Ökonomen analysieren die Konsolidierungspläne der Regierung
Expertenhearing zum Stabilisierungspaket im Budgetausschuss
Wien (pk) - Der Budgetausschuss hat am 14.03. die Verhandlungen über das 27,9 Mrd. € umfassende Budgetkonsolidierungspaket
der Bundesregierung mit einem Expertenhearing gestartet. Fünf hochrangige Ökonomen analysierten das 1.
Stabilitätsgesetz 2012 ( 1680 d.B.), das Steuererhöhungen von 9,2 Mrd. € vorsieht und bereits am 1. April
in Kraft treten soll. Am 1. Mai soll das 2. Stabilitätsgesetz 2012 ( 1685 d.B.) folgen und Budgeteinsparungen
von 17,3 Mrd. € und einen Konsolidierungseffekt von 1,4 Mrd. € durch Maßnahmen bei den Sozialversicherungen
bringen. Das Defizit des Gesamtstaates (Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen) soll bereits 2012
auf EU-konforme 3 % des BIP abnehmen und dann weiter auf null im Jahr 2016 sinken. Dem entsprechen auch die Ausgabenobergrenzen
im neuen Bundesfinanzrahmen 2013 bis 2016, der neue Strategiebericht und begleitende Änderungen im geltenden
Finanzrahmen sowie im laufenden Bundesfinanzgesetz ( 1681 d.B.). Diese Materien berät der Budgetausschuss
zwei Tage lang gemeinsam mit den beiden Stabilitätsgesetzentwürfen. Die definitiven Gesetzesbeschlüsse
sollen am 28. und 29. März in den beiden Kammern des Parlaments fallen.
Ausschussobmann Jakob Auer leitete das Expertenhearing, in dem Barbara Kolm, Gerhard Lehner, Markus Marterbauer,
Paolo Rondo-Brovetto und Bruno Rossmann aus wissenschaftlicher Sicht Stellung zum Konsolidierungspaket der Bundesregierung
nahmen und Fragen der Abgeordneten beantworteten. Für die Bundesregierung waren Finanzministerin Maria Fekter
und Staatssekretär Andreas Schieder zum Budgethearing erschienen und gingen ihrerseits auf Fragen der Ausschussmitglieder
ein. Nach dem Hearing unterbrach Ausschussobmann Jakob Auer die Verhandlungen des Budgetausschusses; sie wurden
am 15.03. fortgesetzt und abgeschlossen.
Barbara Kolm: Zu wenige Strukturreformen
Barbara Kolm leitete ihre Stellungnahme zu den beiden Stabilisierungsgesetzentwürfen mit der Feststellung
ein, es fehlten darin notwendige Maßnahmen zur Lösung der strukturellen Probleme in Österreich.
Um die hohen strukturellen Ausgaben zu senken, schlug Kolm vor, das Gesundheitswesen zu reformieren, das im OECD-Vergleich
das viertteuerste System unter den Industrieländern darstelle. Österreich habe auch die zweithöchsten
Bildungsausgaben pro Schüler und ein zu wenig zielgerichtetes staatliches Transfersystem. Der Expertin fehlte
es auch an hinreichenden Maßnahmen zur Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters und zur Kürzung
der Förderungen, die in Österreich höher seien als im europäischen Durchschnitt. Die Regierung
habe es verabsäumt, strategische Weichstellungen vorzunehmen und auf dringend notwendige strukturelle Reformen
verzichtet, klagte Kolm. Daher sei auch das Triple-A für Österreich nicht wieder erreichbar, auch seien
Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer nur "Wunschdenken" und solche aus einer Abgeltungssteuer seitens
der Schweiz "unwahrscheinlich", meinte die Ökonomin.
Die Frage des Abgeordneten Jan Krainer (S), wo bei Förderungen gespart werden soll, wenn man berücksichtige,
dass österreichische Spezifika wie der begünstigte dreizehnte und vierzehnte Monatsgehalt oder das Pendlerpauschale
die Hälfte der Förderungen ausmache, beantwortete die Expertin mit dem Hinweis auf Möglichkeiten,
bei den Institutionen, im Gesundheits- und Sozialsystem sowie bei Bildung und Forschung zu sparen, indem man stärker
als bisher auf marktwirtschaftliche Lösungen setze.
