Bonn (idw) - Wissenschaftler der Universität Bonn haben einen Mechanismus entdeckt, der die schädliche
Anreicherung von Proteinablagerungen im Gehirn im Verlauf der Alzheimer Krankheit begünstigt. Der Abbau eines
Peptides, das sich in den sogenannten Plaques anreichert, wird durch die Anlagerung einer Phosphatgruppe gehemmt.
Daraus könnten sich neue Therapie- und Diagnosemöglichkeiten ergeben. Die Forscher haben ihre Ergebnisse
nun im „Journal of Biological Chemistry“ veröffentlicht.
Von der Alzheimer-Krankheit sind meist Menschen über 65 Jahren betroffen. Mehr als 1,3 Millionen Menschen
leiden in Deutschland unter einer Demenzerkrankung, die meisten davon sind auf die Alzheimer-Krankheit zurückzuführen.
Bis 2050 wird sich die Zahl der Patienten absehbar verdoppeln. „Etliche Jahre bevor sich die ersten Alzheimer-Symptome
bemerkbar machen, bilden sich im Gehirn bereits Plaques aus fehlerhaft gefalteten Beta-Amyloid-Peptiden“, sagt
Prof. Dr. Jochen Walter von der Klinik für Neurologie des Bonner Universitätsklinikums. „Diese Ablagerungen
beeinträchtigen die Funktion der Nervenzellen im Gehirn.“
Mikrogliazellen fressen die schädlichen Ablagerungen auf
Die Wissenschaftler von der Uniklinik für Neurologie und vom Institut für Medizinische Mikrobiologie,
Immunologie und Parasitologie der Universität Bonn untersuchten Mikrogliazellen der Maus. Diese Zellen übernehmen
wichtige Funktionen bei der Beseitigung von schädlichen Molekülen im Gehirn. „Lagern sich im Gehirn von
Alzheimer-Erkrankten die Beta-Amyloid-Peptide ab, werden die Mikrogliazellen aktiviert und fressen einen Teil der
Ablagerungen wieder auf“, berichtet Prof. Walter.
Wie effektiv die Mikrogliazellen im Gehirn die schädlichen Beta-Amyloid-Peptide beseitigen, hängt davon
ab, ob an diese zuvor Phosphatgruppen gebunden wurden. „Dann wird ein insulinabbauendes Enzyms blockiert, das für
die Aktivität der Mikrogliazellen von großer Bedeutung ist“, sagt der Bonner Wissenschaftler. „Im Ergebnis
sind Beta-Amyloid-Peptide mit Phosphatgruppe also viel schwerer verdaulich als ohne.“ Das hat gleich eine zweifach
schädliche Wirkung im Gehirn: Der Abbau der Beta-Amyloid-Peptide ist aufgrund der Phosphatgruppe deutlich
reduziert, gleichzeitig verschlimmert das Phosphat auch noch deren Verklumpung. Beide Prozesse begünstigen
somit die Bildung der Plaques.
Phosphatgruppe blockiert den Abbau der Plaques
Schon seit Längerem ist bekannt, dass das insulinabbauende Enzym auch die schädlichen Alzheimer-Peptide
spaltet. „Das Neue ist, dass die Anknüpfung einer Phosphatgruppe diesen wichtigen Zersetzungsprozess blockiert“,
sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Sathish Kumar. „Wir können diese Effekte nun auf ein einziges Enzym
zurückführen.“ Bei Alzheimer-Patienten verfügen etwa 20 bis 30 Prozent der Peptide über eine
Phosphatgruppe und sind damit im Gehirn schlechter zu beseitigen.
Die Wissenschaftler hoffen nun, dass sich aus diesen Erkenntnissen in Zukunft neue Therapieansätze für
Alzheimer-Patienten ergeben könnten. „Das ist aber noch ein sehr weiter Weg“, sagt Prof. Walter. „Vielleicht
ist es möglich, mit Antikörpern, die speziell an die Beta-Amyloid-Peptide mit Phosphatgruppe binden,
die gefährlichen Peptide außer Gefecht zu setzen.“ Außerdem könnten diese Peptide mit Phosphatgruppe
möglicherweise als Biomarker zum Nachweis der Alzheimer-Krankheit im Frühstadium dienen. „Wenn sich viele
Phosphatgruppen an den Peptiden befinden, wäre dies ein Zeichen für ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer
zu erkranken“, erläutern die Bonner Wissenschaftler.
Publikation
Phosphorylation of the amyloid-beta peptide at serine 8 attenuates its clearance via insulin degrading and
angiotensin converting enzymes, Journal of Biological Chemistry, DOI: 10.1074/jbc.M111.279133 |