Linz (jku) - Jugendlichen ohne Ausbildung, Betreuung oder Job wurde bisher
in Österreich kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Die erste heimische Studie über diese sogenannten NEET-Jugendlichen
("Not in Education, Employment and Training") wurde nun von Prof. Johann Bacher vom Institut für
Soziologie der JKU erstellt. Das schockierende Ergebnis: Österreichweit fallen ca. 75.000 junge Menschen in
diese Kategorie, allein in Oberösterreich sind es rund 11.000.
"Im Unterschied zu angelsächsischen Ländern wurde diese Gruppe bisher nicht genau analysiert",
sieht Prof. Bacher großen Aufholbedarf. Gemeinsam mit Mag. Dennis Tamesberger von der Arbeiterkammer Oberösterreich
wurden erstmals Zahlen erhoben und Risikogruppen ermittelt. "Ausgehend vom Mikrozensus konnten wir die NEET-Jugendlichen
zwischen 16 und 24 Jahren festmachen. Diese gehen weder zur Schule noch sind sie erwerbstätig oder in einer
Trainingsmaßnahme. Ausgenommen sind natürlich jene Jugendlichen, die gerade Wehr- oder Zivildienst leisten",
so Bacher. Sie stammen vor allem aus armen und bildungsfernen Familien. "Fehlender Zugang zu Bildung wird
sozial vererbt", erklärt Bacher. In der Konsequenz schlagen sich NEET-Jugendliche mit schlecht bezahlten
Gelegenheitsjobs durch oder leben von den Eltern und Sozialleistungen. "Aus diesem Rad auszubrechen ist sehr
schwer", weiß der JKU-Forscher.
Besonders betroffen sind Jugendliche mit Beeinträchtigungen und Migranten. "Diese Gruppen sind allgemein
am Arbeitsmarkt stark benachteiligt, selbst bei mittlerer oder hoher Qualifikation. Vor allem aber Einwanderer
der ersten Generation, die oft nicht gut deutsch können, haben besonders schlechte Karten."
Ganztagsschulen gefordert
Fast 20 Prozent der jugendlichen Migranten sind NEET-Teenager - vor allem Mädchen. "Im Österreichschnitt
sind es ca. 7 bis 8 Prozent", weiß Bacher. "Auch wenn Österreich damit besser dasteht als
andere europäische Länder wie z.B. Frankreich, Belgien oder Großbritannien", sieht der Soziologe
dringenden Handlungsbedarf gegeben. "Die Ganztagsschulen müssen ausgebaut werden, um leistungsschwächere
Schüler besser fördern zu können. Hier gibt es gerade bei den Hauptschulen großen Aufholbedarf.
Während etwa zwei Drittel der Gymnasien eine Nachmittagsbetreuung anbieten, sind es bei den Hauptschulen nur
12 Prozent. Auch müssen Förderprogramme für Einwanderer aller Alterstufen gestärkt werden.
Und Jugendliche, die es besonders schwer haben, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, brauchen bessere Betreuung.
Ein flächendeckendes Case-Management sollte etabliert werden, um ständige Bezugspersonen und individuelle
Unterstützung auch nach dem Ende von Einzelmaßnahmen bieten zu können", fordern Bacher und
Tamesberger. |