Mit Abgeordnetem Werner Kogler (G) sah sich die Expertin einig darin, dass es beim Föderalismus und im Gesundheitssystem
große Einsparungspotenziale gäbe. Kolm wies auf hohe Verwaltungskosten bei den zahlreichen Krankenkassen
hin, deren Zersplitterung Kogler beklagt hatte.
Einsparungen seien immer wichtig und in der derzeitigen Situation besonders wichtig, sagte Kolm und konnte keinen
Grund erkennen, Staatshaushalte immer größer werden zu lassen und darauf zu verzichten, die Staatsaufgaben
zu reduzieren. Besorgt zeigte sich die Ökonomin wegen der negativen Signale für die Leistungsträger,
die von der Solidarabgabe für hohe Einkommen ausgehen.
Jene Maßnahmen des Konsolidierungspakets, die Unternehmen betreffen, sah die Expertin insofern kritisch,
als steigende Lohnnebenkosten kleinere und mittlere Unternehmen belasten, was den Wirtschaftsstandort beeinträchtige.
Das Motto sollte vielmehr lauten: "Runter mit den Lohnnebenkosten", sagte Kolm und gab damit Abgeordnetem
Bernhard Themessl (F) Recht. Einig sah sich Kolm auch mit Abgeordnetem Linder (F), der von der Einschränkung
des Umsatzsteuerabzugs eine Einschränkung bei den Gemeindeinvestitionen befürchtete. Nicht sinnvoll hielt
Kolm auch die Reduzierung der Bausparprämie, weil sich dies negativ auf die Sparquote auswirken werde (Frage
von Bundesrat Reinhard Pisec, F). Die Belastungsgrenze der Bürger durch die hohe Steuer- und Abgabenquote,
auf die Abgeordneter Hermann Schultes (V) hinwies, sah Barbara Kolm längst als erreicht an. Mit den Experten
Marterbauer und Rossmann zeigte sich die Ökonomin einig darin, dass Österreich "overbanked"
sei und die Einführung von Insolvenzregeln für Banken dringend notwendig sei.
Gerhard Lehner: Ein Nulldefizit 2016 ist machbar
Gerhard Lehner hielt das Ziel, im Jahr 2016 ein gesamtstaatliches Nulldefizit zu erreichen für ambitioniert,
aber machbar. Auch in den Jahren 1996/1997 sei es gelungen, das Defizit innerhalb von zwei Jahren um drei Prozentpunkte
zu senken, ohne dass dies Verwerfungen beim Wachstum und auf dem Arbeitsmarkt ausgelöst hätte. Dennoch
werde der Weg steinig, einerseits wegen der demografischen Entwicklung, die zu einem starken Anstieg in der Altersgruppe
der über 60-Jährigen, zugleich aber auch zu einer steigenden Zahl von Schulkindern führe, was höhere
Bildungsausgaben zur Folge habe. Es werde wichtig sein, bis 2016 keine zusätzlichen Ausgaben zu beschließen
und der Budgetkonsolidierung Vorrang vor allen Steuerreformplänen einzuräumen, sagte Lehner. Wichtig
werde es auch sein, die Konsolidierung nach 2016 fortzusetzen. "Wir brauchen eine Schuldenbremse", formulierte
der Wirtschaftswissenschaftler.
Beim Bemühen, das Triple-A-Rating wiederzuerlangen, zeigte sich Lehner mittelfristig optimistisch und unterstrich
dabei neben den Budgetdaten die Faktoren Wachstum und Leistungsbilanz. Die mit 900 Mio. Euro bezifferten Einnahmen
aus der vorzeitigen Besteuerung der Pensionskassen sah Lehner "an der Obergrenze" angesiedelt, beim Thema
Abgeltungssteuer registrierte der Experte großen Druck auf der Schweiz und meinte, die Einführung einer
Finanztransaktionssteuer sei schwierig, ihr Ertrag würde aber wahrscheinlich 500 Mio. Euro erreichen.
Die Vereinbarung mit Ländern und Gemeinden werde den vorgesehen Betrag von 5,2 Mrd. Euro erbringen, sagte
Lehner und erinnerte daran, dass in den Bundesländern schon einiges geschehen sei.
Die Probleme der Banken, die Abgeordneter Alexander van der Bellen (G) ansprach, hielt Lehner für "nicht
leicht, aber für beherrschbar" und sah es positiv, dass budgetäre Vorkehrungen für die Sanierung
der Volksbanken AG getroffen wurden.
