Konsultation zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts   

erstellt am
20. 02. 12

Brüssel (ec.europa) - Die Europäische Kommission hat am 20.02. eine eingehende Konsultation zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts eingeleitet. Europa braucht einen gesellschaftsrechtlichen Rahmen, der den aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen und neuen Entwicklungen im wirtschaftlichen Umfeld gerecht wird. Das Gesellschaftsrecht der EU war für die Schaffung des Binnenmarkts von zentraler Bedeutung. Jetzt sollte jedoch überprüft werden, ob der bestehende Rechtsrahmen noch den aktuellen Erfordernissen entspricht. Die Kommission hat daher im Internet ein Konsultationspapier veröffentlicht, um Stellungnahmen aller beteiligten Akteure einzuholen. Die Frist für die Einreichung von Beiträgen endet am 14. Mai 2012.

Das europäische Gesellschaftsrecht ist ein gemeinsames Regelwerk, das Anteilseignern, Gläubigern und anderen Akteuren, die von unternehmerischen Handlungen betroffen sein können, in der gesamten EU einen gleichwertigen Schutz bietet. Das Gesellschaftsrecht ist für die Rechtssicherheit und den Schutz der Rechte der Anteilseigner von entscheidender Bedeutung. Zwar ist es wichtig, unterschiedliche rechtliche Traditionen und Unternehmensstrukturen der Mitgliedstaaten zu respektieren. Doch harmonisierte grundlegende Regeln können es den Unternehmen erleichtern, ihre Dienstleistungen und Produkte in der gesamten Europäischen Union anzubieten. Der zunehmende grenzübergreifende Handel und die Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs eröffnen Unternehmen und Verbrauchern vielfältige Möglichkeiten, sind jedoch auch mit neuen Anforderungen an den gesellschaftsrechtlichen Rahmen verbunden. Daher sollte geprüft werden, wie der vorhandene Rahmen an die Entwicklungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden könnte. Neue Herausforderungen machen es zudem erforderlich, das Gesellschaftsrecht nicht nur aus einer rein rechtlichen Perspektive zu betrachten, sondern auch die Aspekte der Corporate Governance, der sozialen Verantwortung der Unternehmen und ihrer zentralen Rolle bei der Förderung von Wachstum und Innovationen einzubeziehen.

Der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier erklärte dazu: „Die Gestaltung der EU-Politik im Bereich des europäischen Gesellschaftsrechts ist eine große Aufgabe, der wir uns stellen müssen. Ein wirksamer gesellschaftsrechtlicher Rahmen erleichtert den Unternehmen einen EU-weiten Ausbau ihrer Geschäftstätigkeit – zum Vorteil ihrer Anteilseigner und Kunden. Angesichts der Änderungen im gesellschaftsrechtlichen Umfeld müssen wir prüfen, wie wir unseren Rechtsrahmen sinnvoll an diese neuen Entwicklungen anpassen können. Ich würde mich daher freuen, wenn die beteiligten Akteure möglichst zahlreich an der heute eingeleiteten öffentlichen Konsultation teilnehmen.“

Worum geht es bei dieser öffentlichen Konsultation?
Im Rahmen der Konsultation werden Beiträge sowohl zur allgemeinen Ausrichtung des europäischen Gesellschaftsrechts als auch zu möglichen konkreten künftigen Initiativen erbeten. Dabei werden folgende Fragen behandelt:

  • Ziele und Anwendungsbereich des europäischen Gesellschaftsrechts – Welche Hauptziele sollte das europäische Gesellschaftsrecht haben? Werden die derzeitigen Vorschriften neuen Herausforderungen gerecht? In welchen Bereichen besteht Anpassungsbedarf? Welche Beziehungen sollten zwischen Gesellschaftsrecht und Corporate Governance bestehen?
  • Kodifizierung des europäischen Gesellschaftsrechts – Sollten die vorhandenen gesellschaftsrechtlichen Richtlinien in einem einzigen Rechtsakt zusammengefasst werden, um den Rechtsrahmen zugänglicher und anwenderfreundlicher zu machen?
  • Die Zukunft der Unternehmensrechtsformen auf europäischer Ebene – Welche Vorteile und Nachteile haben europäische Unternehmensrechtsformen? Sollten bestehende Rechtsformen überprüft werden? Wären alternative Instrumente sinnvoll?
  • Grenzübergreifende Mobilität von Unternehmen – Was könnte getan werden, um die grenzübergreifende Verlegung eines Unternehmenssitzes zu erleichtern? Welche Vorschriften sollten gelten, wenn Unternehmen sich länderübergreifend in mehrere Einheiten aufspalten? Sollten die Regeln für internationale Unternehmenszusammenschlüsse überarbeitet werden?
  • Unternehmensgruppen (d. h. Unternehmen unter gemeinsamer Leitung oder Beherrschung) – Besteht Handlungsbedarf auf EU-Ebene?
  • Eigenkapitalregelung für europäische Unternehmen – Sollten die für das Eigenkapital geltenden rechtlichen Mindestanforderungen und die Vorschriften für die Kapitalerhaltung geändert und aktualisiert werden?


Die nächsten Schritte
Die Konsultation läuft bis zum 14. Mai 2012. Nach Auswertung der eingegangenen Beiträge wird eine Zusammenfassung der Ergebnisse veröffentlicht. Anschließend können Folgemaßnahmen getroffen werden.

Hintergrund
Der bestehende gesellschaftsrechtliche Rahmen der EU umfasst eine Vielzahl von Richtlinien und Verordnungen. Die Harmonisierung des europäischen Gesellschaftsrechts betrifft Aspekte wie den Schutz der Interessen von Anteilseignern und anderen Beteiligten, die Bildung und Erhaltung des Kapitals von Aktiengesellschaften, Übernahmeangebote, die Offenlegung von Zweigniederlassungen, Verschmelzungen und Spaltungen, Mindestvorschriften für Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, Rechte von Anteilseignern und verwandte Bereiche wie Finanzberichterstattung und Rechnungslegung. Zudem umfasst der Rechtsrahmen unterschiedliche europäische Rechtsformen wie die Europäische Gesellschaft (Societas Europaea/SE), die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) und die Europäische Genossenschaft (SCE).

Im Jahr 2011 führte die Kommission eine ähnliche öffentliche Konsultation zur Corporate Governance durch (siehe IP/11/404). Beide Politikbereiche sind eng miteinander verknüpft, da einige Bestimmungen über die Corporate Governance im Gesellschaftsrecht verankert sind und sich das Gesellschaftsrecht in weiten Teilen mit Fragen der Corporate Governance befasst. Im Interesse der Kohärenz würden mögliche Folgeinitiativen in diesen beiden Bereichen daher in der zweiten Jahreshälfte 2012 gemeinsam angekündigt.

     
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