Bewährtes Anti-Tumor-Medikament zeigt neue Wirkung
Wien (fwf) - Das gegen Hautkrebs eingesetzte Therapeutikum Imiquimod zeigt eine bisher unbekannte
Wirkung auf Immunzellen. Sogenannte Dendritische Zellen werden durch das Medikament in effiziente "Tumor-Killer"
umgewandelt. Diese rücken dem Tumor direkt zu Leibe und zerstören dessen Zellen. Dabei agieren die Dendritischen
Zellen sehr "geschickt" - sie produzieren nicht nur spezielle Substanzen mit zellschädlicher Wirkung,
sondern schaffen es auch ohne die Hilfe von T- und B-Zellen und natürlichen Killer-(NK)-Zellen, den Tumor
zu bekämpfen. Die Entdeckung dieses komplexen Zusammenspiels wurde in einem Doktoratskolleg des Wissenschaftsfonds
FWF gemacht und vor Kurzem im Journal of Clinical Investigation publiziert und kommentiert.
Seit 15 Jahren ist der Wirkstoff Imiquimod zur Behandlung bestimmter Hauterkrankungen inklusive einiger Hautkrebsarten
zugelassen - seit 15 Jahren hat sich der als Hautcreme verabreichte Wirkstoff oftmals bewährt. Trotz dieses
therapeutischen Erfolgs war der genaue Wirkmechanismus des Medikaments bei der Bekämpfung von Tumoren bisher
nicht bekannt. Jetzt hat eine Gruppe um Prof. Maria Sibilia, Vorstand des Instituts für Krebsforschung der
Medizinischen Universität Wien, unbekannte und überraschende Wirkungen von Imiquimod (Imi) auf spezielle
Immunzellen feststellen können.
Zelluläre Infanterie
In einem Mausmodell für schwarzen Hautkrebs konnte das Team um Prof. Sibilia zeigen, dass Imiquimod nicht
nur die "Rekrutierung" spezieller Immunzellen bewirkt, sondern diese zusätzlich für den Kampf
gegen Tumorzellen "aufrüstet". Dazu Dr. Barbara Drobits, Schlüsselwissenschafterin in dem vom
FWF unterstützten Doktoratskolleg, in dem diese Entdeckung gelang: "Wir konnten zeigen, dass Imi zunächst
unmittelbar in der Haut auf sogenannte Mastzellen wirkt. Diese sind Zellen des Immunsystems, die Botenstoffe zur
Steuerung einer Immunantwort freisetzen können. In Reaktion auf Imi, welches spezielle, als toll-like bezeichnete
Rezeptoren aktiviert, setzten sie den Botenstoff CCL2 frei - ein Auftaktsignal, das nun eine für Tumorzellen
tödliche Reaktion in Gang setzt."
Tatsächlich konnte die Gruppe zeigen, dass CCL2 in weiterer Folge das Einwandern zusätzlicher Zellen
des Immunsystems bewirkt. Die Analyse der nachfolgenden Aktivität dieser Immunzellen sorgte dann für
eine echte Überraschung: Die als plasmazytoide Dendritische Zellen (pDCs) bezeichneten Immunzellen waren bisher
eher als Modulatoren bekannt - in Reaktion auf Imi entpuppten sie sich nun aber als echte Aggressoren.
Kampfstrategie
Dazu Prof. Sibilia: "Tatsächlich gelang es meinem Team, einen wichtigen Aspekt des Imiquimod-induzierten
Wirkungsmechanismus und die Rolle der pDCs in diesem zu entschlüsseln. Diese ist Teil einer komplexen Strategie
des Körpers im Kampf gegen Tumore. Denn pDCs wurden nicht nur durch CCL2 angelockt, sondern auch zur Produktion
von Interferon alpha (IFN alpha) angeregt. Damit werden die pDCs zu echten Tumor-Killern." Tatsächlich
bewirkt IFN alpha die Produktion verschiedener Stoffe (TRAIL, granzyme B), die auf Tumorzellen tödlich wirken
können. Als eine weitere Besonderheit konnte erstmals gezeigt werden, dass pDCs selbst, unabhängig von
den Immunzellen des adaptiven Immmunsystems (B- und T-Zellen), aber auch unabhängig von NK-Zellen, welche
beide als wichtige Komponenten der tumoralen Immunantwort gesehen werden, die Zerstörung der Tumorzellen einleiten.
Insgesamt gelang es dem Team des Doktoratskollegs "Inflammation and Immunity", einen neuen Wirkmechanismus
von Dendritischen Zellen bei der Tumorbekämpfung zu entdecken. Denn niemals zuvor konnte eine so direkte Bekämpfung
der Tumore durch pDCs beobachtet werden. Inwieweit sich diese Entdeckung für innovative Krebstherapien nutzen
lässt, werden weitere Arbeiten zeigen. Denn noch bleiben wichtige Fragen offen, wie Dr. Drobits meint: "Es
ist bekannt, dass einige Tumorzellen selbst CCL2 produzieren. Also dieselbe Kaskade wie Imi in Gang setzen sollten.
Doch das bewirkte nicht immer einen positiven Erkrankungsverlauf. Warum? Das wissen wir noch nicht und gilt es
zu klären." Mit Herausforderungen wie diesen wird das Doktoratskolleg des FWF wieder einem wichtigen
Ziel gerecht: jungen WissenschafterInnen die Chance zu geben, ganz vorne an der Wissenschaftsfront mit dabei zu
sein.
Originalpublikation
Imiquimod clears tumors in mice independent of adaptive immunity by converting pDCs into tumor-killing effector
cells. B. Drobits, M. Holcmann, N. Amberg, M. Swiecki, R. Grundtner, M. Hammer, M. Colonna, and M. Sibilia. J Clin
Invest. 2012;122(2):575 585. doi:10.1172/JCI61034. |