RUB-Forscher stellen neues Schaltprinzip vor – „Nature Communications“: Neuentwicklung für
schnelle Speichermedien
Bochum (universität) - Ein internationales Forscherteam aus Deutschland und den Niederlanden
hat neue magnetische Materialien für Datenspeicher entwickelt. Erstmals ermöglichen sie das Schalten
von so genannten Spinströmen bei Raumtemperatur in einem senkrechten magnetischen Feld, was die Speicherdichte
deutlich erhöht. Die neuartigen Schalter könnten zum Beispiel als Leseköpfe in zukünftigen
Festplatten dienen. Die Forschergruppe aus der RUB, dem Helmholtz-Zentrum Berlin und aus Nijmwegen berichtet in
„Nature Communications“ über ihre Ergebnisse.
Grundlegende Idee aus Bochum
„Das Prinzip der so genannten Austauschfeder-Magnete hatte der Bochumer Elektrotechniker Prof. Eckart Kneller erstmals
Anfang der 1990er-Jahre vorgeschlagen“, sagt Prof. Dr. Hartmut Zabel, Lehrstuhl Experimentalphysik/Festkörperphysik
der RUB. Die grundlegende Arbeit sei seitdem über tausendmal zitiert worden und habe wissenschaftlich wie
technisch international weite Verbreitung gefunden. 20 Jahre später wurde der Effekt jetzt auch experimentell
an einem speziell ausgewählten Schichtsystem nachgewiesen, das besonders empfindliche Eigenschaften für
die magnetische Sensorik hat. Möglich war das in der von der Ruhr-Universität Bochum gebauten Messkammer
ALICE am Elektronensynchrotron BESSY II des Berliner Helmholtz-Zentrums.
Exotische ferrimagnetische Materialien
Während Ferromagnete uns z.B. als Kühlschrankmagnete sehr geläufig sind, sind ferrimagnetische
Materialien exotischer. Das bekannteste Beispiel ist Magnetit, das bereits vor über tausend Jahren in China
als Kompassnadel Verwendung fand. Ferrimagnete sind aus zwei ineinander verschachtelten Materialien mit unterschiedlichen
magnetischen Momenten zusammengesetzt. Die senkrecht angeordneten magnetischen Domänen der neuartigen Schalter
bestehen aus solch ferrimagnetischen Materialien, getrennt durch eine ultradünne Tantal-Schicht. „Das Besondere
daran ist die Tatsache, dass nach Herstellung der Schaltpunkt noch nachträglich eingestellt und beliebig häufig
verändert werden kann“, so Prof. Zabel. Die Forscher haben mit hochpräziser Röntgenstreuung (Röntgendichroismus)
die Schalter durchleuchtet und die Funktionalität in allen Details überprüft.
Wie bei einem Damaszener-Messer
Dafür verwendeten sie intermetallische Verbindungen aus Übergangsmetallen und Seltenen Erden.
Eine der beiden Schichten in dem Schalter besteht aus einer GdFe-Legierung, die andere Schicht aus einer DyCo-Legierung.
Die erste ist magnetisch weich, die andere magnetisch hart. „Stapelt man die Schichten übereinander, dann
hat man beide Eigenschaften wie in einem Damaszener-Messer vereinigt, sowohl die Schärfe wie die Härte“,
erklärt Zabel.
Weichmagnetische und hartmagnetische Schichten
Bei direktem Kontakt der beiden Schichten verliert die weichmagnetische GdFe-Schicht ihre Eigenschaft und passt
sich der hartmagnetischen DyCo-Schicht an. Die weichmagnetischen Eigenschaften sind jedoch notwendig für eine
hohe Empfindlichkeit und das Schalten bei bereits geringen magnetischen Feldern. Daher wurde der direkte Kontakt
durch Einziehen einer hauchdünnen Tantal-Zwischenschicht verhindert. Damit sind die weichmagnetischen Eigenschaften
von GdFe wieder hergestellt ohne dass sie ganz von DyCo unabhängig wäre. Man kann die beiden Schichten
vergleichen mit einem Boot (GdFe), das mit einem kurzen Ende (Tantal) an einem Pfahl (DyCo) festgemacht ist. Bei
zu kurzem Ende hat das Boot keine Freiheit, bei zu langem Ende kann es nicht kontrolliert werden. Die Tantal-Schichtdicke
ist damit entscheidend für die Funktionalität des Schalters. Bei richtig gewählter Schichtdicke
kann man den Schaltpunkt der weichmagnetischen Schicht in einem hohen Magnetfeld hin und her schieben und genau
auf den richtigen Wert einstellen.
Titelaufnahme
F. Radu, R. Abrudan, I. Radu, D. Schmitz, H. Zabel: Perpendicular exchange bias in ferrimagnetic spin valves. Nature
Communications, 2012. DOI: 10.1038/ncomms1728 |