Finanzlage der oö. Städte und Gemeinden äußerst angespannt
Neuausrichtung der Aufsichtsinstrumente und Bedarfszuweisungsmittel-Vergabe erforderlich
Linz (lrh-oö) - Die Zahl der Abgangsgemeinden in OÖ ist in den letzten Jahren deutlich
angestiegen (2010 auf 67%) und im Bundesländervergleich traditionell am höchsten. Dafür waren nicht
nur Individualwünsche der Gemeinden, sondern auch die kontinuierliche Ausweitung von Leistungsstandards sowie
Landesvorgaben wesentlich verantwortlich. Positive Wirkungen lassen die ab 2012 im Rahmen eines Gemeinde-Entlastungspaketes
gesetzten Maßnahmen zur Eindämmung der vergleichsweise hohen Transferleistungen der Gemeinden an das
Land erwarten.
Ziel einer insgesamt leistbaren Infrastruktur nicht erreicht, Belastungen in die Zukunft verschoben
Durch die kommunale Investitionstätigkeit wurden vielfältige positive regionale Impulse gesetzt. Diese
Entwicklung stand jedoch mit der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinden nicht im Einklang. Sie war
nur möglich, weil vielfach die Finanzierung der Anschaffungskosten über Darlehen bzw. zukünftig
erwartete Bedarfszuweisungsmittel erfolgte. Konsequenz ist, dass immer mehr Gemeinden in den Abgang rutschen und
auf BZ-Mittel zum Haushaltsausgleich angewiesen sind.
"Da die Einnahmen aus BZ-Mitteln mit den Ausgaben nicht Schritt hielten, erfolgten auch bei guter Konjunkturentwicklung
Budgetvorgriffe. Darüber hinaus musste das Land einmal 79 Mio. Euro zuschießen", führt Direktor
Brückner aus und verweist darauf, dass "konsequent mehr ausgegeben wurde, als man sich leisten konnte."
Diese Budgetvorgriffe sind aus zukünftigen BZ-Einnahmen zurückzuzahlen, sodass die Handlungsspielräume
in den kommenden Jahren immer stärker eingeengt werden. Für den LRH ist noch keine umfassende Strategie
erkennbar, wie die finanzielle Gesundung der Gemeinden und damit die Einhaltung der Vorgaben des Stabilitätspaktes
erreicht werden soll. Vielmehr waren seiner Meinung nach die Anstrengungen des Gemeindereferates bislang darauf
gerichtet, das Fördersystem in der bestehenden Form unter Zuhilfenahme zusätzlicher finanzieller Mittel
aufrecht zu erhalten.
Dazu Direktor Brückner: "Man hat ein System aufrecht erhalten, obwohl sich bereits in der Vergangenheit
gezeigt hat, dass es in dieser Form langfristig nicht finanzierbar ist", so Brückner. Er empfahl daher
mit der notwendigen Neugestaltung, die den Gemeinden eine adäquate finanzielle Grundausstattung als Basis
für eine gelebte Gemeindeautonomie zur Verfügung stellt, unverzüglich zu beginnen.
Die angespannte finanzielle Situation der Gemeinden erfordert auch eine grundsätzliche Neuausrichtung der
kommunalen Strukturen. Dabei muss stärker zwischen einer flächendeckend notwendigen Grundversorgung und
regional vorhandenen Zusatzangeboten unterschieden werden. Anstelle von vielen politischen Entscheidungen, die
gemeindebezogene Einzelprojekte im Fokus haben, sollten diese aus der Betrachtung der regionalen Notwendigkeiten
getroffen werden.
Intransparente BZ-Mittelvergabe ohne klar definierte Kriterien
Insgesamt war die BZ-Mittelvergabe wenig transparent gestaltet. "Es gibt keine klar ausgeschilderten
Kriterien, wofür und in welcher Höhe bzw. nach welchem Beurteilungsmaßstab eine Gemeinde BZ-Mittel
bekommt. Da besteht naturgemäß die Gefahr, dass sich Nachbargemeinden benachteiligt vorkommen",
so Brückner. So war für den LRH teilweise nicht erkennbar, auf welcher strategischen Grundlage Projekte
ausgewählt werden. Vielmehr ortete er ein "Einzelentscheidungssystem", dem zwar in einzelnen Fachbereichen
Bereichsplanungen zugrunde lagen, dem jedoch eine strategische Gesamtplanung mit einem klaren Fokus auf die Leistbarkeit
fehlte. Der LRH empfahl, die Vergabe auf Basis einer fachbereichsübergreifenden Gesamtplanung für die
Gemeinden nachvollziehbarer zu gestalten.
