Hochdotierte Förderpreise für Forscherinnen der TU Wien   

erstellt am
31. 01. 12

Wien (tu) - Die Grants des European Research Council (ERC) gehören zu den höchstdotierten Förderpreisen der europäischen Forschungslandschaft. Die TU Wien beherbergt derzeit neun laufende ERC-Projekte, zwei von ihnen werden von Frauen geleitet: Die Physikerin Prof. Ulrike Diebold wurde nun mit einem ERC-Grant für Oberflächenforschung ausgezeichnet. Prof. Silke Bühler-Paschen leitet seit 2009 das ERC-Projekt „Quantum Puzzle“.

Prof. Ulrike Diebold und Prof. Silke Bühler-Paschen wurden am 31.01.2012 bei einem Pressegespräch im Beisein von Rektorin Sabine Seidler und ERC-Präsidentin Helga Nowotny vorgestellt. Die beiden Physikerinnen gewährten dabei auch einen Blick in ihre Labors.

Zur Forschungsarbeit der neuen ERC-Preisträgerin Prof. Ulrike Diebold:

Bis an die Oberfläche und noch viel, viel weiter
Prof. Ulrike Diebold von der TU Wien erhält ein hochdotierten ERC-Grant für Oberflächenforschung. Ihre Forschungen über Metalloxide sind von großer Bedeutung für Anwendungen in der Industrie. Durch das zusätzliche Geld des ERC-Grants kann die Forschung nun intensiviert werden.

Die Welt, die wir wahrnehmen, ist eine Welt der Oberflächen. Wir sehen den schimmernden Glanz von Metall, die halbtransparenten Reflexionen auf Glas, die matte Struktur von Kunststoff. Für viele wichtige Effekte ist die atomare und elektronische Struktur von Oberflächen verantwortlich – und trotzdem weiß man nach wie vor über Oberflächen weniger als über das Innere von Materialien. Der Grund dafür ist klar: „Oberflächen sind eben komplizierter“, meint Prof. Ulrike Diebold von der TU Wien. In ihrem Labor untersucht sie auf atomarer Skala die Vorgänge, die sich auf der Oberfläche von Metalloxiden abspielen und oft auch das Innere des Materials beeinflussen. Das European Research Council (ERC) hat der TU-Forscherin nun eines der begehrten „ERC Advanced Grants“ zugesprochen – dotiert mit 2.5 Millionen Euro.

Metall und Sauerstoff
Die allermeisten Metalle oxidieren an der Luft, was für physikalische Experimente oft recht unangenehm ist. Für Ulrike Diebold sind Metalloxide allerdings kein unerwünschtes Nebenprodukt, sondern ein spannendes Forschungsgebiet. „Als ich vor zwanzig Jahren begann, mich mit diesen Materialien auseinanderzusetzen, war das ein eher exotisches Forschungsfeld. Heute interessiert man sich auf der ganzen Welt dafür“, meint sie. Das liegt nicht nur daran, dass Metalloxide so häufig vorkommen, sondern auch daran, dass sie für industrielle Anwendungen äußerst nützlich sind.

Ein gerne verwendetes Material ist beispielsweise Titanoxid (TiO2). Es ist ungiftig und billig herzustellen. Wegen seiner strahlend weißen Farbe nutzt man es oft als Pigment (zum Beispiel in Zahnpasta), und weil es sehr gut mit biologischem Gewebe kompatibel ist, lässt es sich zur Beschichtung von Implantaten wie etwa Hüftgelenken verwenden. Dass Titanoxid heute sehr häufig eingesetzt wird bedeutet aber noch lange nicht, dass man auch genau verstanden hat, welche chemischen und physikalischen Prozesse die Eigenschaften dieser Substanz bestimmen: „In der Industrie ist man oft einfach auf Versuch und Irrtum angewiesen“, meint Ulrike Diebold. „Wir hingegen können Metalloxid-Oberflächen Atom für Atom untersuchen und genau herausfinden, was dort geschieht.“

High-Tech-Oberflächen für selbstreinigenden Baumwollpullover?
So wurde in Diebolds Arbeitsgruppe etwa untersucht, wie Titanoxid als Photokatalysator eingesetzt werden kann: Katalysatoren sind Stoffe, die dafür verwendet, chemische Reaktionen zwischen anderen Substanzen zu ermöglichen oder zu erleichtern. Photkatalysatoren machen das nur dann, wenn sie mit Licht bestrahlt werden – ihre Aktivität lässt sich also durch Licht gezielt einschalten. Dadurch konnte eine Beschichtung für Baumwollfasern entwickelt werden, die unter Einwirkung von Sonnenlicht Verschmutzungen ganz von selbst zersetzt.

„Elektronische Nase“
Metalloxide werden auch als Sensoren für bestimmte Gase eingesetzt. Lagert sich etwa das gesundheitsschädliche CO auf der Oberfläche ab, kommt es in bestimmten Materialien zu atomaren und elektronischen Umordnungen. „Das ändert die elektrische Leitfähigkeit des Materials, und so kann man ganz einfach einen Sensor bauen, der zum Beispiel Alarm schlägt, wenn die Gasleitung leck ist und sich Kohlenmonoxid in der Küche ausbreitet“, erklärt Ulrike Diebold.

Ganz perfekte Oberflächen gibt es kaum – und sie sind auch nicht besonders interessant. „Uns interessieren oft eher die Defekte an der Oberfläche“, erzählt Diebold. „Kleine Störungen auf atomarer Ebene können große Auswirkungen haben.“ Ein wichtiges Arbeitsgerät ist für sie das Rastertunnelmikroskop. „Damit können wir einzelne Defekte studieren, Moleküle auf die Oberfläche setzen und direkt beobachten, was dann passiert.“

Hochdotierter ERC-Grant für TU-Forscherin
Der ERC Advaced Grant „Oxide Surfaces“ wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC) vergeben – einer Institution zur Finanzierung von Grundlagenforschung, gegründet von der Europäischen Kommission. „Der ERC Grant ermöglicht uns nun, unsere Forschung ganz entscheidend auszubauen“, freut sich Ulrike Diebold. In den nächsten Jahren wird es möglich sein, mehrere zusätzliche Arbeitsplätze in der Forschungsgruppe zu finanzieren. Diebolds konkrete Forschungspläne sind ambitioniert: Sie will nicht nur die bisherige Arbeit mit Metalloxiden weiterführen, sie will auch ternäre Verbindungen studieren – also Verbindungen, die nicht nur aus einem Metall und Sauerstoff bestehen, sondern aus drei verschiedenen Elementen. Außerdem soll es möglich werden, Oberflächeneffekte nicht nur im Vakuum oder an der Luft zu studieren, sondern hochauflösende Mikroskop-Aufnahmen von Oberflächen in flüssigen Lösungen zu erstellen. „Wenn uns das gelingt, eröffnen sich für unsere Oberflächenforschung ganz neue Möglichkeiten“, ist Diebold zuversichtlich.
     
zurück