Im Gegensatz zu Barbara Kolm hielt Gerhard Lehner den Zeitfaktor bei Einsparungsmaßnahmen für sehr wichtig
und sah es positiv, dass die Regierung eine präzisen Zeitplan für die Konsolidierung bis 2016 vorsehe.
Abgeordnetem Alexander van der Bellen gab Lehner darin Recht, dass der Indikator "strukturelles Defizit"
schlecht zu berechnen sei, besser wäre es gewesen, die Staatsverschuldung an die Investitionen zu binden.
Eine Reduzierung der Sparquote sei in dem traditionellen Sparerland Österreich kein Problem, im Gegenteil,
eine solche Reduktion wirke expansiv auf die Volkswirtschaft.
Die Einnahmen hielt Gerhard Lehner für vorsichtig geschätzt, er erwarte sich höhere Einnahmen. Sollte
man den Konsolidierungspfad aber nicht einhalten können und daher gezwungen sein, über weitere Einnahmen
nachzudenken, plädierte Lehner für Umweltsteuern, etwa für eine Besteuerung des CO2-Ausstoßes.
Als Hauptkostentreiber im Gesundheitswesen sah Lehner den stationären Bereich in den Spitälern. Es werde
zu viel Verantwortung an die Spitäler abgeschoben, das führe dort zu finanziellen Problemen, lautet der
Befund Gerhard Lehners.
Markus Marterbauer sieht eine Bankenkrise, keine Staatsschuldenkrise
Markus Marterbauer hielt es für notwendig und sinnvoll, das Haushaltsdefizit mittelfristig zu reduzieren und
sah die Zielsetzungen des vorgelegten Konsolidierungspakets als erreichbar an. Die entscheidende Voraussetzung
dafür sei die wirtschaftliche Entwicklung, wobei er davon ausging, dass die aktuelle Krise im Jahr 2012 überwunden
werden könne und die Folgejahre ein verhaltenes Wachstum zeigen werden. Verhalten deshalb, weil die Sparpolitik
in Europa das Wachstum beeinträchtige. Auch das österreichische Konsolidierungspaket habe Bremseffekte,
was die Beschäftigung bis 2016 um 10.000 Arbeitsplätze beeinträchtigen werde. Den Höhepunkt
des Konsolidierungsbedarfs und der Arbeitslosigkeit erwartete Marterbauer für 2014.
Das Paket sei halbwegs ausgewogen und belaste alle Einkommensgruppen. Aus verteilungspolitischen Gründen sei
es allerdings zu bedauern, dass die Regierung auf Bestandssteuern auf Vermögen verzichte. Darüber hinaus
hielt es Marterbauer für notwendig, Offensivmaßnahmen im Bildungsbereich zu setzen, etwa durch den Ausbau
der Kinderbetreuung. Die vorgesehen Konsolidierung sei machbar, stellte der Experte fest, das größte
Risiko ortete er bei weiteren Hilfsmaßnahmen für den Bankensektor. "Wir befinden uns weiterhin
in einer Bankenkrise und nicht in einer Staatsschuldenkrise", analysierte Marterbauer.
Die Ratingagenturen sollte man nicht überschätzen, sagte Marterbauer und machte darauf aufmerksam, dass
Österreich nach dem Verlust des Triple-A für seine Zinsen historisch niedrige Zinsen zahlen müsse,
weil das Vertrauen der Märkte dennoch sehr groß sei.
Die Finanztransaktionssteuer sei ein vernünftiges und wichtiges Konzept, weil sie ein Instrument im Kampf
gegen die Spekulation sei und "die Richtigen" belaste, nämlich jene, die die Krise verursacht haben.
Bei der Frage des Abgeordneten Jan Krainer (S) welche Budgetmaßnahmen Wachstum besonders fördern, nannte
Markus Marterbauer den Wohnbau, wo 100 Mio. Euro 1000 bis 1.300 Arbeitsplätze schaffen oder den Ausbau von
Kinderbetreuungseinrichtungen, wo man mit diesem Betrag 2000 Beschäftigungsverhältnisse schaffen könne,
denn in diesem Bereich herrsche großer Bedarf.