Aufsichtsinstrumente gehen in die falsche Richtung
Die Gemeindeaufsicht des Landes soll die rechtliche, wirtschaftliche und sparsame Führung einer Gemeinde
sicherstellen. LRH-Direktor Brückner: "In der Prüfung zeigte sich, dass bei Genehmigungen mit finanziellen
Auswirkungen die Leistbarkeit nicht das wesentliche Kriterium war." Die aufsichtsbehördlich genehmigte
Neuverschuldung von Abgangsgemeinden stand nach Ansicht des LRH in einem Spannungsverhältnis zu den gesetzlichen
Intentionen. Außerdem trugen die Aufsichtsinstrumente und das System der Abgangsdeckung nicht dazu bei, das
eigenverantwortliche Handeln der Gemeinden zu stärken. "Vielfach beklagen die Gemeinden, dass sie am
Gängelband des Landes hängen", verweist Direktor Brückner auf viele Gespräche mit Bürgermeisterinnen
und Bürgermeistern. Brückner dazu weiter: "Detail-Erlässe des Landes, die dazu führen,
dass Gemeinden auch für Kleinstinvestitionen beim Land um Erlaubnis fragen müssen, sind da schon sehr
problematisch. Sie höhlen die Grundidee der Gemeindeautonomie aus und erzeugen viel Bürokratie."
Risiken einzelner Finanzgeschäfte von Gemeinden unterschätzt - Professionalisierung
notwendig
Da einzelne Gemeinden Zinssicherungsgeschäfte mit hohem Risiko oder Fremdwährungsdarlehen abgeschlossen
haben, entschied das Land OÖ, deren Abschluss zu verbieten bzw. an eine aufsichtsbehördliche Genehmigung
zu binden. Aus denZinssicherungsgeschäften errechnete der LRH per Dezember 2011 einen Verlust von rd. 4,8
Mio. Euro, aus den noch aushaftenden Fremdwährungsdarlehen bezifferte sich der Währungsverlust auf rd.
27,7 Mio. Euro. Aus den vorliegenden Unterlagen gelangte der LRH zum Schluss, dass das Risikopotential der laufend
weiterentwickelten Finanzprodukte tendenziell unterschätzt wurde. Insgesamt empfahl er der IKD, die Gemeinden
beim Aufbau eines professionellen Risikomanagements zu unterstützen.
Zusammenfassend hat der LRH Folgendes empfohlen:
- Neugestaltung des kommunalen Finanzierungssystems unter besonderer Berücksichtigung der Leistbarkeit und
Stärkung der Gemeindeautonomie
- Bei der Verteilung der verfügbaren BZ-Mittel stärkere Fokussierung auf eine adäquate finanzielle
Grundausstattung der Gemeinden
- Gesamtstrategische Neuausrichtung der Kommunalstrukturen mit stärkerer Differenzierung zwischen flächendeckend
erforderlicher Grundversorgung und regional verfügbarer Zusatzausstattung
- Weiterentwicklung der Aufsichtsinstrumente im Sinne der angestrebten Wirkungen und Ziele
- Unterstützung der Gemeinden zur Implementierung eines professionellen Finanz- und Risikomanagement
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Das Ziel sind bestmögliche Rahmenbedingungen für die Erfüllung
der Aufgaben für die Menschen durch die Gemeinden
Die Gemeinde-Referenten LR Hiegelsberger und LH-Stv. Ackerl zum Rechnungshofbericht zur
Gebarung des Gemeinderessorts
Linz (lk) - Die Gemeindereferenten Landesrat Max Hiegelsberger und Landeshauptmann- Stellvertreter
Josef Ackerl nehmen den Bericht des Landesrechnungshofes ernst, verteidigen aber die auf eine Gemeindeautonomie
basierende Praxis der Vergabe von Bedarfszuweisungsmittel (BZ-Mittel) nach Bedarf und Ermessen.
"Als Gemeindereferenten des Landes Oberösterreich stehen wir voll und ganz hinter der Gemeindeautonomie,
bei für alle gleichen Spielregeln. Auch strukturschwache kleine Landgemeinden und ihre Bewohner/innen brauchen
Infrastrukturmaßnahmen um einer weiteren Ausdünnung des ländlichen Raumes entgegenzuwirken."
