Zahlungsstop für Ungarn angedroht   

erstellt am
23. 02. 12

EU-Kommission will Zahlung von 495 Millionen Euro aus dem Kohäsionsfonds an Ungarn für 2013 wegen mangelnden Vorgehens gegen übermäßiges Defizit aussetzen
Brüssel (ec.europa) - Die Europäische Kommission hat heute vorgeschlagen, Mittelbindungen aus dem Kohäsionsfonds in Höhe von 495 184 000 Euro mit Wirkung vom 1. Januar 2013 auszusetzen, was 0,5 % des BIP und 29% der Mittelzuweisung für Ungarn aus dem Kohäsionsfonds für 2013 entspricht. Im Vorfeld dieser erstmals ergriffenen Maßnahme hatte die Kommission Ungarn wiederholt aufgefordert, seine Anstrengungen zur Beendigung seines übermäßigen Defizits zu verstärken, doch Ungarn war diesen Aufforderungen nicht nachgekommen. Am 11. Januar diesen Jahres gelangte die Europäische Kommission im Rahmen des Defizitverfahrens zu dem Schluss, dass Ungarn keine wirksamen Maßnahmen ergriffen habe, um sein Defizit bis 2011 in nachhaltiger und glaubhafter Weise unter die Zielvorgabe von 3 % des BIP zu senken. Die Europäische Kommission schlug daher vor, die nächste Stufe des Defizitverfahrens einzuleiten. Dieser Empfehlung pflichtete der Ministerrat am 24. Januar bei und machte so den Weg frei für eine teilweise Aussetzung der Mittelbindungen aus dem Kohäsionsfonds für Ungarn.

Olli Rehn, der für Wirtschaft und Währung zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, kommentierte die vorgeschlagene Aussetzung mit den Worten: „Der heutige Vorschlag sollte als starker Anreiz für eine solide Haushaltspolitik und die Einführung der geeigneten makroökonomischen und steuerlichen Rahmenbedingungen in Ungarn gesehen werden, um eine effiziente Verwendung der Mittel aus dem Kohäsionsfonds zu gewährleisten. Nun muss die ungarische Regierung handeln, bevor die Aussetzung in Kraft tritt".

Johannes Hahn, Kommissar für Regionalpolitik, fügte hinzu: „Es ist nun an der ungarischen Regierung, unverzüglich die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Vorteile des Kohäsionsfonds voll ausgeschöpft werden können. Der heutige Vorschlag ist verhältnismäßig und ermöglicht die Fortsetzung der Investitionen im Rahmen des Fonds. Gleichzeitig erhält Ungarn Gelegenheit und Zeit, Abhilfe zu schaffen.“

Die aktuelle Kohäsionsfonds-Verordnung besagt ausdrücklich, dass im Falle eines übermäßigen Defizits, zu dessen Korrektur keine wirksamen Maßnahmen getroffen wurden, die Fondsmittel ganz oder teilweise ausgesetzt werden können. Diese Maßnahme wird erstmals angewandt. Die vorgeschlagene Aussetzung bezieht sich nur auf den jüngsten Verstoß und nicht auf das haushaltspolitische Verhalten in der Vergangenheit. Es obliegt nun den Mitgliedstaaten, den Ungarn betreffenden Kommissionsvorschlag zu billigen. Sobald davon auszugehen ist, dass wirksame Maßnahmen getroffen wurden, wird die Aussetzung unverzüglich aufgehoben.

