Bindegewebsproduzierende Zellen stammen aus dem Herzen selbst
Graz (med-uni) - Bei einer Reihe von Herzerkrankungen kommt es über kurz oder lang zu einem
bindegewebigen Umbau des Herzmuskels, auch Herzfibrose genannt. Der genaue Ablauf dieses Prozesses ist noch in
weiten Teilen ungeklärt. So wusste man bis vor kurzem nicht, welche Zellen für die vermehrte Produktion
des Bindegewebsproteins Kollagen verantwortlich sind. In einer in der renommierten Fachzeitschrift JACC (Journal
of the American College of Cardiology, Impact Faktor: 14.3) veröffentlichten Arbeit konnten Grazer Forscher
nun zeigen, dass herzeigene Zellen und nicht über das Blut eingewanderte Zellen die Quelle der Bindegewebsvermehrung
sind. Die Klärung dieser Frage ist eine der Voraussetzungen für die Entwicklung effektiver therapeutischer
Strategien.
Hoher Blutdruck, Durchblutungsstörungen und Entzündungen des Herzens sowie Abstoßungsreaktionen
nach einer Herztransplantation haben eines gemeinsam: Durch chemische oder mechanische schädigende Reize wird
bei diesen Erkrankungen vermehrt Bindegewebe zwischen den Muskelzellen abgelagert bzw. erfolgt ein Umbau des vorhandenen
Bindegewebsgerüstes. Die Folgen dieser Herzfibrose sind fatal: Das Herz wird in seinen biomechanischen Eigenschaften
steifer, die Pumpfunktion schlechter und die Gefahr von Rhythmusstörungen steigt. Weltweit suchen daher Wissenschafter
nach Wegen, wie die Fibrosierung des Herzens verhindert werden kann.
Eine der Fragen, die es dabei zu klären gilt, ist, woher die Bindegewebszellen kommen. Einerseits könnte
es sich um undifferenzierte Stammzellen handeln, die aus dem Knochenmark oder andern extrakardialen Geweben stammen,
im Blut zirkulieren und sich in geschädigtem Gewebe auf Grund bestimmter chemischer Lockstoffe in bindegewebsproduzierende
Fibroblasten umwandeln. Für eine solche Einwanderung sprechen manche tierexperimentelle Daten. Andere Modelle
bevorzugen die Hypothese, dass die Fibroblasten ihren Ursprung im Herzen selbst haben. Dabei könnte es sich
entweder um ruhende Fibroblasten handeln, die aus der Embryonalzeit abstammen, oder um Zellen, die die Herzgefäße
auskleiden (so genannte Endothelzellen) und sich im Rahmen eines komplizierten Prozesses in Bindegewebszellen umwandeln.
Um dieses Rätsel zu lösen, wählten die Forscher der Medizinischen Universitätsklinik und des
Instituts für Pathologie der Medizinischen Universität Graz einen raffinierten Versuchsansatz: Sie untersuchten
Gewebeproben von männlichen Transplantationspatienten, die das Herz einer Frau erhalten hatten. Da nur Männer
ein Y-Chromosom besitzen, konnte lichtmikroskopisch unterschieden werden, ob eine untersuchte Zelle vom Spender
oder vom Empfänger stammte. Die Auswertung ergab ein eindeutiges Bild: Anders als in manchen Tiermodellen
waren bei den Transplantationspatienten weniger als 0,5% der Zellen in den untersuchten Proben YChromosom- positiv.
Mit anderen Worten: Es waren nur wenige Zellen des Empfängers in das weibliche Herz eingewandert. Unter diesen
fanden sich spindelförmige Zellen, wie sie für Fibroblasten charakteristisch sind, aber auch zum Beispiel
Endothelzellen. "Da nicht nur Fibroblasten, sondern auch andere Zellen eine spindelförmige Morphologie
aufweisen können, haben wir Zellen mit dieser Form noch weiter charakterisiert", berichtet Dr. Martin
Pichler, Erstautor der Studie. Dabei zeigte sich, dass es sich bei den spindelförmigen Y-Chromosompositiven
Zellen überwiegend nicht um Fibroblasten handelte, sondern vor allem um Makrophagen, die im Rahmen von Entzündungsvorgängen
als Fresszellen ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems sind.
Um den tatsächlichen Beitrag eingewanderter Zellen zur Bindegewebsproduktion im Herzen genau bestimmen zu
können, entwickelten die Forscher um Dr. Martin Pichler und Univ.-Prof. Dr. Gerald Höfler zusätzlich
ein genetisches Modell, mit dessen Hilfe ein sehr wichtiges Bindegewebsprotein quantifiziert werden konnte. Die
Methode beruht auf Genpolymorphismen, also individuellen Variationen der DNA, die es ermöglichten, das Kollagen
dem Spender oder Empfänger zuzuordnen. Da die Forscher solche Polymorphismen auswählten, welche sich
auch als eine Art Marker in der Kollagen mRNA nachweisen lässt, konnte eine funktionelle Quantifizierung des
Ursprungs des Kollagens stattfinden. Das Ergebnis war eindeutig und stimmte mit den Resultaten der morphologischen
Analyse überein: In keiner einzigen Gewebeprobe konnte ein Hinweis gefunden werden, dass Kollagen von eingewanderten
Zellen in relevanten Mengen produziert worden war. "Unsere Daten zeigen, dass die Herzfibrose bei chronischen
Abstoßungsreaktionen in transplantierten menschlichen Herzen ganz überwiegend von herzeigenen Fibroblasten
verursacht wird", fasst Dr. Pichler die Ergebnisse zusammen.
Auch wenn diese Ergebnisse nicht eins zu eins auf andere Erkrankungen, die zu einer Herzfibrose führen, umgelegt
werden können, wäre es durchaus denkbar, dass auch unter anderen Bedingungen herzeigenen Zellen für
die vermehrte Bindegewebsablagerung verantwortlich sind. Sollte sich das in weiteren Studien bestätigen, hätte
das auch therapeutische Folgerungen: Die Umwandlung von ruhenden Fibroblasten oder Endothelzellen in bindegewebsproduzierende
Fibroblasten wird durch verschiedene Signale hervorgerufen, die man zum Teil schon zu kennen glaubt. Ein vielversprechender
Ansatz wäre es, diese Signalwege zu blockieren. Erste klinische Versuche, hier einzugreifen, sind bereits
in kleineren Serien weltweit im Laufen. |