12 % der Bundes-Ertragesanteile für die Gemeinden werden beim Land zurückbehalten um auch in kleineren
Gemeinden in ländlichen Gebieten nachweislich Infrastrukturmaßnahmen und damit eine faire Aufteilung
auf alle Gemeindebürgerinnen und –bürger sicherzustellen. Für die Gemeindereferenten Hiegelsberger
und Ackerl das politisch gerechteste System. "Gemeinden ohne kommunale Infrastruktur wie etwa Kinderbetreuungseinrichtungen,
Sportplätzen oder Feuerwehrzeugstätten sind für den Zuzug junger Familien nicht interessant, sondern
im Gegenteil massiv von Abwanderung betroffen. Mit der Schaffung notwendiger Infrastrukturen kann der Ausdünnung
des ländlichen Raumes entgegengewirkt werden. Werden auch kleine Gemeinden nicht mit genügend BZ-Mittel
unterstützt so könnten diese nie ihre kommunale Infrastruktur aufrechterhalten bzw. den Erfordernissen
anpassen", argumentieren Hiegelsberger und Ackerl. "Dass es Gemeinden gibt, die einmal mehr und einmal
weniger BZ-Mittel erhalten, liegt in der Natur der Sache, da auch viele Sonderprojekte, wie etwa Weltcupstrecken
oder Weltkulturerbe unterstützt worden sind, welche nicht nur eine regionale sondern auch eine überregionale
Bedeutung haben."
Die BZ-Mittel wurden daher mit bestem Wissen und Gewissen und unter Berücksichtigung des Angebotes bzw. Bedarfs
vergeben. Beide Gemeindereferenten sind stets bemüht gemeindeautonome Beschlüsse bestmöglich zu
begleiten. Daher ist es durchaus nach fachlicher Prüfung durch die Direktion für Inneres und Kommunales
zu individuellen Entscheidungen in Abstimmung mit Gemeindevertreter/innen und den jeweils zuständigen Gemeindereferenten
gekommen. Die Möglichkeit einer gesicherten Finanzierung aber auch der überregionale Gedanke stehen dabei
immer im Vordergrund. Auch eine 2011 erhobene Statistik des Landes bestätigt, dass die Gemeinden ihrer echten
Finanzsituation entsprechend – und diese verbessernd - BZ-Mittel erhalten.
In Bezug auf das mit einem Darlehen finanzierte Konjunkturpaket sehen sich die Gemeindereferenten angesichts der
mittlerweile positiven Entwicklung der Wirtschaft klar im Recht. Das vom Gemeinderessort in Zeiten der Krise verabschiedete
Konjunkturpaket mit antizyklisch investierten 150 Mio. Euro ist nachweislich allen oberösterreichischen Gemeinden
zugute gekommen. Aber auch die Wirtschaft wurde damit massiv unterstützt und es konnten unzählige Arbeitsplätze
in den Regionen abgesichert werden. Gerade die konjunkturabhängige Einnahmenentwicklung erfordert für
die Sicherstellung der bedarfsorientierten Erfüllung der Gemeindeaufgaben für die Menschen die Möglichkeit,
mittels Darlehen und Landesmitteln der Konjunkturentwicklung gegensteuern zu können.
Auch in der politischen Trennung des Gemeinderessorts sehen Hiegelsberger und Ackerl keine Probleme, sondern im
Gegenteil kontrollpolitische Vorteile durch die wechselseitige Aufsicht. "Die Zusammenarbeit und Kontrolle
funktioniert im Gemeinderessort nach dem Vier-Augen-Prinzip. Um eine transparente und gerechte Mittelverteilung
sicher zu stellen, hat sich dieses Vier-Augen-Prinzip bewährt. Ein Abgehen davon ist nicht geplant".
In Bezug auf die gesteigerte Sensibilisierung im Bereich von Finanzgeschäften hat das Gemeinderessort rasch
reagiert und in Abstimmung mit der zuständigen Direktion für Inneres und Kommunales sowie namhaften externen
Experten Instrumente entwickelt, um die Finanzgeschäfte besser am Radar zu haben. Außerdem wurde mit
der Finanzgeschäfteverordnung am Montag dieser Woche ein wichtiger Regierungsbeschluss erreicht.
Angesichts der angespannten finanziellen Situation in den Gemeinden, aber auch um die Qualität der Dienstleistungen
vor Ort in Zukunft erhalten zu können, wird seit einiger Zeit an neuen Strategien gearbeitet bzw. sind diese
bereits in Umsetzung, wie etwa das finanzielle Anreizsystem für freiwillige gemeindeübergreifende Kooperationen
bzw. freiwillige Fusionen im Bereich der Gemeindeverwaltung geschaffen werden kann. Die Freiwilligkeit steht dabei
im Vordergrund. Von Seiten des Landes Oberösterreich wird es jedenfalls keine zwangsweisen Gemeindezusammenlegungen
geben. |