschlag der Landesregierung, den Postdienst
in Südtirol zu übernehmen, die Müllsammlung und -verwertung selbst zu regeln oder künftig die
deutschen und ladinischen Programme der RAI zu finanzieren. Schließlich fordern beide Länder den Aufschub
des Wettbewerbs zur Neuausschreibung der Betriebskonzession für die Brennerautobahn. "Ein solcher Aufschub
ist notwendig, wenn wir mit der Regierung eine für beide Seiten optimale Lösung finden wollen, die vor
allem den Schutz der Umwelt sowie die Querfinanzierung des BBT sicherstellt", so Durnwalder. |