EU-Kommission will Zahlung von 495 Millionen Euro aus dem Kohäsionsfonds an Ungarn für
2013 wegen mangelnden Vorgehens gegen übermäßiges Defizit aussetzen
Brüssel (ec.europa) - Die Europäische Kommission hat heute vorgeschlagen, Mittelbindungen
aus dem Kohäsionsfonds in Höhe von 495 184 000 Euro mit Wirkung vom 1. Januar 2013 auszusetzen,
was 0,5 % des BIP und 29% der Mittelzuweisung für Ungarn aus dem Kohäsionsfonds für 2013 entspricht.
Im Vorfeld dieser erstmals ergriffenen Maßnahme hatte die Kommission Ungarn wiederholt aufgefordert, seine
Anstrengungen zur Beendigung seines übermäßigen Defizits zu verstärken, doch Ungarn war diesen
Aufforderungen nicht nachgekommen. Am 11. Januar diesen Jahres gelangte die Europäische Kommission im Rahmen
des Defizitverfahrens zu dem Schluss, dass Ungarn keine wirksamen Maßnahmen ergriffen habe, um sein Defizit
bis 2011 in nachhaltiger und glaubhafter Weise unter die Zielvorgabe von 3 % des BIP zu senken. Die Europäische
Kommission schlug daher vor, die nächste Stufe des Defizitverfahrens einzuleiten. Dieser Empfehlung pflichtete
der Ministerrat am 24. Januar bei und machte so den Weg frei für eine teilweise Aussetzung der Mittelbindungen
aus dem Kohäsionsfonds für Ungarn.
Olli Rehn, der für Wirtschaft und Währung zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission,
kommentierte die vorgeschlagene Aussetzung mit den Worten: „Der heutige Vorschlag sollte als starker Anreiz für
eine solide Haushaltspolitik und die Einführung der geeigneten makroökonomischen und steuerlichen Rahmenbedingungen
in Ungarn gesehen werden, um eine effiziente Verwendung der Mittel aus dem Kohäsionsfonds zu gewährleisten.
Nun muss die ungarische Regierung handeln, bevor die Aussetzung in Kraft tritt".
Johannes Hahn, Kommissar für Regionalpolitik, fügte hinzu: „Es ist nun an der ungarischen Regierung,
unverzüglich die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Vorteile des Kohäsionsfonds voll
ausgeschöpft werden können. Der heutige Vorschlag ist verhältnismäßig und ermöglicht
die Fortsetzung der Investitionen im Rahmen des Fonds. Gleichzeitig erhält Ungarn Gelegenheit und Zeit, Abhilfe
zu schaffen.“
Die aktuelle Kohäsionsfonds-Verordnung besagt ausdrücklich, dass im Falle eines übermäßigen
Defizits, zu dessen Korrektur keine wirksamen Maßnahmen getroffen wurden, die Fondsmittel ganz oder teilweise
ausgesetzt werden können. Diese Maßnahme wird erstmals angewandt. Die vorgeschlagene Aussetzung bezieht
sich nur auf den jüngsten Verstoß und nicht auf das haushaltspolitische Verhalten in der Vergangenheit.
Es obliegt nun den Mitgliedstaaten, den Ungarn betreffenden Kommissionsvorschlag zu billigen. Sobald davon auszugehen
ist, dass wirksame Maßnahmen getroffen wurden, wird die Aussetzung unverzüglich aufgehoben.
Hintergrund
Gegen Ungarn läuft seit seinem EU-Beitritt 2004 ein Defizitverfahren. Nachdem im Januar und im November 2005
entschieden wurde, dass Ungarn keine wirksamen Maßnahmen ergriffen habe, wurde die Frist für die Korrektur
des Defizits im Oktober 2006 von 2008 auf 2009 verschoben. Im Juli 2009 gelangte der Rat vor dem Hintergrund eines
schwerwiegenden Wirtschaftsabschwungs, der haushaltspolitische Anpassungsmaßnahmen auslöste und zur
Stützung der Zahlungsbilanz durch EU und IWF führte, zu dem Schluss, dass Ungarn wirksame Maßnahmen
ergriffen habe. Er gab daraufhin geänderte Empfehlungen nach Artikel 104 Absatz 7 EGV ab und setzte 2011 als
neue Frist für die nachhaltige Korrektur des übermäßigen Defizits.