Mit Abgeordnetem Jan Krainer (S) stimmte der Experte überein, dass Arbeit zu hoch, Vermögen aber zu niedrig
besteuert werden. Es sei daher richtig, den Wertzuwachs bei Immobilien zu besteuern. Zudem sollte man darüber
nachdenken, ob Österreich weiterhin ein Steuerparadies für große Vermögen bleiben wolle. Ökonomisch
wäre es jedenfalls wichtig, den Faktor Arbeit steuerlich zu entlasten.
Für notwendig hielt Marterbauer auch eine Föderalismusreform, um Ausgaben- und Einnahmenverantwortung
zusammenzuführen und Ineffizienzen zu überwinden. Die Grundsteuern empfahl Marterbauer zugunsten der
Gemeinden anzupassen. Im Gesundheitswesen könne man beim stationären Aufenthalt in den Spitälern
sparen, langfristig werde man aber mehr Geld für die Pflege brauchen, um zu verhindern, dass soziale Differenzen
im Alter immer stärker werden.
Aus verteilungspolitischer Sicht sei die Befristung der Solidarabgabe - eine Frage des Abgeordneten Alexander van
der Bellen (G) – nicht sinnvoll, meinte Marterbauer.
Die Budgetpolitik sollte sich auf die Beschäftigung konzentrieren, weil die wirtschaftlichen Kapazitäten
bis 2016 nicht ausgelastet sein werden. Langfristig sei es richtig, das Pensionsantrittsalter anzuheben, derzeit
sei dies aber noch nicht notwendig, man müsse vielmehr aufpassen, dass die Jugendarbeitslosigkeit nicht weiter
zunehme. Die Ausgangslage bei der Konsolidierung der österreichischen Staatsfinanzen beurteilte Marterbauer
als solide und wertete es positiv, dass von den Maßnahmen im Jahr 2012 nur geringe konjunkturdämpfende
Wirkungen ausgehen werden.
Bei den Vermögen sah Markus Marterbauer die Belastungsgrenze in Österreich noch nicht erreicht, bei den
Ausgaben plädierte der Experte dafür, die öffentlichen Aufgaben so effizient wie möglich zu
erfüllen.
Ein Rückgang der Sparquote sei ökonomisch notwendig, wenn die Budgetkonsolidierung gelingen soll, denn
jene Ausgaben, die der Staat einschränke, müssen von anderer Seite geleistet werden - das gehe zu Lasten
der Sparquote.
Den strukturellen Saldo hielt Markus Marterbauer für ein ungeeignetes Instrument zur Bewertung der Konsolidierungspolitik,
weil es sich dabei um eine extrem unpräzise ökonomische Größe handle.
Paolo Rondo-Brovetto für Selbstbehalte bei staatlichen Leistungen
Paolo Rondo-Brovetto stellte fest, dass sich die österreichische Wirtschaft im letzten Jahr stärker entwickelt
habe, als er dies erwartet habe, höher als angenommen liege aber auch die Inflation, woraus Risiken entstehen
können. Die Frage, wer durch das vorliegende Konsolidierungspaket belastet werde und wer Vorteile habe, sei
letztlich politisch zu beantworten. Klar sei jedenfalls, dass Österreich eine große Verwaltung habe,
Reformbemühungen in diesem Bereich seien daher zu begrüßen.
Einschätzungen der Rating-Agenturen seien jeweils als Prognosen für die Zukunft zu bewerten. Die tatsächlichen
Urteile sprechen die Finanzmärkte, sagte Rondo-Brovetto und machte darauf aufmerksam, dass der Zinsen-Spread
gegenüber Deutschland zugenommen habe, obwohl Deutschland eine höhere Schuldenquote aufweise als Österreich.
Die allfälligen Einnahmen aus einer allfälligen Transaktionssteuer hielt Rondo-Brovetto für schwer
bezifferbar.
In einzelnen Bundesländern ortete der Experte sehr interessante Reformbemühungen und Anstrengungen für
eine schlankere Verwaltung. Das Gesundheitssystem biete in Österreich den besten Zugang zu Krankenanstalten
weltweit, womit aber auch Anreize verbunden seien, Krankheiten zu suchen, die der Patient gar nicht habe. Rondo-Brovetto
riet dazu, demgegenüber Anreize zum Sparen zu schaffen. Grundsätzlich sprach sich der Ökonom für
Selbstbehalte bei öffentlichen Leistungen aus, wobei er auch Studiengebühren und Road-Pricing nannte.
