Paris/Berlin (oecd) - Die Leistungen österreichischer Schüler hängen stärker von
der sozialen Herkunft ab als in vielen anderen Industrieländern. Der heute veröffentlichte OECD-Bericht
„Equity and Quality in Education: Supporting Disadvantaged Students and Schools” appelliert daher, bereits begonnene
Reformen weiterzuverfolgen und Schulen mit vielen benachteiligten Schülern stärker zu unterstützen.
Gezielte Maßnahmen für schwache Schüler oder Schulen, könnten die Zahl der Schulabbrecher
senken sowie das Wirtschaftswachstum und eine gerechtere Gesellschaft fördern, argumentiert der Bericht. Österreich
ist eines von neun OECD-Ländern, die an der Studie teilgenommen haben.
Die PISA-Tests belegen, dass vielen Schülern in der OECD grundlegende Fähigkeiten fehlen, um ihr Leben
erfolgreich zu meistern. Im OECD-Schnitt verlässt zum Beispiel beinahe jeder fünfte Schüler die
Schule ohne Sekundarabschluss. Österreich hat mit zwölf Prozent erfolgloser Schulabgänger in der
Gruppe der 25-34-Jährigen zwar eine relativ gute Stellung, aber auch hier kommen die meisten Schulabbrecher
aus armen oder bildungsfernen Familien oder haben einen Migrationshintergrund. Kinder aus schwierigen sozialen
Verhältnissen gehen zudem häufiger in Schulen, die nur über geringe Mittel verfügen. Hinzu
kommt, dass sich die Eltern private Nachhilfe oft nicht leisten können.
Eine Reihe von Maßnahmen könnte zu mehr Gleichheit im Bildungssystem beitragen:
- Das Wiederholen von Schuljahren ist kostenintensiv und führt häufig dazu, dass die sozio-ökonomischen
Unterschiede noch stärker ins Gewicht fallen. 12,6 Prozent aller 15-Jährigen Österreicher haben
mindestens eine Klassenstufe doppelt absolviert, etwa so viele wie im OECD-Schnitt. Vor einem Jahr kündigte
die österreichische Regierung an, das Sitzenbleiben in der Oberstufe abzuschaffen. Diese Entwicklung ist vielversprechend
und sollte auch auf andere Jahrgangsstufen ausgeweitet werden.
- Eine frühe Einteilung der Schüler (in Österreich zu Haupt-, Sonderschule oder AHS) demotiviert
Schüler, die einer weniger angesehenen Schulform zugeteilt werden. Diese Auswahl findet in Österreich
schon bei 10-Jährigen statt – früher als in den meisten anderen OECD-Ländern. Ein erster Schritt
in Richtung längeres gemeinsames Lernen ist die Gründung Neuer Mittelschulen, die in den kommenden Jahren
die Hauptschule völlig ersetzen sollen. Die Reformen lassen allerdings die allgemein bildende höhere
Schule außen vor, was die Chancengleichheit an österreichischen Schulen weiterhin beeinträchtigt.
- Die Wahl der Schulen durch Eltern verstärkt die soziale Trennung. In Österreich schicken gerade Eltern
in Großstädten ihre Kinder häufig zu Privatschulen. Auswahlverfahren, die Elternwünsche und
soziale Aspekte miteinander vereinbaren, könnten helfen, die Chancengleichheit zu erhöhen. Eine weitere
Möglichkeit bestünde darin, Anreize für Schulen zu schaffen, die benachteiligte Schüler aufnehmen
und sozial schwache Familien besser über die schulischen Möglichkeiten ihrer Kinder zu informieren.
- Finanzentscheidungen sollten so getroffen werden, dass eine qualitativ hochwertige Betreuung von frühster
Kindheit an gewährleistet ist. Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass sich Österreich entschieden
hat, den Kindergartenbesuch für Fünfjährige kostenfrei und verpflichtend zu gestalten. Auf der anderen
Seite werden in Österreich nur vergleichsweise wenige Kinder unter drei Jahren außer Haus betreut –
eine höhere Beteiligung gerade sozial schwacher Kinder wäre für die Familien und die Gesellschaft
von Vorteil.
- Der erfolgreiche Abschluss der Sekundarstufe gilt in der OECD als Grundlage für eine solide berufliche
Laufbahn. Österreich hat, nicht zuletzt durch seine duale Berufsausbildung, eine verhältnismäßig
hohe Abschlussquote – mit durchaus positiven Auswirkungen auf die Beschäftigungsschancen junger Menschen.
Allerdings könnte eine strukturiertere Beratung Jugendlichen und jungen Erwachsenen dabei helfen, die vielfältigen
Möglichkeiten der Sekundarstufe kennenzulernen und die passende (Berufs-)Ausbildung zu wählen.
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