Eine Erfindung der TU Wien weist Chemikalien auf große Distanz nach – selbst wenn sie im
Inneren von Behältern verborgen sind.
Wien (tu) - Von explosiven Substanzen hält man gern etwas Abstand, doch um sie aufzuspüren
und chemisch nachzuweisen ließ sich ein recht enger Kontakt bisher nicht vermeiden. An der TU Wien wurde
nun eine Methode entwickelt, Chemikalien auch in geschlossenenen Gefäßen auf eine Entfernung von über
hundert Metern genau zu untersuchen. Das Licht eines Laserstrahls wird von verschiedenen Substanzen auf charakteristische
Weise gestreut – dadurch lässt sich sogar der Inhalt eines Containers chemisch analysieren ohne ihn zu öffnen.
„Chemischer Fingerabdruck“ im gestreuten Licht
„Die Methode, die wir verwenden, ist die Raman-Spektroskopie“, sagt Professor Bernhard Lendl vom Institut für
Chemische Technologien und Analytik der TU Wien. Mit einem Laserstrahl beleuchtet man die Probe, die chemisch analysiert
werden soll. Wird das Licht an den Molekülen der Probe gestreut, kann es seine Energie ändern. Beispielsweise
können einzelne Photonen des Laserlichts Schwingungen in den Molekülen der Probe anregen und dadurch
Energie abgeben. Damit ändert sich die Wellenlänge des Lichts und somit seine Farbe. Aus der genauen
Farb-Zusammensetzung des gestreuten Lichts lässt sich daher ablesen, an welcher chemischen Substanz es gestreut
wurde.
Messen aus großer Distanz – dank höchster Präzision
„Bisher musste man bei dieser Art der Raman-Spektroskopie den Laser und den Licht-Detektor in unmittelbarer räumlicher
Nähe zur Probe aufstellen“, erklärt Bernhard Zachhuber. Durch seine Weiterentwicklungen sind die Messungen
nun aber auch auf große Distanzen möglich. „Von hundert Millionen Photonen regen nur einige wenige überhaupt
einen Raman-Streuprozess in der Probe an“, sagt Bernhard Zachhuber. Diese gestreuten Lichtteilchen wiederum verteilen
sich gleichmäßig in alle Richtungen. Nur ein winziger Bruchteil gelangt von der Probe zum Licht-Detektor.
Aus diesem schwachen Signal muss möglichst viel Information herausgelesen werden. Das gelingt mit Hilfe eines
leistungsfähigen Teleskops und hochempfindlichen Licht-Sensoren.
Die Forschungsgruppe an der TU Wien kooperierte bei diesem EU-Projekt von Anfang an mit der Industrie und mit potenziellen
Anwendern aus dem Bereich der öffentlichen Sicherheit: Die spanische „Guardia Civil“ zeigte sich von Beginn
an interessiert, im Zuge der Arbeiten konnte auch das österreichische Bundesheer war in die Forschungsarbeiten
in Wien eingebunden werden. Auf einem Gelände des Bundesheeres konnte das Team der TU Wien ausprobieren, auf
welche Distanzen sich Chemikalien auf diese Weise identifizieren lassen. Unter den getesteten Proben waren häufig
verwendete Sprengstoffe wie TNT, ANFO oder Hexogen. Die Versuche verliefen äußert vielversprechend:
„Selbst bei einem Abstand von über hundert Metern lassen sich die Substanzen noch zuverlässig nachweisen“,
berichtet Engelene Chrysostom (TU Wien).
Ich messe was, was du nicht siehst ...
Die Raman-Spektroskopie auf großen Distanzen funktioniert sogar, wenn die untersuchte Probe in einem undurchsichtigen
Container versteckt ist. Der Laserstrahl wird zwar am Container gestreut, dringt aber teilweise auch ins Innere
ein. Im Probematerial kommt es also immer noch zu Raman-Streuprozessen. „Die Schwierigkeit liegt darin, das Lichtsignal
des Behälters vom Lichtsignal der Probe im Inneren zu unterscheiden“, sagt Bernhard Lendl. Das gelingt mit
einem einfachen geometrischen Trick: Der Laserstrahl trifft auf einem kleinen, fokussierten Punkt am Container
auf, verbreitert sich dann im Inneren aber stark. Das Lichtsignal, das vom Behälter kommt, geht also von einem
geometrisch eng begrenzten Bereich aus, das schwache Lichtsignal des Inhalts wird von einem größeren
Bereich ausgesandt. Richtet man also das Mess-Teleskop also nicht genau auf die Laser-Auftreffstelle, sondern ein
Stück davon weg, misst man das charakteristische Lichtsignal des Inhalts – nicht das der Verpackung.
Vom Flughafen bis zum Mars
Die neue Methode könnte Sicherheitskontrollen auf Flughäfen einfacher machen – doch das mögliche
Anwendungsgebiet ist noch viel größer. Raman-Spektroskopie auf große Distanzen ist überall
dort interessant, wo es schwierig ist, ganz nah an das Untersuchungsobjekt heranzukommen. Für die Untersuchung
von Eisbergen kann das genauso nützlich sein wie für Gesteinsuntersuchungen bei Mars-Missionen. Auch
in der chemischen Industrie gibt es für solche Methoden ein breites Einsatzgebiet. Die Anmeldung zum Patent
durch die TU Wien ist bereits erfolgt. |