Ungarn wird zwar 2011 voraussichtlich einen ansehnlichen Haushaltsüberschuss in Höhe von 3,5 % des BIP
vorweisen, doch ist dieser Überschuss lediglich einmaligen Maßnahmen im Umfang von insgesamt etwa 10
% des BIP zu verdanken (Ungarn hat private Pensionsfonds im Umfang von 9 ¾ % des BIP auf den Haushalt übertragen.
Zusätzlich wurden außerordentliche Abgaben eingeführt). Ohne diese einmaligen Maßnahmen hätte
das Defizit 2011 bei 6 % des BIP gelegen. Außerdem hat sich in den Jahren 2010 und 2011 die Haushaltlage
strukturell um insgesamt 2½ % des BIP verschlechtert, was in krassem Gegensatz zu der für die beiden
Jahre insgesamt empfohlenen Verbesserung von 0,5 % des BIP steht.
2012 wird sich das Haushaltsergebnis wieder in ein Defizit verkehren. Für 2013 wird ein Defizit von 3¼
% des BIP prognostiziert, womit der im Vertrag festgelegte Referenzwert erneut überschritten wird.
Aus diesem Grund stellte der Rat am 24. Januar 2012 gemäß Artikel 126 Absatz 8 AEUV, dass Ungarn keine
wirksamen Maßnahmen getroffen hat. Gemäß der Kohäsionsfonds-Verordnung kann die Nichtbefolgung
der Empfehlungen im Rahmen des Defizitverfahrens zur Aussetzung der Mittelbindungen aus dem Kohäsionsfonds
führen, wie es heute bei Ungarn der Fall ist.
Der Beschluss über die Höhe der auszusetzenden Mittelbindungen aus dem Kohäsionsfonds soll sicherstellen,
dass die Aussetzung sowohl wirksam als auch verhältnismäßig ist, wobei sowohl die wirtschaftliche
Gesamtlage in der Europäischen Union als auch die relative Bedeutung des Kohäsionsfonds für die
Wirtschaft des betreffenden Mitgliedstaats berücksichtigt werden. Daher ist es im Falle der erstmaligen Anwendung
von Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1084/2006 auf einen Mitgliedstaat angemessen, den Betrag auf 50
% der Gesamtmittelzuweisung aus dem Kohäsionsfonds für 2013 festzusetzen, ohne Überschreitung der
Höchstgrenze von 0,5 % des von den Kommissionsdienststellen prognostizierten nominalen BIP des betreffenden
Mitgliedstaats. Diese Formel gilt für den verbleibenden Programmzeitraum 2007-2013.
Die Aussetzung entspricht 5,7 % der Gesamtmittelzuweisung für den Zeitraum 2007-2013 und 29 % der Mittelbindungen
für 2013. Die Mittelzuweisung aus dem Kohäsionsfonds für Ungarn für diesen Finanzplanungszeitraum
von 2007 bis 2013 beläuft sich auf 8,6 Mrd. Euro aus EU-Mitteln, was 1,26 % des BIP entspricht. Für 2013
ist eine Mittelzuweisung von 1,7 Mrd. EUR entsprechend 1,73 % des BIP vorgesehen. Der Kohäsionsfonds steht
allen Mitgliedstaaten zur Verfügung, deren BIP unter 90 % des europäischen Durchschnitts liegt, und ist
speziell auf größere Infrastruktur- und Umweltinvestitionen in diesen Mitgliedstaaten ausgerichtet. |