Hintergrund
Gegen Ungarn läuft seit seinem EU-Beitritt 2004 ein Defizitverfahren. Nachdem im Januar und im November 2005 entschieden wurde, dass Ungarn keine wirksamen Maßnahmen ergriffen habe, wurde die Frist für die Korrektur des Defizits im Oktober 2006 von 2008 auf 2009 verschoben. Im Juli 2009 gelangte der Rat vor dem Hintergrund eines schwerwiegenden Wirtschaftsabschwungs, der haushaltspolitische Anpassungsmaßnahmen auslöste und zur Stützung der Zahlungsbilanz durch EU und IWF führte, zu dem Schluss, dass Ungarn wirksame Maßnahmen ergriffen habe. Er gab daraufhin geänderte Empfehlungen nach Artikel 104 Absatz 7 EGV ab und setzte 2011 als neue Frist für die nachhaltige Korrektur des übermäßigen Defizits.

Ungarn wird zwar 2011 voraussichtlich einen ansehnlichen Haushaltsüberschuss in Höhe von 3,5 % des BIP vorweisen, doch ist dieser Überschuss lediglich einmaligen Maßnahmen im Umfang von insgesamt etwa 10 % des BIP zu verdanken (Ungarn hat private Pensionsfonds im Umfang von 9 ¾ % des BIP auf den Haushalt übertragen. Zusätzlich wurden außerordentliche Abgaben eingeführt). Ohne diese einmaligen Maßnahmen hätte das Defizit 2011 bei 6 % des BIP gelegen. Außerdem hat sich in den Jahren 2010 und 2011 die Haushaltlage strukturell um insgesamt 2½ % des BIP verschlechtert, was in krassem Gegensatz zu der für die beiden Jahre insgesamt empfohlenen Verbesserung von 0,5 % des BIP steht.

2012 wird sich das Haushaltsergebnis wieder in ein Defizit verkehren. Für 2013 wird ein Defizit von 3¼ % des BIP prognostiziert, womit der im Vertrag festgelegte Referenzwert erneut überschritten wird.

Aus diesem Grund stellte der Rat am 24. Januar 2012 gemäß Artikel 126 Absatz 8 AEUV, dass Ungarn keine wirksamen Maßnahmen getroffen hat. Gemäß der Kohäsionsfonds-Verordnung kann die Nichtbefolgung der Empfehlungen im Rahmen des Defizitverfahrens zur Aussetzung der Mittelbindungen aus dem Kohäsionsfonds führen, wie es heute bei Ungarn der Fall ist.

Der Beschluss über die Höhe der auszusetzenden Mittelbindungen aus dem Kohäsionsfonds soll sicherstellen, dass die Aussetzung sowohl wirksam als auch verhältnismäßig ist, wobei sowohl die wirtschaftliche Gesamtlage in der Europäischen Union als auch die relative Bedeutung des Kohäsionsfonds für die Wirtschaft des betreffenden Mitgliedstaats berücksichtigt werden. Daher ist es im Falle der erstmaligen Anwendung von Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1084/2006 auf einen Mitgliedstaat angemessen, den Betrag auf 50 % der Gesamtmittelzuweisung aus dem Kohäsionsfonds für 2013 festzusetzen, ohne Überschreitung der Höchstgrenze von 0,5 % des von den Kommissionsdienststellen prognostizierten nominalen BIP des betreffenden Mitgliedstaats. Diese Formel gilt für den verbleibenden Programmzeitraum 2007-2013.

Die Aussetzung entspricht 5,7 % der Gesamtmittelzuweisung für den Zeitraum 2007-2013 und 29 % der Mittelbindungen für 2013. Die Mittelzuweisung aus dem Kohäsionsfonds für Ungarn für diesen Finanzplanungszeitraum von 2007 bis 2013 beläuft sich auf 8,6 Mrd. Euro aus EU-Mitteln, was 1,26 % des BIP entspricht. Für 2013 ist eine Mittelzuweisung von 1,7 Mrd. EUR entsprechend 1,73 % des BIP vorgesehen. Der Kohäsionsfonds steht allen Mitgliedstaaten zur Verfügung, deren BIP unter 90 % des europäischen Durchschnitts liegt, und ist speziell auf größere Infrastruktur- und Umweltinvestitionen in diesen Mitgliedstaaten ausgerichtet.
     
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