Bei den Ausgaben sollte Österreich die Möglichkeiten der Haushaltsreform nutzen und die öffentliche
Verwaltung effizienter gestalten.
Die Einschränkung des Umsatzsteuervorabzugs für Gemeinden hielt der Experte für systematisch richtig
und hielt es zudem für richtig, die Sparquote in einer Konsolidierungsphase zu senken.
Bruno Rossmann warnt: Europa spart sich in eine Rezession
Bruno Rossmann warnte vor einer Austeritätspolitik der europäischen Länder, weil er die
Gefahr sah, Europa in eine Rezession hinein zu sparen. Die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen einer
Konsolidierungsstrategie sei die wirtschaftliche Entwicklung. Vor diesem Hintergrund bewertete Rossmann das vorliegende
Konsolidierungspaket als prozyklisch und setzte seine wachstumsdämpfenden Effekte höher an als Markus
Marterbauer. Rossmann rechnete mit einem Arbeitsmarktverlust von 13.000 bis 15.000 Arbeitsplätzen bis 2016,
allein der Bund streiche 4.000 Planstellen in diesem Zeitraum. Das Maßnahmenpaket sei sozial nicht ausgewogen,
obwohl alle Einkommensgruppen einbezogen werden. Das untere und das mittlere Einkommensdrittel würden stärker
belastet, rechnete Rossmann vor. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die höchsten Einkommen und Vermögen
nicht mehr zur Konsolidierung beitragen sollen als die PensionistInnen, sagte Bruno Rossmann. Der Experte trat
auch für die Wiedereinführung von Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer ein und klagte über
zu geringe Mittel für Zukunftsinvestitionen in Bildung, Wissenschaft und Klimaschutz. Angezeigt sei angesichts
der konjunkturellen Situation auch ein späterer Beginn der Konsolidierung und eine Beschäftigungsoffensive.
Da er Österreich für "over-banked" halte und die Banken für zu niedrig kapitalisiert,
sprach sich Rossmann für ein Insolvenzrecht für Banken aus.
Die erwartete Einnahme von 900 Mio. € aus der vorgezogenen Besteuerung der Pensionskosten hielt der Experte für
zu hoch angesetzt und machte darauf aufmerksam, dass der aktuelle Einnahmenvorteil sich nach 13 Jahren in einen
dauerhaften Verlust für den Bund verwandeln werde.
Bei der Finanztransaktionssteuer sollte sich die Bundesregierung nicht entmutigen lassen, riet Rossmann und sah
in einer Lösung der Bankenkrise einen wichtigen Beitrag zur Wiedergewinnung des Tripple A-Ratings für
Österreich.
Bei den Bundesländern hielt es Bruno Rossmann für notwendig, mehr Datentransparenz herzustellen und Doppelförderungen
zu identifizieren. Für die Länder hielt Rossmann den geplanten Konsolidierungsbeitrag für machbar,
bei den Gemeinden aber für problematisch, weil dort mit Investitionseinschränkungen zu rechnen sei. Ausdrücklich
sprach sich Rossmann gegen die von den Ländern vorgeschlagene Verlängerung des Finanzausgleichs bis 2016
aus.
Bei den Universitäten und in der Forschung befürchtete Rossmann bereits nach 2013 einen Rückgang
der Mittel.
Die Ereignisse bei der Volksbanken AG veranlassten den Experten zur Feststellung, es wäre möglicherweise
schon in den vergangenen Jahren sinnvoll gewesen, dieses Institut abzuwickeln.
Der Faktor Arbeit werde in Österreich zu hoch besteuert, Wertpapiere und Vermögen hingegen zu wenig besteuert,
sagte Rossmann und hielt es auch für notwendig, das Pendlerpauschale zu reformieren, um es allen Einkommensbeziehern
zugänglich zu machen und ökologischer zu orientieren. Für teuer hielt Rossmann die Förderung
privat genutzter Firmen-Pkw und so genannter Fiskal-Lkw.
Zur Frage nach Belastungsgrenzen zitierte Rossmann aus Studien, die zeigen, dass die Menschen bereit seien, Steuerbelastungen
in Kauf zu nehmen, wenn entsprechende Leistungen bei den Pensionen, im Gesundheitswesen und bei der Bildung erbracht
werden. Eine Lanze brach Rossmann dafür, staatliche Leistungen mit höherer Effizienz zu erbringen, Vorschläge
von Seiten vieler Experten liegen dazu bereits vor. Die Effizienz des Mitteleinsatzes könnte insbesondere
durch eine Föderalismusreform verbessert werden, sagte Rossmann und wies auf gute Ansätze dazu im Pflegebereich
hin.
