Erstmals wird gezeigt, dass Atomkerne transparent werden
Hamburg (idw) - Einem Team von DESY-Wissenschaftlern um Dr. Ralf Röhlsberger gelang es an der
hochbrillanten Synchrotronlichtquelle PETRA III, Atomkerne mit Hilfe von Röntgenlicht transparent zu machen.
Sie entdeckten dabei gleichzeitig ein neues Prinzip, um einen optisch gesteuerten Schalter für Licht herzustellen,
also Licht mit Licht zu beeinflussen, ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu leistungsfähigen Quantencomputern.
Die Forschungsergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals „Nature“ (DOI: 10.1038/nature10741)
präsentiert.
Der Effekt der elektromagnetisch induzierten Transparenz (EIT) ist aus der Laserphysik bekannt. Durch die Einstrahlung
von intensivem Laserlicht kann man ein normalerweise undurchsichtiges Material für Licht einer bestimmten
Wellenlänge transparent machen. Dieser Effekt entsteht durch ein komplexes Wechselspiel des Lichtes mit der
Elektronenhülle der Atome. Die Helmholtz-Forscher um Röhlsberger wiesen jetzt erstmals an der Röntgenquelle
PETRA III bei DESY nach, dass es so einen Transparenzeffekt auch für Röntgenlicht gibt, hier hervorgerufen
durch die Anregung von Atomkernen des Mössbauer-Isotops Eisen-57 (welches zu 2% im natürlichen Eisen
enthalten ist). Im Gegensatz zu herkömmlichen Experimenten brauchten sie dafür nur sehr geringe Lichtintensitäten.
Wie funktioniert das Experiment? Die Forscher platzierten für ihre Experimente zwei dünne Schichten von
Eisen-57 Atomen in einem optischen Resonator, einer Anordnung zweier paralleler Platinspiegel, zwischen denen Röntgenlicht
mehrfach hin und her reflektiert wird. Die beiden jeweils etwa drei Nanometer dicken Schichten von Eisen-57-Atomen
wurden zwischen den beiden Platinspiegeln durch Kohlenstoff, der für Röntgenlicht der verwendeten Energie
durchlässig ist, präzise in Position gehalten. Das so hergestellte Sandwich aus dünnen Schichten,
das nur rund 50 Nanometer dick ist, beleuchteten die Forscher unter sehr kleinen Einfallswinkeln mit einem äußerst
dünnen Röntgenstrahl der Synchrotronlichtquelle PETRA III. Das Licht wird innerhalb dieses Spiegelsystems
etliche Male hin- und her reflektiert und bildet eine stehende Welle, eine sogenannte Resonanz. Stehen die Wellenlänge
des Lichts und die Abstände der beiden Eisenschichten in diesem optischen Resonator im richtigen Verhältnis
zueinander, können die Forscher beobachten, dass das Eisen für das Röntgenlicht fast vollständig
durchsichtig wird. Dafür muss eine Eisenschicht genau im Minimum (Knoten) der Lichtresonanz liegen, die zweite
genau im Maximum. Verschiebt man die Schichten innerhalb des Resonators, wird das System sofort wieder undurchsichtig.
Die Forscher machen für diese Beobachtung einen quantenoptischen Effekt verantwortlich, der durch das Zusammenspiel
der Atome in den Eisenschichten hervorgerufen wird. Anders als bei einzelnen Atomen absorbieren und strahlen hier
die Atome einer Schicht gemeinsam im Ensemble. Die Schwingungen der Eisenatome in den beiden Schichten kompensieren
sich dabei gegenseitig, so dass das eingestrahlte Licht ungehindert passieren kann: Das Eisen erscheint durchsichtig.
Im Gegensatz zu bisherigen Experimenten sind nur wenige Lichtquanten erforderlich, um diesen Effekt hervorzubringen.
„Unsere Transparenz von Atomkernen ist quasi der EIT-Effekt im Atomkern“, erläutert Röhlsberger die Experimente.
„Der Weg zum Lichtquanten-Computer ist sicherlich noch sehr weit. Aber mit dem Effekt ermöglichen wir eine
ganz neue Klasse von quantenoptischen Experimenten höchster Empfindlichkeit. Mit dem gerade hier in Hamburg
entstehenden Röntgenlaser European XFEL sollte es dann tatsächlich möglich sein, Röntgenlicht
mit Röntgenlicht zu steuern.“
Doch auch das Quanten-Computing ist durch dieses Experiment einen deutlichen technischen Schritt vorangekommen:
Neben der prinzipiellen Möglichkeit, Material mit Hilfe von Licht transparent zu machen, ist für eine
spätere technische Umsetzung auch die Intensität des Lichts entscheidend. Jedes zusätzliche Lichtquant
im Computer bedeutet zusätzliche Abwärme, die durch die Nutzung des jetzt entdeckten Effekts minimiert
würde.
Zur Weiterführung der Experimente und optimalen Ausnutzung der winzigen Röntgenstrahlgröße
der hochbrillanten Röntgenquelle PETRA III wird bei DESY zurzeit eine neue Beschichtungsanlage zur Herstellung
und Optimierung dieser Art optischer Resonatoren installiert.
In den Experimenten der DESY-Wissenschaftler zeigte sich außerdem eine weitere Parallele zum EIT-Effekt:
Das im optischen Resonator gefangene Licht breitet sich nur noch mit einer Geschwindigkeit von wenigen Metern pro
Sekunde aus – normalerweise sind es knapp 300 000 Kilometer pro Sekunde. Wie langsam das Licht in diesem Fall wirklich
wird, und ob man diesen Effekt ebenfalls wissenschaftlich nutzen kann, wollen die Forscher in Folgeexperimenten
klären. Eine mögliche Anwendung und gleichzeitig ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum optischen Quantencomputer
ist beispielsweise die Speicherung von Informationen in Form extrem langsamer oder gar gestoppter Lichtpulse. |