Linz (jku) - Je höher die Bildung einer Frau ist, desto weniger Kinder bekommt sie - diese Annahme
wird durch zahlreiche Untersuchungen belegt. Scheinbar. Denn eine Studie des Instituts für Volkswirtschaftslehre
der JKU bringt diese Theorie gehörig ins Wanken.
"Zwar bekommen höher gebildete Frauen wirklich weniger Kinder. Aber ob die Bildung der Grund dafür
ist, muss bezweifelt werden", so Prof. Rudolf Winter-Ebmer. "Ebenso wäre es möglich, dass frühe
Schulabgängerinnen generell größere Familien bevorzugen oder dass die Geburt eines Kindes die weitere
schulische Karriere einer jungen Mutter negativ beeinflusst", sieht Winter-Ebmer eine "Henne-oder-Ei"-Problematik.
Gemeinsam mit Margherita Fort aus Bologna und Nicole Schneeweis aus Linz hat der Ökonom die Daten von mehr
als 6.000 Frauen aus acht europäischen Ländern untersucht und Änderungen der gesetzlichen Schulpflicht
ausgewertet, die sich zwischen 1942 und 1967 ereignet haben.
Überraschendes Ergebnis
"Durch diese historische Situation lässt sich der kausale Effekt einfach durch einen Vergleich
der Fertilitätsraten verschiedener Gruppen nachweisen", erklärt der Ökonom. Das Ergebnis: Entgegen
der vorherrschenden Meinung haben Frauen mit höherer Bildung sogar mehr Kinder geboren. Und das ziemlich deutlich.
"Die Resultate dieser Studie sind sehr eindeutig. Wenn man die verpflichtende zusätzliche Schulbildung
betrachtet, also jene Frauen, die ihre Schulbildung aufgrund der Verlängerung der gesetzlichen Schulpflicht
ausweiten mussten, dann bewirkt eine Verlängerung der Ausbildung nicht weniger, sondern mehr Kinder",
so Winter-Ebmer. Ein zusätzliches Jahr an Schulbildung reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass die Frau kinderlos
bleibt, um ca. zehn Prozent; jede fünfte Frau bekommt aufgrund der höheren Bildung ein zusätzliches
Kind. "Eine Verlängerung der Schulpflicht sollte generell nur Frauen mit geringer Schulbesuchsneigung
beeinflussen. Für diese Frauen bedeutet die höhere Bildung eine Chance auf höheres Einkommen, wodurch
sie sich mehr Kinder leisten können. Gegenläufige Effekte - weniger Fertilität durch stärkere
Erwerbsbeteiligung - sind offenbar nicht so stark ausgeprägt", erklärt der Forscher das Resultat.
Bessere Heiratschancen durch Bildung
Darüber hinaus zeigt die Studie, dass zusätzliche Schulbildung auch zu einer höheren Heiratswahrscheinlichkeit
und zu einer niedrigeren Scheidungs- und Trennungsrate sowie zu einem besser ausgebildeten Partner führt.
"Man könnte sagen, dass ein Teil des Resultates durch den Einkommenseffekt auf dem Arbeitsmarkt und ein
weiterer Teil durch den ‚Heiratsmarkt' zustande kommt", differenziert der JKU-Forscher. |