Maria Fekter: Gemeinden werden von Steueranteilen profitieren
Finanzministerin Maria Fekter bemühte sich, Sorgen um die Finanzen der Gemeinden mit dem Hinweis darauf zu
zerstreuen, dass Länder und Gemeinden mit Ausnahme des Zuschlags zum Finanzmarktstabilitätsfonds und
zur Abgeltungssteuer bei den Pensionskassen an allen steuerlichen Maßnahmen beteiligt seien. Die Gemeinden
können mit einem Plus von 60 Mio. € rechnen, sagte die Ministerin. Hinsichtlich des Konsolidierungsbeitrags
der Länder sei eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, an der die Bundesländer und der Hauptverband der
Sozialversicherungsträger gemeinsam mit den Spitälern und Vertretern der Ärztekammer über eine
Kostendämpfung im Gesundheitswesen beraten, die den Ausgabenzuwachs im Gesundheitswesen an das BIP-Wachstum
binden soll. Die Lösung der Strukturprobleme im Pflegebereich bezeichnete die Bundesministerin dabei als "best-practice-Modell".
Die Bundesländer haben damit begonnen, effiziente Strukturen aufzusetzen, sagte die Ministerin, die Abgeordnetem
Kogler (G) zustimmte, der meinte, dass in den Ländern Milliardenbeträge durch Effizienzmaßnahmen
eingespart werden können. Reformmaßnahmen seien auf allen Ebenen des Staates permanent umzusetzen, sagte
die Ministerin und wies die Behauptung zurück, das vorliegende Stabilisierungspaket enthalte keine strukturellen
Reformen. Fekter nannte Maßnahmen in der öffentlichen Verwaltung, beim öffentlichen Dienst, bei
den Pensionen, auf dem Arbeitsmarkt, im Gesundheitswesen, bei den Förderungen und bei den ÖBB. Sie sei
stolz auf die Reformen, die konsequent angegangen werden.
Das traditionelle Einheitswertesystem in Österreich sei "nicht optimal gewartet", sagte die Ministerin
und berichtete von einem Pilotprojekt zur Nacherfassung der Bausubstanz in einigen Städten. Die Einheitswerte-Hauptfeststellung
werde von 2015 auf 2014 vorverlegt und werde zu veränderten Werten führen.
Abgeordneter Werner Kogler (G) erkundigte sich danach, ob die Einsparpotentiale bei den Bundesländern realistisch
seien und ortete große Einsparungspotentiale bei den Spitälern. Die Erwartung, durch die Einführung
einer Finanztransaktionssteuer Einnahmen zu erzielen, hielt der Abgeordnete nach dem gestrigen Verlauf des ECOFIN
für unrealistisch.
Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) kritisierte rückläufige Mittel für Wissenschaft und Forschung
und problematisierte den Indikator "strukturelles Defizit" sowie die Befristung bei der Solidarabgabe
für hohe Einkommen.
Abgeordneter Günter Stummvoll (V) wies gegenüber Vorschlägen zur Einführung von Vermögenssteuern
auf die hohe Steuerquote in Österreich hin und sah in einer hohen Sparquote eine wichtige Voraussetzung für
Investitionen und damit für Wachstum.
Abgeordneter Rainer Widmann (B) kritisierte die Bundesregierung für die Vorlage eines "Schröpfpakets",
mit dem das Bausparen ruiniert werde. Zugleich werde auf Reformen in Verwaltung und bei den Pensionen verzichtet,
klagte Widmann. Auch Abgeordneter Roman Haider (F) kritisierte in seiner Wortmeldung die Halbierung der Bausparprämie.
Abgeordneter Gerhard Huber (B) erfuhrt von Paolo Rondo-Brovetto, man könne die Konsolidierungspolitik Italiens
und Österreichs nicht miteinander vergleichen, Italien habe mittlerweile aber einen positiven Primärsaldo.
Huber warnte in seiner Wortmeldung vor einer Substanzbesteuerung und Grundsteuererhöhungen, weil dies die
"Häuselbauer" belasten würde. |